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3 U 121/68 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 17.01.1969
Aktenzeichen: 3 U 121/68
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Benutzung nicht zugelassener Radargeräte und Führung eines Schiffs ohne Patent

2) Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die zulässige Benutzung des Radargeräts fehlen, scheidet das Radargerät als nautisches Hilfsmittel nicht grundsätzlich aus. Entscheidend ist, ob sich die allgemein fehlende Eignung eines Gerätes auf das konkrete Unfallgeschehen ausgewirkt hat.

3) Die Führung eines Schiffes z. Z. einer Havarie ohne Rheinschifferpatent bedeutet nicht für sich allein ein unfallursächliches Verschulden. § 2 Satz 2 RhSchPolVO stellt nur eine Vermutung dar.

Urteil des Oberlandesgerichts - Rheinschiffahrtsobergericht in Köln

vom 17. Januar 1969

3 U 121/68

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das der klagenden Firma gehörende, unter Führung des Kapitäns W., eines der Miteigentümer stehende leere Küstenmotorschiff M stieß auf der Bergfahrt etwa bei Rhein-km 831 mit dem zu Tal kommenden leeren, der Beklagten zu 1 gehörenden und vom Beklagten zu 2 geführten Tankmotorschiff D zusammen.

Weil Kapitän W. kein Rheinschifferpatent besaß, sondern nur das Patent A 4 - Kapitän auf kleiner Fahrt 1 -, befand sich der im Besitz des Rheinschifferpatents befindliche Hilfsschiffsführer Z. an Bord. Wegen starken Nebels wurden auf beiden Schiffen die Radargeräte eingeschaltet; das Gerät nebst Wendeanzeiger auf D war für die Flußschiffahrt zugelassen, dasjenige auf M als See-Radargerät dagegen nicht. Auch war ein Wendeanzeiger auf diesem Schiff nicht vorhanden. Kapitän W., der ein Radarschifferzeugnis für den Rhein nicht besaß, übernahm die Bedienung des Radargeräts, während der Steuermann S. ohne Rheinschifferpatent - das Ruder bediente und Hilfsschiffsführer Z. außerhalb des Ruderhauses die Sichtverbindung zu vier am linksrheinischen Ufer ankernden Stilliegern - der oberste war MS S - durch entsprechende Kursweisungen aufrechterhielt.
Obwohl sich beide Schiffe bei einer Entfernung von etwa 800 m mit ihren Geräten orteten, stießen beide Schiffe zusammen, wobei TMS D nach Backbord zum linksrheinischen Ufer hin versetzt wurde und mit S kollidierte. In einem Ermittlungsverfahren hat das Seeamt Emden festgestellt, daß Kapitän W. kein Verschulden treffe.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz mit der Behauptung, daß der Talfahrer, obwohl das Revier rechtsrheinisch frei gewesen sei, nach linksrheinisch herübergekommen sei und trotz der Nebelsignale auf TMS M zugehalten habe, das seinerseits den linksrheinischen Kurs beibehalten habe. Offenbar habe D die Orientierung verloren.
Die Beklagten bestreiten jedes Verschulden. TMS D habe, Strommitte fahrend, Steuerbordkurs gehalten und gleichzeitig das Radardreitonsignal gegeben, was jedoch nicht beantwortet worden sei. Auf dem Radarschirm sei jedoch festgestellt worden, daß der Bergfahrer Kurs nach Backbord genommen habe, worauf auf D Anweisung gegeben sei, hart nach Backbord zu gehen. Dann habe der Bergfahrer wieder Kurs nach Steuerbord genommen, so daß infolge der weiteren Annäherung ein Ausweichen nicht mehr möglich gewesen sei. Für die Havarie sei M schon deshalb verantwortlich, weil sein Kapitän, obwohl er weder das Rheinschifferpatent noch das Radarschifferpatent gehabt habe, die Fahrt trotz Fehlens eines zugelassenen Radargeräts im Nebel fortgesetzt habe.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Rheinschiffahrtsobergericht die Klage rechtskräftig dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil sieht der Senat die Schuld von KMS M nicht in einem Verstoß gegen §§ 80 Ziff. 3, 37 Ziff. 2 RhSchPVO. Nach § 80 Ziff. 3 müssen Bergfahrer bei unsichtigem Wetter - z. B. Nebel - anhalten, wenn sie beim Weiterfahren Gefahr laufen würden, vor einem auftauchenden Hindernis nicht rechtzeitig anhalten zu können. Sie dürfen also so lange fahren, wie die Sicht es ihnen erlaubt, vor einem Hindernis rechtzeitig anzuhalten. Das bedeutet, daß sie die Fahrt einstellen müssen, wenn sich die Sicht so verschlechtert hat, daß sie die Strecke nicht mehr übersehen, die sie für den Auslauf des Fahrzeugs benötigen bis zu seinem Stillstand in angemessener Entfernung vor einem etwaigen Hindernis.
Unstreitig herrschte zur Unfallzeit in Gestalt starken Nebels unsichtiges Wetter. Kapitän W. hat nach seiner am Tage der Havarie vor der Wasserschutzpolizei gemachten Aussage die Sicht in der Nebelzone, in die er etwa bei km 831,5 noch mit voller Kraft hineingefahren war, mit ca. 60 m bemessen. Der auf seinem Schiff befindliche Hilfsschiffsführer Z. hat sie anläßlich seiner am selben Tage stattgefundenen Vernehmung auf 60 bis 70 m geschätzt. Schiffsführer N. vom Talfahrer spricht von 50 m, Schiffsführer F. von dem Stillieger MS S von 40 bis 50 m.
Auf Grund der vorerwähnten Äußerungen der Unfallbeteiligten kann die Sicht somit als auf 50 bis 60 m beschränkt angesehen werden.
Da auf dem Bergfahrer zwei Matrosen auf dem Vorschiff postiert waren, wie seine Besatzungsmitglieder insoweit glaubhaft bekundet haben, war auch gewährleistet, daß die einzusehende Strecke tatsächlich eingesehen wurde. Ob diese Strecke unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Bergfahrer an den vier am linken Ufer befindlichen Stilliegern höchstens mit etwa Schrittgeschwindigkeit vorbeifuhr (4 km/h = 1.12 m Sekunde), wie die Beweisaufnahme ergeben hat, ausgereicht hätte, um vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis rechtzeitig anhalten zu können, ist fraglich. In Anbetracht der seinem geringen Vorausgang entgegenwirkenden Strömung konnte der Bergfahrer im Gegensatz zu einem Talfahrer immerhin auf kürzeste Strecke ständig werden.
Hinzu kommt, daß der Bergfahrer mit Radarortung fuhr. Daß das unstreitig auf KMS M vorhandene Radargerät zur Unfallzeit eingeschaltet und unmittelbar vor und während der Havarie funktionstüchtig war, sieht der Senat auf Grund der glaubhaften Aussagen seiner Besatzungsmitglieder einschließlich des Hilfsschiffsführers Z. als erwiesen an. Der Senat hat im Gegensatz zum Rheinschiffahrtsgericht keine Bedenken, die tatsächlich stattgefundene Radarortung hier als ein gegebenes nautisches Hilfsmittel zu berücksichtigen. Unstreitig waren zwar die Voraussetzungen für eine Radarfahrt, wie sie in den Vorschriften über das Verhalten von und gegenüber Radarfahrern bei unsichtigem Wetter gemäß der Bekanntmachung für die Rheinschiffahrt über die Fahrt mit Radar und bei unsichtigem Wetter - Bekanntmachung der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen Duisburg, Mainz und Freiburg vom 19. November 1965 (VkBl 1965, 654) - vorgeschrieben sind, nicht erfüllt. Danach muß - 1 Ziff. 4 - das benutzte Radargerät einem Baumuster entsprechen, das für die Flußschiffahrt geeignet und von der zuständigen Behörde eines der Rheinuferstaaten oder Belgiens zugelassen ist. Fahrzeuge, die ein Radargerät benutzen, müssen mit einem Gerät zur Anzeige der Wendegeschwindigkeit, einem sogenannten - Wendeanzeiger, ausgerüstet sein - 1 Ziff. 5 -. Wer auf dem Rhein zur Führung eines Fahrzeuges ein Radargerät benutzt, muß schließlich ein Zeugnis nach der Verordnung über die Erteilung von Radarschifferzeugnissen besitzen - 1 Ziff. 3 -.

