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3 K 1905/67 - Verwaltungsgericht (-)
Entscheidungsdatum: 25.07.1968
Aktenzeichen: 3 K 1905/67
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Verwaltungsgericht Düsseldorf
Abteilung: -

Leitsätze:

1) Es besteht kein Rechtsanspruch, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Sachkunde und dergl.) auf einem bestimmten Sachgebiet zum Sachverständigen bestellt zu werden.
2) Die für die Bestellung zuständige Stelle darf keinen fehlerhaften Gebrauch von dem ihr eingeräumten Ermessen machen. Dabei bestehen aber keine grundrechtlichen
3) Bedenken, im Rahmen des behördlichen Ermessens neben sonstigen Umständen auch die Bedürfnisfrage zu berücksichtigen.

Verwaltungsgerichts in Düsseldorf

Urteil

vom 25. Juli 1968

Zum Tatbestand:

Der Kläger strebt eine öffentliche Bestellung als Sachverständiger an. Darüber war bereits in einem Vorprozess ein Vergleich geschlossen, in welchem sich die beklagte Industrie- und Handelskammer verpflichtet hatte, in einem neuen Antragsverfahren, in welchem u. a. Personalakten eingesehen werden sollten und dem Beklagten Gelegenheit zu geben sei, seine besondere Sachkunde in sonstiger Weise nachzuweisen, erneut sachlich zu entscheiden. Die Beklagte lehnte in dem neuen Verfahren den Antrag ab, weil der Kläger keine Zeugnisse über seinen Werdegang habe vorlegen können, die Möglichkeit von Interessenkonflikten im Hinblick auf die frühere Tätigkeit des Klägers bestehe und ein Bedürfnis für die Bestellung eines Sachverständigen für die vom Kläger in Aussicht genommene Sachverständigentätigkeit nicht vorliege. Den Widerspruch wies die Beklagte zurück, wiederholte die bisherigen Ablehnungsgründe und fügte hinzu, dass auch hinsichtlich der persönlichen Eignung Zweifel beständen.

Darauf erhob der Kläger erneute Klage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die vom Verwaltungsgericht kostenpflichtig abgewiesen wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, weil der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung seines Antrages, zum Sachverständigen bestellt zu werden, in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO). Ob dem Kläger das Recht zusteht, seine Bestellung zum Sachverständigen fordern zu können, braucht in diesem Zusammenhang nicht geprüft zu werden.

Die Klage ist aber unbegründet.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch kann § 36 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich - GewO – i.d.F. des Art. 1 Nr. 19 des Vierten Bundesgesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung vom 5. Februar 1960 (BGBI 1, 61) sein. Danach können Personen, die als Sachverständige gewerbsmäßig tätig sind oder tätig werden wollen, durch die von den Landesregierungen bestimmten Stellen nach deren Ermessen für bestimmte Sachgebiete öffentlich bestellt werden, wenn sie besondere Sachkunde nachweisen und keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen.

Dem Kläger steht, wie die Fassung des Gesetzes zeigt („Personen . . . können ... nach . . . Ermessen ... öffentlich bestellt werden") kein Rechtsanspruch darauf zu, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (etwa dem Nachweis der Sachkunde und dem Mangel von gegen die Eignung bestehenden Bedenken) auf dem von ihm in Anspruch genommenen Sachgebiet zum Sachverständigen bestellt zu werden, vielmehr lediglich ein aus Art. 3, 19 Abs. 4, 20 und 28 GG zu entnehmender und von § 114 VwGO vorausgesetzter Anspruch darauf, dass die Beklagte als zuständige Stelle von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht fehlerhaft Gebrauch macht. Dieser Anspruch kann ausnahmsweise einmal - nämlich dann, wenn sich nur eine einzige Ermessensentscheidung als sachlich gerechtfertigt erweisen sollte - praktisch zum gleichen Ergebnis führen, zu dem auch ein - wie ausgeführt, nicht gegebener - Rechtsanspruch auf Bestellung zum Sachverständigen führen würde. In der Regel führt er nur, wenn das Gericht Ermessensfehler feststellt, zur Verpflichtung der Behörde, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 113 Abs. 4 Satz 2 VwGO).

