Rechtsprechungsdatenbank

3 U 59/00 BSch - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 24.10.2000
Aktenzeichen: 3 U 59/00 BSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Köln
Abteilung: Schiffahrtsobergericht

 Leitsatz: 

Die Nichtzahlung der Miete für ein Binnenschiff kann die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen. Diese bedarf nicht der Schriftform, auch wenn sie für die ordentliche Kündigung gelten sollte. Selbst bei unterstellter Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung steht der Vermieterin ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Schiffs zu, wenn die Mieterin mit ihrer Hauptleistungspflicht zur Mietzinszahlung in Verzug geraten ist. Hinter ein derart schweres Mitverschulden der Mieterin an der Entstehung eines bei ihr entstandenen Schadens tritt ein möglicher Vertragsverstoß der Vermieterin, welcher in der Vorenthaltung des Schiffs zu sehen wäre, völlig zurück.


Urteil des Oberlandesgerichts - Schifffahrtsobergerichts - in Köln

vom 24.10.2000

- 3 U 59/00 BSch -

(Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:


Die Klägerin ist Eigentümerin des MS „A", das sie mit Vertrag vom 4.1.1999 sowie „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag" vom 19.4.1999 an die Beklagte vermietet hat. Im Rahmen dieses Mietverhältnisses führte die Klägerin mit ihrem Schiff mehrere Reisen für die Beklagte aus. Die letzten Rechnungen vom 16.4.1999, vom 21.4.1999 und vom 26.4.1999 blieben unbezahlt. Am 30.4.1999 kündigte die Klägerin den Mietvertrag fristlos. Der Mietvertrag sah unter Nr. 2 vor, dass der Vertrag schriftlich mit einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum 31.12.1999 gekündigt werden konnte. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Bezahlung der drei noch offenen Rechnungen. Die Beklagte erklärt die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen. Die fristlose Kündigung sei unberechtigt und damit unwirksam gewesen. Weil ihr wegen dieser Kündigung das MS „A" nicht mehr zur Verfügung gestanden habe, habe sie zwei mit der Firma P. geschlossene Transportaufträge vom 23.4.1999 nicht durchführen können, denn es sei ihr nicht möglich gewesen, ein Ersatzschiff zu beschaffen. Des weiteren habe sie mit der Firma F. geschlossene fünf Transportverträge über Transporte von Juni bis Dezember 1999 nicht erfüllen können. Auch für diese Transporte habe sie ein Ersatzschiff nicht beschaffen können. Das Schifffahrtsgericht hat der Klage auf Zahlung des Mietzinses stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:


„... Der Klägerin steht der zuerkannte Mietzins gern. § 535 S. 2 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag vom 04.01.1999 und der am 19.04.1999 getroffenen „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 04.01.99" zu. Die Höhe der Mietzinsfor derung steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Beklagten stehen auch keine aufrechenbaren Gegenansprüche gegen die Klägerin zumindest in Höhe der Klageforderung zu. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung gegen die Mietzinsforderung der Klägerin geht damit ins Leere.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 325, 326 BGB. Die Klägerin hat ihre vertragliche Hauptpflicht auf Überlassung der Mietsache nicht schuldhaft verletzt. Die Klägerin hat das Mietverhältnis am 30.04.1999 wirksam gekündigt, nachdem die Beklagte die fällige Mietzinsforde rung gemäß Rechnung vom 16.04.1999 über 29.325,56 DM nicht zum 30.04.1999 zahlte. Gem. Ziff. 3 des Mietvertrages vom 04.01.1999 sollte die Mietzahlung jeweils per Abschlag 15-tägig und per Endabrechnung nach jeder Reise erfolgen. Nachdem es in der Folgezeit nach Abschluss des Mietvertrages zu Zahlungsunregelmäßigkeiten bezüglich der Mietzahlungen seitens der Beklagten gekommen war, trafen die Parteien am 19.04.1999 eine „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 04.01.99", wonach u. a. der Mietpreis auf 1.300,00 DM festgelegt wurde und die Mietzahlungen jeweils 14 Tage nach Leerstellung erfolgen sollten.

Gleichwohl zahlte die Beklagte den danach spätestens am 30.04.1999 fällig werdenden Mietzins über 29.325,56 DM gemäß Rechnung vorn 16.04.1999 nicht, so dass die Beklagte spätestens mit Ablauf des 30.04.2000 in Verzug geriet, da der Eintritt der Fälligkeit kalendermäßig bestimmt war. Die Klägerin war damit berechtigt, den Mietvertrag gern. Ziff. 13 1. Alternative des Mietvertrages fristlos zu kündigen. Danach war eine Vertragspartei zur fristlosen Kündigung berechtigt, wenn die andere Vertragspartei einen der Vertragspunkte nicht beachtete. Die Nichtzahlung der oben genannten Miete stellt einen schwerwiegenden Vertragsverstoß dar, der die fristlose Kündigung nach Ziffer 13 1. Alternative des Mietvertrages rechtfertigt. Insbesondere bedurfte es keiner weiteren Abmahnung. In der Vergangenheit war die Beklagte schon wiederholt ihrer Verpflichtung zur Mietzinszahlung nicht rechtzeitig nachgekommen. Dies führte zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien. Folge dieser Gespräche war die Änderung des Mietvertrages am 01.04.1999 insbesondere auch zu den Zahlungsmodalitäten. Der Beklagten musste klar geworden sein, dass es der Klägerin auf fristgerechte Mietzahlungen ankam und dass sie, für den Fall der verschuldeten Nichtzahlung der Miete durchgreifendere Konsequenzen in Erwägung zog. Dies konnte, wenn weitere Zahlungsverzögerungen auftraten, praktisch nur die fristlose Kündigung bzw. die Vorenthaltung der Mietsache sein. Anderenfalls lief nämlich die Klägerin Gefahr, mit ihren Mietforderungen auszufallen.

