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I b ZR 158/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 16.03.1966
Aktenzeichen: I b ZR 158/63
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 549 Abs. 1 ZPO
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Die Verordnung über Entgelte der Hafenschiffahrt im Gebiet des Hafens Hamburg vom 11. Dezember 1951 (GVBI 225) verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

2) Diese Verordnung ist nicht revisibel im Sinne des § 549 Abs. 1 ZPO.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 16. März 1966 - I b ZR 158/63

(Landgericht Hamburg/Oberlandesgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Der Kläger behauptet als Konkursverwalter über das Vermögen des Gemeinschuldners L. in Hamburg, daß letzterer bei Transporten für die Beklagten die Festpreise der Hafenschiffahrtsentgelte ständig unterschritten habe. Er fordert von den Beklagten die Zahlung der Unterschiedsbeträge zwischen den tariflichen Festentgelten und den vom Gemeinschuldner berechneten Frachtsätzen.
Dem Klageantrag wurde bis auf einen verhältnismäßig geringen Betrag in allen 3 Instanzen entsprochen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Gemäß § 65 Abs. 1 des Hamburger Hafengesetzes vom 21. Dezember 1954 (GVBI 169) in der Fassung vom 20. Juni 1960 (GVBI 335) ist der Hamburger Senat ermächtigt, Entgelte der Hafenschiffahrt für den Hamburger Hafen und die nichtbundeseigenen Wasserstrafen im ganzen Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg durch Rechtsverordnung festzusetzen. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 13 gilt die Verordnung über Entgelte der Hafenschiffahrt im Gebiet des Hafens Hamburg vom 11. Dezember 1951 (GVBI 225) als aufgrund der §§ 63 und 65 des Hafengesetzes erlassen.
Die Frage, ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, daß beide Gesetze entsprechend den bei ihrem Zustandekommen geltenden hamburgischen Verfassungsbestimmungen ausgefertigt worden seien, ist somit nicht nachprüfbar (vgl. BGH NJW 1954, 1081). Dagegen unterliegt der Nachprüfung, ob das Berufungsgericht bei Bejahung des Wirksamwerdens der Verordnung über Entgelte und des Hafengesetzes gegen einen höherrangigen, allgemein in der Bundesrepublik geltenden Grundsatz verstoßen hat (BGH a.a.O. betr. Art. 82 Abs. 2 GG). Die Rüge ist jedoch nicht begründet.
Darin, daß die Verkündungen der Verordnung über Entgelte der Hafenschiffahrt im Gebiet des Hamburger Hafens vom 11. Dezember 1951 und des Hafengesetzes vom 21. Dezember 1954 eine Unterschrift nicht ersehen lassen, kann entgegen der Auffassung der Revision keine Verletzung eines allgemeinen, aus dem Grundgesetz zu entnehmenden Rechtsgrundsatzes erblickt werden.
Die Verordnung über Entgelte der Hafenschiffahrt im Gebiet des Hafens Hamburg vom 11. Dezember 1951 (GVBI 225) ist nach ihrem Vorspruch erlassen aufgrund der 26. und 28. Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der Notlage der Binnenschiffahrt vom 5. Februar und 22. Juli 1938 (RuStAnz 1938 Nr. 33 u. Nr. 170) i. V. m. Art. 129 Abs. 4 GG und aufgrund von § 2 Abs. 2 Buchst. b des Preisgesetzes vom 10. April 1948 (WiGBI 1948, 27). In § 45 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesgesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr (Binnenschiffsverkehrsgesefz - BinnSchVerkG) vom 1. Oktober 1953 (BGBI 1 1453) ist bestimmt, daß mit dessen Inkrafttreten das Gesetz zur Bekämpfung der Notlage der Binnenschiffahrt nebst den zu seiner Durchführung ergangenen Verordnung außer Kraft tritt, da4 jedoch die aufgrund der 26. und 28. Durchführungsverordnung erlassene hamburgische Verordnung über Entgelte der Hafenschiffahrt im Gebiet des Hafens Hamburg vom 11. Dezember 1951 unverändert bleibt. Nach § 67 Abs. 1 Nr. 13 des Hamburger Hafengesetzes vom 21. Dezember 1954 gilt, wie bereits eingangs dargelegt worden ist, diese Verordnung als aufgrund der §§ 63 und 65 des Hafengesetzes erlassen.
