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3 U 199/00 BSchRh - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 29.05.2001
Aktenzeichen: 3 U 199/00 BSchRh
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Wird nach der Tarifordnung eines Hafens ein Liegeentgelt allein für unberechtigt anlegende Schiffe, nicht aber für ordnungsgemäß angemeldete Schiffe erhoben, hat die Liegegeldregelung den Charakter einer Vertragsstrafe. Eine solche Tarifbestimmung ist wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 LWG unwirksam. Hiernach ist das Hafen- und Ufergeld so zu bemessen, dass es zum Umfang und wirtschaftlichen Wert der Inanspruchnahme der Einrichtungen nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis steht. Das Aufkommen aus Hafen- und Ufergeld soll die Kosten der Einrichtungen, für deren Inanspruchnahme es erhoben wird, nicht übersteigen, was dem für Leistungen der öffentlichen Hand geltenden Kostendeckungsprinzip entspricht.

Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschifffahrtsobergerichts) Köln

vom 29.5.2001

- 3 U 199/00 BSchRh -

(Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin betreibt den Rheinhafen Bonn, für den der Rat der Stadt eine Tarifordnung erlassen hat. In deren Abschnitt C V heißt es unter der Überschrift Liegeentgelt: "Für jedes unangemeldete bzw. unberechtigt anlegende Schiff wird ein Liegeentgelt von 300,00 DM/netto erhoben." Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, der Eigentümer des MS "S" ist, die Bezahlung des Liegeentgelts nebst Mehrwertsteuer in Höhe von 348,00 DM, weil er mit seinem Schiff am Abend des 4.7.99 unangemeldet an der Kaianlage des Hafens festgemacht habe.

Der Beklagte trägt vor, Abschnitt C V der Tarifordnung sei rechtswidrig, wenn nicht gar nichtig. Die Klägerin verlange ein Strafentgelt für unangemeldetes Anlegen ohne gesetzliche Ermächtigung. Die Klausel verstoße zudem gegen §§ 3, 9 AGBG. Die Klausel benachteilige den Beklagten unangemessen. Außerdem sei das Verlangen von Liegeentgelt für das Übernachten überraschend. Die jeweiligen Hafenmeister in den Rheinhäfen wendeten in ständiger Übung die jeweiligen Tarife für Übernachtungen nicht an. Der Beklagter sei sich zudem nicht sicher, ob er tatsächlich im örtlichen Bereich der Tarifordnung festgemacht hat.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen stattgegeben. Die Berufung hatte Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Liegegeld in Höhe von 300,00 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer von 16 %, insgesamt also 348,00 DM, nicht zu.

Die Zuständigkeitsrüge des Beklagten greift allerdings nicht durch. Entgegen seiner Auffassung ist nicht das Verwaltungsgericht, sondern das Rheinschifffahrtsgericht zur Entscheidung über das streitige Hafengeld berufen. Wie der BGH bereits 1971 mit überzeugender Begründung entschieden hat, gehören Streitigkeiten wegen der Zahlung von Hafengeldern auch dann vor die Rheinschieffahrtsgerichte, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Gebühr und nicht um ein privatrechtliches Entgelt handelt (BGH NJW 72, 764 ff.). Das Rheinschifffahrtsgericht ist dabei auch befugt zu entscheiden, ob die Verordnung von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist oder gegen höherrangiges Recht verstößt (BGH a.a.0. Seite 766).

Die Tarifordnung vom 01.01.1996, auf die die Klägerin ihren Anspruch stützt, ist öffentlich rechtlicher Natur, da sie vom Rat der Stadt Bonn beschlossen worden ist. Sie ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 38 Abs. 1 LWG gedeckt, wonach der Hafenträger für die Inanspruchnahme öffentlicher Häfen Hafen- und Ufergeld erheben kann. Auch das unter Ziffer C V der Tarifordnung der Klägerin aufgeführte "Liegeentgelt" gehört zu dem in § 38 Abs. 1 LWG geregelten Hafen- und Ufergeld.

Grundsätzlich verstößt die Erhebung von Liegegeld auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art. 3 der Mannheimer Akte, der eine möglichst umfassende Gewährleistung der Abgabenfreiheit der Rheinschifffahrt bezweckt. Ein Entgelt für das bloße Liegen eines Schiffes am Rheinufer darf bei gesetzeskonformer Auslegung der Verordnung jedenfalls dann erhoben werden, wenn der Bereich - auch wenn es sich nicht um ein ausgebautes Hafenbecken handelt - tatsächlich als Stromhafenanlage benutzt wird (BGH a.a.O.). Dies ist hier bei dem Rheinkai am linken Ufer von Kilometer 657,6 bis 658,5 unstreitig der Fall.