Unstreitig war auf KMS M ein für die Flußschiffahrt nicht zugelassenes Seeradargerät installiert; das Schiff besaß keinen Wendeanzeiger; sein Kapitän hatte auch kein Radarschifferzeugnis für den Rhein.
Aus diesen Tatsachen können nach Meinung des Berufungsgerichts aber nicht die vom Rheinschiffahrtsgericht gezogenen rechtlichen Konsequenzen hergeleitet werden. Weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die zulässige Benutzung des Radargerätes fehlten, scheidet das Radargerät als nautisches Hilfsmittel hier bei der Beurteilung der Sichtverhältnisse nicht grundsätzlich aus. Die Tatsache, daß mit Radar geortet wurde, kann und muß berücksichtigt werden, wenn sich im konkreten Fall die fehlende allgemeine Eignung des Gerätes für die Flußschiffahrt und die fehlende Zulassung des Gerätes nicht ausgewirkt haben. Denn wenn das tatsächlich, wenn auch in unzulässiger Weise, benutzte Gerät im Einzelfall Ortungsmöglichkeiten geboten hat wie ein Flußradargerät, so hat sich die allgemein fehlende Eignung des Gerätes eben für das konkrete Unfallgeschehen nicht ausgewirkt. Das allein ist nach Ansicht des Senats entscheidend. Offen bleibt dabei die Frage, ob ein von dem mit an sich unzulässiger Radarortung fahrenden Schiff Geschädigter beweisen muß, daß das Gerät auch im konkreten Fall zur Ortung untauglich war, oder ob der unzulässigerweise mit Radar Ortende beweisen muß, daß sein allgemein für die Flußschiffahrt ungeeignetes Gerät im konkreten Fall doch eine brauchbare Ortung zuließ, die fehlende allgemeine Eignung sich also nicht ausgewirkt hat. Der Senat nimmt letzteres an, sonst würde die Vorschrift nämlich in ihrer Bedeutung inhaltlich ausgehöhlt und zu einer reinen Ordnungsvorschrift degradiert.
Der Senat hat die Überzeugung gewonnen, daß die fehlende Zulassung des verwendeten Radargerättyps sowie das Fehlen eines Wendeanzeigers sich nicht auf die Havarie ausgewirkt haben. Das Gerät ließ sich nach der insoweit glaubhaften Aussage seines Kapitäns auf einen in der Flußschiffahrt erforderlichen Nahbereich, nämlich auf eine halbe Meile (= rund 926 m) scharf einstellen. Das Gerät des Talfahrers war nach der glaubhaften Aussage des Schiffsführers N. auf den 1200 m-Bereich eingestellt. Das Radarbild des Küstenmotorschiffs bot somit auf Grund des kleineren Maßstabs ein deutlicheres Bild. Kapitän W. sah nach seiner glaubhaften Aussage den Talfahrer auf seinem Radargerät auf ca. 800 rn, als er - W. - sich in Höhe von MS S befand. Von TMS D wurden 800 bis 1000 m voraus die linksrheinischen Ankerlieger sowie der an ihnen auf der Stromseite vorbeifahrende Bergfahrer geortet. Beide Geräte boten demnach in der konkreten Situation eine gleiche und übereinstimmende Wahrnehmungsmöglichkeit.