Es erweist sich die Ansicht der Revision als unbegründet, die Verordnung über Entgelte habe gemäß Art. 80 Abs. 2 GG der Zustimmung des Bundesrats bedurft, soweit es sich um die Gesetzgebungszuständigkeit bezüglich des Seehafens Hamburg handelt. Dieser Zustimmung bedürfen Rechtsverordnungen aufgrund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden. Wie vorstehend dargelegt, steht die Gesetzgebung und Verwaltung hinsichtlich der Seehäfen den Ländern nicht aufgrund eines Bundesgesetzes, sondern aus eigenem Recht zu. Die Verordnung bedurfte daher nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Eine Zustimmung des Bundesrats war auch nicht etwa aus dem Grunde erforderlich, wie die Revision meint, weil die Verordnung die Preisbildung der Hafenschiffahrt im Gebiet des Hafens Hamburg regelt. Denn der Zustimmung des Bundesrats bedürfen nach Art. 80 Abs. 2 GG Rechtsverordnungen des B und es (von Mangoldt a.a.O. Art. 80 Anm. 3; Bonner Kommentar zum GG Art. 80 zu II 2; Maunz-Dürig, a.a.O. Art. 80 Anm. 23), welche entweder aufgrund von Bundesgesetzen ergehen, die ihrerseits der Zustimmung des Bundesrats bedürfen oder die von den Ländern im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheit durchgeführt werden. Die in Rede stehende Verordnung ist jedoch nicht vom Bund, sondern von der Freien und Hansestadt Hamburg erlassen.
Da weder das die Hamburger Verordnung aufrechterhalfende Binnenschiffsverkehrsgesetz noch die Verordnung selbst der Zustimmung des Bundesrats bedurfte, sind insoweit keine Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses Gesetzes und der Verordnung zu erheben.
Fehl geht auch die Ansicht der Revision, das Berufungsurteil beruhe auf einer Verletzung des Art. 2 GG, weil die Anordnung von Festentgelten im Bereich der Hamburger Hafenschiffahrt die Konkurrenz der an der Hafenschiffahrt beteiligten Kreise im Rahmen der Preisgestaltung ausschalte. Auch insoweit ist das Revisionsgericht zur Nachprüfung befugt (ebenso BGH Urt. v. 28. Januar 1954 - III ZR 51/53 - Urteilsausfertigung 5. 6 betr. Art. 3 GG, insoweit in NJW 1954, 1081 nicht abgedruckt; RGZ 102, 161, 165 betr. Verstoß gegen Art. 153 WRV; nicht eindeutig RGZ 127, 95, 97 betr. Verstoß des Landesgesetzes gegen Art. 153 WRV).
Das Berufungsgericht hätte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen können, daß das Bundesverfassungsgericht bezüglich der in § 2 Preisgesetz enthaltenen Ermächtigung dargelegt hat, daß diese mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar sei, weil eine gesetzliche Regelung, die es er mögliche, aus gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen die zum Nutzen des allgemeinen Wohls gebotenen preisrechtlichen Malinahmen zu treffen, dem Sozialstaatsprinzip entspreche, das auch die Vertragsfreiheit inhaltlich bestimme und begrenze (BVerfGE 8, 274, 329; vgl. auch Huber DOV 1956, 139 zu 3 c, cc). DaF3 aber solche Gründe, insbesondere der Umstand, daß die Binnenschiffahrt ihre Entfaltungsmöglichkeiten auf dem freien Markt weitgehend verloren hat, eine stabile Frachtenbildung durch Frachtenausschüsse notwendig machen, ergibt die Begründung zum Binnenschiffsverkehrsgesetz (BT Drucks. 1/3622 S. 9). Es ist nicht ersichtlich, daß bezüglich der Binnenschiffahrt im Gebiet des Hamburger Hafens die Umstände anders gelagert wären.