Die Bestimmung unter Ziffer C V der Tarifordnung der Klägerin, wonach für jedes unangemeldete bzw. unberechtigt anlegende Schiff ein Liegeentgelt von 300,00 DM netto erhoben wird, ist jedoch wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 LWG unwirksam. Hiernach ist das Hafen- und Ufergeld so zu bemessen, dass es zum Umfang und wirtschaftlichen Wert der Inanspruchnahme der Einrichtungen nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis steht. Das Aufkommen aus Hafen- und Ufergeld soll die Kosten der Einrichtungen, für deren Inanspruchnahme es erhoben wird, nicht übersteigen. Die Vorschrift ist somit Ausfluss des für Leistungen der öffentlichen Hand geltenden Kostendeckungsprinzips. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargetan, dass diesem mit der streitigen Liegegeldregelung entsprochen worden wäre. Vielmehr hat sie den Charakter einer Vertragsstrafe, worauf der Beklagte zu Recht hinweist. Denn nach der Tarifordnung der Klägerin wird ein Liegeentgelt allein für unberechtigt anlegende Schiffe, nicht aber für ordnungsgemäß angemeldete Schiffe erhoben.

Es ist nicht ersichtlich, dass gerade die fehlende Anmeldung Kosten in Höhe von 300,00 DM verursachen würde. Hierauf hat der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2001 hingewiesen. Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 02.04.2001, wonach für die Bearbeitung des Falles drei Lohnstunden in der Rufbereitschaft ä 98,50 DM netto, eine Verwaltungskostenpauschale von 60,00 DM sowie Telefon- und Portokosten in Höhe von 10,00 DM, brutto insgesamt 423,98 DM angefallen sein sollen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Wie die Klägerin selbst vorträgt, besteht außerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten des Hafenbetriebes in der Zeit von 17.00 Uhr bis 6.00 Uhr morgens nur Rufbereitschaft. Auf welche Weise durch diesen Umstand die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Anmeldung nach 17.00 Uhr gewährleistet wird, erläutert die Klägerin nicht. Die Tätigkeit des Rufbereitschaftsdienstes dürfte sich daher auch auf Schiffe beziehen, deren Schiffsführer sich nach 17.00 Uhr zum Anlegen am Bonner Rheinkai entschließen und sich anmelden wollen.

Ferner ist nicht nachzuvollziehen, inwiefern der Zeuge V im Rahmen der Rufbereitschaft drei Stunden für die Feststellung des Eigentümers des Schiffes benötigt haben soll. Zum einen hätte der Zeuge den Beklagten an dem fraglichen Abend ohne weiteres ansprechen können, was im Rahmen der von ihm offenbar durchgeführten Routinekontrolle allenfalls einen Zeitraum von wenigen Minuten erfordert hätte. Hierzu hätte er das Schiff mit der Erlaubnis des Schiffsführers auch betreten können, falls dies zu Feststellung der benötigten Daten erforderlich gewesen sein sollte.

Zum anderen ist nicht nachzuvollziehen, wieso die Ermittlungen über die zentrale Fahndungsstelle der WSP während der Rufsbereitschaft zur Nachtzeit erfolgt sein und einen Aufwand von insgesamt drei Stunden erfordert haben sollen. Die Angelegenheit konnte am nächsten Tag im normalen Geschäftsablauf bearbeitet werden, wofür andere Stundensätze gegolten hätten. Zudem hätte die Versendung eines Faxschreibens oder ein Telefonat mit der zentralen Fahndungsstelle der WSP nur wenige Minuten beansprucht. Des weiteren fehlt es an einem schlüssigen Vortrag der Klägerin zur Entstehung allgemeiner Verwaltungskosten in Höhe von 60,00 DM sowie Telefonund Portokosten in Höhe von 10,00 DM. Nach alledem hat die Klägerin nicht ausreichend dargetan, dass das unberechtigte Anlegen eines Schiffes für sie mit einem Kostenaufwand in Höhe des von ihr beanspruchten Liegeentgelts von 300,00 DM netto verbunden wäre. Ziffer C V der Tarifordnung ist daher unwirksam, weil die betreffende Liegegeldregelung den Anforderungen des § 38 Abs. 2 LWG nicht gerecht wird..."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2002 - Nr. 4 (Sammlung Seite 1861 f.); ZfB 2001, 1861 f.