Daß der Wendeanzeiger auf KMS M fehlte, hat sich nach Uberzeugung des Senats gleichfalls nicht ausgewirkt.
Mit Hilfe des Wendeanzeigers hält der Rudergänger das Schiff auf dem befohlenen Kurs oder führt damit die vom Radarnavigator in Graden nach Backbord oder Steuerbord befohlenen Drehungen aus. Unklare Anweisungen wie „ein wenig mehr Backbord" oder „noch mehr Steuerbord" können vermieden werden. Die Veränderung der Fahrtrichtung kann vielmehr exakt in Graden befohlen und auf Grund des Wendeanzeigers ausgeführt werden.
Beides auch zu tun waren Kapitän und Steuermann auf KMS M nicht deshalb gehindert, weil auf ihrem Schiff ein Wendeanzeiger fehlte. Diese Funktion des Wendeanzeigers zu übernehmen war der auf dem Küstenmotorschiff unstreitig vorhandene Kompaß geeignet. Nach den glaubhaften und übereinstimmenden Bekundungen der Besatzungsmitglieder von KMS M ist Steuermann Sch. auch nach Kompaß gefahren. Das bedeutet, daß er die ihm von seinem Kapitän in Graden bzw. in Strich, wie in der Seeschiffahrt üblich (1 Strich = 8 Grad von 360 Grad), vorgeschriebene Richtungsänderung mit Hilfe der Gradeinteilung seines Kompasses verwirklichen konnte. Weil die auf KMS „Marica" vorhandene Radarausstattung tatsächlich eine Radarortung zuließ, hält der Senat es nicht für einen Verstoß gegen § 80 Ziff. 3 RhSchPVO, daß das Küstenmotorschiff sich zur Unfallzeit noch in Fahrt befand. Zu berücksichtigen bleibt hier auch, daß der Bergfahrer nach der glaubhaften Bekundung seiner sämtlichen Besatzungsmitglieder, auch des Hilfsschiffsführers Z., oberhalb MS S ankern, also seine Fahrt nicht fortsetzen sollte.
Im Gegensatz zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil ist der Senat im Hinblick auf § 37 Ziff. 2 RhSchPVO der Überzeugung, daß KMS M seinen Kurs nicht in den des Talfahrers verlegt und dadurch die Kollision herbeigeführt hat.
§ 37 Ziff. 2 RhSchPVO kommt nach Meinung des Senats hier nicht in Betracht. Daß die ursprünglichen Kurse von TMS D und KMS M jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausschlossen, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Kapitän W. hat ausgesagt, daß der Talfahrer alsbald, nachdem er auf dem Radarschirm sichtbar wurde, nach linksrheinisch fuhr. Die Besatzungsmitglieder des Tankmotorschiffes stellen das zwar in Abrede. Ein Beweis für ihre Darstellung, immer Strommitte gefahren zu sein und angesichts des Bergfahrers den Kurs noch nach Steuerbord verlegt zu haben, läßt sich jedoch aus der Beweisaufnahme im übrigen nicht entnehmen.
Maßgebend für das gebotene Kursverhalten des Bergfahrers dürfte nach Auffassung des Senats viehmehr II Ziff. 3 a der Vorschriften über das Verhalten von und gegenüber Radarfahrzeugen bei unsichtigem Wetter sein. Danach müssen Fahrzeuge, die das Radarsignal gemäß Ziff. 1 b hören, wenn sie sich in der Nähe eines Ufers befinden, an diesem Ufer bleiben und dort, falls erforderlich, bis zur Beendigung der Vorbeifahrt anhalten. Nun will Kapitän W. nach seiner polizeilichen Aussage vom Talfahrer erst kurz vor der Kollision ein Radarsignal gehört haben. Der Zeuge F. bestätigt aber bei seiner im Ermittlungsverfahren erfolgten Vernehmung die Bekundung der Besatzungsmitglieder von TMS D, daß frühzeitiger Radarsignale gegeben wurden. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht entscheidend an, da man auf dem Küstenmotorschiff die Fahrweise und den Standort des Talfahrers auf dem Radarschirm besser erkennen konnte, als es durch die Aufnahme von Schallsignalen hätte möglich sein können. Das Gebot, durch eine Kursänderung nicht die Gefahr einer Kollision herbeizuführen, ergibt sich überdies bereits aus § 4 RhSchPVO.