Dafür, daß etwa die von den Frachtenausschüssen für das Gebiet des Hamburger Hafens festgesetzten Entgelte infolge ihrer Höhe die freie wettbewerbliche Entfaltung der an der Hafenschiffahrt Beteiligten beeinträchtigen, ist von der Beklagten nichts Greifbares vorgetragen worden.
Der Geltungsbereich dieser Verordnung erstreckt sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus. Auf ihre Verletzung kann daher die Revision nicht gestützt werden (so für das alte Hamburger Hafengesetz von 1897: RG LZ 1912, 767, 769; für die Hamburger Hafenordnung von 1930: OGH Urt. v. 14. Juli 1949 - 1 ZS 32/49 - S. 5 der Urteilsausfertigung).
Die Hamburger Verordnung von 1951 ist auch nicht dadurch zum Bundesrecht geworden, daß in § 45 Abs. 2 Nr. 2 BinnSchVerkG ihre Weitergeltung bestimmt ist. Der Umstand allein, daß eine revisible Norm auf eine nichtrevisible Norm verweist, eröffnet noch nicht die Möglichkeit, die Anwendung der nichtrevisiblen Norm auf einen Gesetzesverstoß in der Revisionsinstanz zu überprüfen (RG JW 1900, 524 Nr. 13).
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß Verstöße gegen die unabdingbaren Festentgelte nicht die Nichtigkeit der zugrundeliegenden Verträge nach § 134 BGB zur Folge hätten, daß daher an die Stelle der vom Festpreis abweichenden Entgeltsvereinbarung das vom Frachtenausschuß festgesetzte Entgelt trete, obwohl dies in der Verordnung - im Gegensatz zu § 31 Abs. 1 BinnSchVerkG - nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Da jedoch die Vorschrift des § 31 Abs. 1 BinnSchVerkG eine gesetzliche Ausprägung des Gedankens darstelle, die dem Verkehr dienenden Verträge nicht wegen eines Preisverstoßes als nichtig anzusehen und damit letztlich den Verkehr zu lähmen, gelte dieser Grundsatz auch für den Bereich der Hamburger Hafenschiffahrt.
Eine Nachprüfung dieser Darlegungen des Berufungsgerichts ist dem Revisionsgericht verschlossen. Soweit die Revision Rechtsfehler bei der Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches oder von allgemeinen Rechtsgrundsätzen durch das Berufungsgericht beanstandet, ist dem entgegenzuhalten, daß die Verletzung allgemeiner Rechtsgrundsätze, die zur Ergänzung des nicht revisiblen Landesrechts dienen, die Revision nicht eröffnet, weil sie nur Teile der Vorschrift sind, die sie ergänzen (RGZ 109, 8, 10).
Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, daß die Anwendung der nach Art und Gewicht der beförderten Güter in Betracht kommenden Tarifsätze nicht dadurch ausgeschlossen werde, daß die Leute zum Be- und Entladen der Fahrzeuge nicht vom Gemeinschuldner, sondern von der Beklagten zu 1 gestellt worden sein mögen, und soweit das Berufungsgericht das Bestehen eines Anspruchs der Beklagten zu 1 auf eine Speditionsprovision von 7 0/o verneint hat, handelt es sich gleichfalls ausschließlich um die Anwendung der Verordnung über Entgelte. Ob das angefochtene Urteil auf der Verletzung dieser Verordnung beruht, ist jedoch vom Revisionsgericht nach § 549 Abs. 1 ZPO nicht nachzuprüfen."