Soweit es sich um den Nachweis der Sachkunde und um den Mangel von Bedenken gegen die Eignung des jeweiligen Antragstellers handelt, verwendet das Gesetz in § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO sog. „unbestimmte Rechtsbegriffe". Ist die besondere Sachkunde nachgewiesen und bestehen keine Bedenken gegen die Eignung des Antragstellers, so liegt der gesetzliche Tatbestand vor, der die Behörde berechtigt, von ihrem Ermessen Gebrauch zu machen. Das Wort „Ermessen" in § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO bezieht sich also, um das noch einmal zu verdeutlichen, nicht auf die Beurteilung der Sachkunde und der Eignung des jeweiligen Antragstellers. Das ergibt sich sowohl aus dem grammatikalischen Aufbau, durch den das „Ermessen" der öffentlichen Bestallung zugeordnet ist, als auch aus der Gesetzessystematik: Wird in einem Gesetz der Behörde Ermessen eingeräumt, so geschieht das hinsichtlich der an den im Gesetz beschriebenen Tatbestand anknüpfenden Handlungsbefugnis für die Behörde, die gerade nicht verpflichtet werden soll, bei Vorliegen dieses Tatbestandes in bestimmter Weise zu verfahren, sondern nur berechtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln. Liegt im Falle des § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO der gesetzliche Tatbestand vor, ist also ein Antragsteller bereits als Sachverständiger tätig oder will er als solcher tätig werden, hat er seine besondere Sachkunde nachgewiesen und bestehen keine Bedenken gegen seine Eignung, so kann die von der Landesregierung bestimmte Stelle tätig werden, und zwar nach ihrem Ermessen, das sich sowohl auf die Bestellung zum Sachverständigen überhaupt als auch auf die Bestimmung und Begrenzung des Sachgebietes bezieht, für das der Sachverständige bestellt werden soll.
Gegen die so verstandene gesetzliche Regelung des Sachverständigenwesens, die im Rahmen der behördlichen Ermessensbestätigung neben der Berücksichtigung sonstiger Umstände auch die Bedürfnisprüfung einschließt, bestehen keine grundrechtlichen Bedenken, insbesondere auch nicht im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG, weil es sich bei der öffentlichen Bestellung zum Sachverständigen, der wegen der begriffsnotwendigen „besonderen Sachkunde" auf seinem Fachgebiet schon tätig sein muss, nur um die Ausdehnung seines Betätigungsfeldes handelt, nicht aber um die Aufnahme einer andersartigen neuen Berufstätigkeit: Es wird also durch diese Regelung nur die Freiheit der Berufsausübung tangiert; unberührt bleiben die Freiheiten der Berufswahl und der Berufsaufnahme:
Dafür, Sachverständige nur dann öffentlich zu bestellen, wenn sie eine besondere, also über dem allgemeinen Durchschnitt liegende Sachkunde nachweisen und wenn keine Bedenken gegen ihre Eignung bestehen, sprechen im Hinblick auf die den Gutachten der Sachverständigen zukommende Bedeutung vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls. Dasselbe gilt für das den zuständigen Stellen eingeräumte Ermessen, unter den an sich befähigten und geeigneten Bewerbern nach Maßgabe des Bedürfnisses auszuwählen, sowohl was die Bestellung zum Sachverständigen überhaupt als auch was die, Bestimmung des Sachgebietes anlangt, für das der einzelne Antragsteller zum Sachverständigen bestellt werden soll. Sachverständige werden nicht in ihrem eigenen Berufsinteresse bestellt, wie jemand gegebenenfalls in seinem eigenen Interesse zu dem von ihm erstrebten Beruf zugelassen wird. Sachverständige werden vielmehr im öffentlichen Interesse durch die zuständigen Stellen in Pflicht genommen; womit allenfalls indirekt ein beruflicher Vorteil verbunden ist.

Im vorliegenden Fall lässt sich kein Fehler der Beklagten feststellen, der der Klage zu einem vollen Erfolg – i.S.d. vom Kläger begehrten Verpflichtung der Beklagten, ihn zum Sachverständigen zu bestellen - oder auch nur zu einem Teilerfolg - - i.S.d Erlasses eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs.4 Satz 2 VwGO - verhelfen kann. Dafür braucht nicht einmal geprüft zu werden, ob der Kläger seine besondere Sachkunde nachgewiesen hat und ob keine Bedenken gegen seine Eignung bestehen. Was die besondere Sachkunde anlangt, so hat der Kläger selbst allerdings praktisch nichts nachgewiesen, wie das vom Gesetz gefordert wird. Wenn das Gesetz als Voraussetzung für die Ermessensbetätigung der Behörde nicht nur die besondere Sachkunde des Bewerbers als solche, sondern deren Nachweis durch den Bewerber erfordert, dann ist es dessen Sache, möglichst vollständige und überzeugende Belege für seine besondere Sachkunde beizubringen."