Schiffsführer N. hat eine solche Kursänderung des Bergfahrers bekundet. Er hat bei seiner polizeilichen Vernehmung ausgeführt, angesichts des von ihm wahrgenommenen Bergfahrers seinen Steuermann angewiesen zu haben, nach Steuerbord zu
halten. Nachdem sein Schiff abgedreht habe, habe er jedoch festgestellt, daß der Bergfahrer seinen Kurs nach Backbord und damit in den seines Schiffes verlegt habe. Nachdem auf sein sofort gegebenes Kommando hin sein Steuermann das Schiff wieder hart nach Backbord gelegt habe, sei der Entgegenkommer nach Steuerbord zurückgegangen. Nunmehr sei ein Ausweichen unmöglich gewesen. Die Besatzungsmitglieder des Bergfahrers bestreiten eine Kursänderung. Kapitän W. hat bei seiner Vernehmung am Unfalltage ausgesagt, er habe seinen Kurs nicht geändert, weil er der Annahme gewesen sei, daß der Talfahrer, nachdem er so hart in den Hang gefahren sei, seinen Kurs zum rechten Ufer ändern werde. Der Hilfsschiffsführer Z. hat bekundet, man habe vor MS S vor Anker gehen wollen; deshalb habe er dem Kapitän empfohlen zu stoppen; nur zur besseren Regulierung der Schiffslage seien sie mit der Schraube nochmals auf voraus langsam gegangen. Für eine Kursänderung des Schiffes ist nach dieser Aussage kein Raum.
Der Senat hält es auch für erwiesen, daß die Kollision ziemlich linksrheinisch stattfand. Sonst hätte TMS D nicht noch gegen MS S geraten können, das nach der Aussage seines Schiffsführers vor der Wasserschutzpolizei nur etwa 30 m von der Streichlinie, die an den Buhnköpfen vorbeiführt, entfernt lag und an dem KMS M nur in einem Abstand von 40 bis 50 m vorbeigefahren war. TMS D mag durch den Zusammenstoß mit KMS M nach Backbord abgelenkt worden sein. Da beide Schiffe jedoch ziemlich spitzwinklig mit ihren Vorsteven aufeinanderprallten kann die Ablenkung nicht etwa so erheblich gewesen sein, daß der Talfahrer dadurch in oder fast in eine Querlage geraten konnte.
Da KMS M nicht nachgewiesen hat, daß es die erforderlichen Nebelsignale abgegeben hat, - die diesbezüglichen Bekundungen seiner Besatzungsmitglieder werden weder von der Besatzung des Talfahrers noch von dem Zeugen F. bestätigt -, hält der Senat für unerheblich. Hierauf ist die Havarie mit Sicherheit nicht zurückzuführen. Auf TMS D wurde der Entgegenkommer unstreitig rechtzeitig erkannt und nach der eigenen Darstellung seines Schiffsführers auch laufend auf dem Radarschirm beobachtet. Die Ortung mit dem Radargerät war genauer als sie auf Grund einer Signalgabe jemals hätte sein können.
Die Schuld der Schiffsführung von KMS M am Zustandekommen der Havarie sieht der Senat in folgenden Umständen begründet: Kapitän W. hat nach seiner eigenen Darstellung auf dem Radarschirm erkannt, daß sich von Oberstro i her ein Talfahrer so weit linksrheinisch näherte, daß dessen Echo und das Echo von zwei weiteren oberhalb befindlichen Stilliegern sich zeitweise deckten. Daraus hat er ersehen, daß der Talfahrer hart linksrheinisch fuhr. Dennoch behielt Kapitän W. nach seiner eigenen Darstellung seinen linksrheinischen Kurs bei in der durch nichts begründeten Annahme, der Talfahrer werde rechtzeitig nach rechtsrheinisch gehen. Er wußte nicht, ob das zu Tal kommende Schiff mit Radar fuhr und daher die Ankerlieger und ihn erkannt hatte. Denn er hat ein Radardreitonsignal nach seiner eigenen Darstellung erst unmittelbar vor der Havarie wahrgenommen. Unter diesen Umständen hatte der Bergfahrer Anlaß genug, mit einer Havarie rechnen zu müssen, wenn er seine Fahrt linksrheinisch beihielt, anstatt sofort so weit wie möglich nach Steuerbord beizugehen.
In dem unterbliebenen Versuch des Bergfahrers, dem Talfahrer durch ein weiteres Beigehen nach Steuerbord in der geschilderten Weise auszuweichen, sieht der Senat ein Fehlverhalten im Sinne von § 4 RhSchPVO, das die Verantwortung von KMS M für die Kollosion begründet.

Ein weiteres Schuldmoment für das Zustandekommen der Havarie liegt nach Auffassung des Senates darüber hinaus nicht auch in der Tatsache, daß Kapitän W. zur Zeit der Havarie ein Rheinschifferpatent nicht besaß. Der Hilfsschiffsführer Z. hat nach seiner Bekundung vor der Polizei die nautische Führung an Kapitän W. zurückgegeben, als die Fahrt nur unter Zuhilfenahme der Radarortung fortgesetzt werden konnte. Das erscheint unter den Umständen, unter denen die Fahrt fortgesetzt wurde, überzeugend. Die Tatsache, daß Hilfsschiffsführer Z. weiterhin dazu beitrug, den Weg durch den Nebel zu finden, beließ ihm nach Meinung des Senats nicht die Verantwortung für die nautische Führung des Schiffes. Daß somit zur Zeit der Havarie Kapitän W. sein Schiff führte, ohne im Besitze eines Rheinschifferpatentes zu sein, bedeutet nicht für sich allein ein unfallursächliches Verschulden. § 2 Satz 2 RhSchPVO stellt nur eine Vermutung dahin auf, daß der Führer eines Schiffes als zu dessen Führung geeignet anzusehen ist, wenn er ein Schifferpatent für die Fahrzeugart und für die zu befahrende Strecke besitzt. Damit ist nicht zugleich gesagt, daß der fehlende Besitz eines solchen Patentes die Vermutung begründet, der Führer sei zum Führen des Schiffes ungeeignet. Nach Überzeugung des Senats haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß Kapitän W. die tatsächliche Eignung zur Führung seines Schiffes zur Unfallzeit im Unfallbereich gefehlt hat. Die Tatsache, daß er seit Jahren als Kapitän in der Schiffahrt tätig war und wenige Monate nach der Havarie - nämlich im Mai 1966 - auch das Rheinschifferpatent erwarb, rechtfertigen die Annahme des Gerichts, daß er zur Führung des Schiffes tatsächlich geeignet war.

Der Schiffsführer von TMS D hat sich dadurch am Zustandekommen der Havarie mitschuldig gemacht, daß er zu weit linksrheinisch gefahren ist. Das sieht der Senat auf Grund des Havarieortes nahe an den linksrheinischen Stillliegern und seiner Überzeugung, daß KMS M seinen Kurs nicht unmittelbar vor der Havarie zeitweilig zur Strommitte hin genommen hat, als erwiesen an. Nachdem das Tankmotorschiff aus 800 bis 1000 m Entfernung linksrheinisch die Stillieger und den an diesen vorbeifahrenden Entgegenkommer wahrgenommen hatte, bestand kein Anlaß, so weit wie geschehen linksrheinisch zu fahren.

Nach dem beiderseitigen Parteivortrag spricht nichts dafür, daß das übrige Fahrwasser vom Bergfahrer bis zum rechten Ufer in irgendeiner Weise belegt war. Den freien Bereich des Fahrwassers zu benutzen geboten auch die Vorschriften über das Verhalten vor und gegenüber Radarfahrern bei unsichtigem Wetter. Denn nach II Ziff. 3 müssen bei unsichtigem Wetter angesichts eines herannahenden Talfahrers andere in der Nähe der Ufer befindliche Schiffe an diesem Ufer bleiben; wer sich nicht in der Nähe des Ufers befindet, muß einen möglichst weiten Raum des Fahrwassers frei machen. Angesichts dieses für die anderen Fahrzeuge aufgestellten Gebotes ist es nur eine natürliche Folge, daß der zu Tal kommende Radarfahrer die Ufernähe meiden und möglichst den Mittelbereich des Fahrwassers, soweit dieses wie hier frei war, benutzen muß. Der Talfahrer fuhr nicht nur zu weit linksrheinisch, obwohl sich dort und nur dort andere Schiffe befanden, sondern er fuhr auch mit unverminderter Geschwindigkeit von 12 bis 13 km/h.
Sein Schiffsführer hat nicht einmal anklingen lassen er habe angesichts des Entgegenkommers langsamer gemacht. Dabei konnte er weder erkennen noch davon ausgehen, daß der Entgegenkommer auch mit Radar fuhr, ihn also gesehen hatte. Er war auch nach den Vorschriften über das Verhalten von und gegenüber Radarfahrern - II Ziff. 1 a, 2 - gehalten, seine Geschwindigkeit zu mindern und, falls nötig, Bug zu Tal anzuhalten oder aufzudrehen, sobald auf dem Radarschirm
Fahrzeuge bemerkt wurden, deren Kurs nicht den Eintritt jeglicher Gefahrenlage ausschloß. Daß die Kurse von TMS D und KMS M nicht den Eintritt jeglicher Gefahr ausschlossen, ist bereits oben ausgeführt worden. In dieser Fahrweise des Talfahrers sieht der Senat einen für die Havarie mitursächlichen Verstoß gegen die in § 4 RhSchPOV normierte nautische Sorgfaltspflicht.
Das unfallursächliche Mitverschulden beider Schiffe wiegt gleich schwer. Schiffsführer N. hat durch sein zu starkes Anhalten des linken Ufers die Gefahrenlage herbeigeführt. Kapitän W. hat es unterlassen, der von ihm erkannten Gefahrenlage rechtzeitig Rechnung zu tragen, obwohl ihm das durch weiteres Beigehen nach linksrheinisch, notfalls zwischen die dort befindlichen Stillieger und notfalls auf die Seite von MS S, möglich war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint dem Senat eine Schuldverteilung 1 : 1 angemessen."