Die Klägerin hat das Mietverhältnis auch fristlos gekündigt. Unstreitig wurde bei dem Telefonat am 30.04.1999 über die Auflösung des Mietverhältnisses bei Nichtzahlung der Mietzinsforde rung geredet. Zwar stellt die Klägerin dieses Telefonat so dar, dass das Mietverhältnis einvernehmlich aufgelöst worden sei. Dies bestreitet aber die Beklagte, die das Telefonat so verstanden haben will, dass eine fristlose Kündigung ausgesprochen worden sei. Die Beklagte konnte damit die von der Klägerin abgegebene Erklärung, das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden, jedenfalls nur dahin verstehen, dass dieses, soweit keine einvernehmliche Lösung zustande kam, fristlos gekündigt werde. So hat sie die Erklärung der Klägerin auch letztendlich verstanden. Der Vertragsverstoß der Beklagten - Nichtzahlung der Miete - rechtfertigtedie fristlose Kündigung insbesondere auch deswegen, weil am 30.04.1999 noch zwei weitere Mietzahlungen ausstanden, die am 21.04.99 mit 6.900,00 DM und am 26.04.1999 mit 6.851,65 DM nach Leerstellung in Rechnung gestellt worden waren. Trotz der fristlosen Kündigung am 30.04. erfolgten keinerlei Zahlungen, obwohl die 2. Forderung am 05.05.1999 und die 3. Forderung am 10.05.1999 fällig wurden.

Noch mit Fax vom 06.05.1999 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie bereit sei, letzterer das gemietete Schiff zur Verfügung zu stellen, wenn jeweils einzelne Befrachtungsabsprachen getroffen würden. Damit stellte die Klägerin aber andererseits klar, dass sie zu den ursprünglichen Bedingungen nicht mehr bereit war, das Schiff zur Verfügung zu stellen. In dieser Erklärung lag, auch wenn die Klägerin weiterhin von einer einvernehmlichen sofortigen Vertragsauflösung ausging, jedenfalls auch eine Wiederholung der so von der Beklagten aufgefassten fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Denn sie brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie den alten Mietvertrag als beendet ansah. Am 06.05.1999 war die Beklagte aber bereits mit der zweiten Mietzahlung und damit mit Gesamtmietforderungen von 36.225,56 DM in Verzug. Gerade im Hinblick darauf, dass der Beklagten angeblich für den 04./07.05.1999 ein weiterer Frachtauftrag vorlag, für den sie nach ihrer Behauptung keinen Frachtraum fand, konnte die Nichtzahlung der Beklagten für die Klägerin nur den Schluss auf ihre Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit zulassen. Die nachgeschobene weitere fristlose Kündigung am 06.05.2000 war damit jedenfalls berechtigt.

Weiterer Abmahnungen bedurfte es nicht, nachdem die Klägerin gerade im Hinblick auf vorherige Zahlungsverzögerungen schon eine Änderung des Mietvertrages Anfang April 1999 durchgesetzt hatte. Die Beklagte war damit hinreichend gewarnt.


Die vertragliche Kündigungsregelung verstößt auch nicht gegen § 9 AGBG... Die mietvertragliche Regelung zur fristlosen Kündigung hält einer Inhaltskontrolle stand. Sie stellt keine unangemessene Benachteiligung der Beklagten dar. Dabei legt der Senat die Regelung dahin aus, dass nicht jeder Vertragsverstoß zum Recht zur fristlosen Kündigung führt. Vielmehr fallen hierunter nur schwerwiegende, von der den Vertrag verletzenden Partei zu vertretende Verstöße. Diese einschränkende Auslegung der mietvertraglichen Regelung trägt den Interessen beider Parteien Rechnung. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nicht nur der Klägerin bei Vertragsverstößen das Kündigungsrecht zustehen sollte, sondern auch der Beklagten.

Die fristlose Kündigung der Klägerin bedurfte auch nicht der Schriftform. Der Mietvertrag sieht für die außerordentliche Kündigung keine Schriftform vor. Nach Auffassung des Senats folgt auch nicht daraus, dass für die ordentliche Kündigung die Schriftform notwendig sein sollte, dass dies auch für eine außerordentliche Kündigung gelten sollte. Der von der Beklagten gezogene "Erst-Recht-Schluss" für die außerordentliche Kündigung ist nicht zwingend. Die ordentliche Kündigung war an bestimmte Fristen gebunden. Gerade für den Nachweis der Einhaltung dieser Fristen war die Schriftform wichtig. Gleiches gilt nicht für die außerordentliche Kündigung. Diese hat sofortige Wirkung. Entscheidend ist nur der Zugang der Kündigungserklärung. Es kann nach Auffassung des Senats auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien lediglich die Vereinbarung der Schriftform vergessen haben bzw. einvernehmlich davon ausgingen, dass die Schriftform für die ordentliche Kündigung sich auch auf die außerordentliche Kündigung erstrecken sollte. Die Parteien haben ausdrücklich die Schriftform bei der ordentlichen Kündigung geregelt. Die Möglichkeit, für eine Kündigung die Schriftform zu vereinbaren, ist damit nicht übersehen worden. Hätten sie für beide Kündigungsarten - ordentliche und außerordentliche Kündigung - jeweils das Schriftformerfordernis vereinbaren wollen, hätte nichts näher gelegen, als entweder bei der jeweiligen Kündigungsregelung dies niederzulegen oder eine eigenständige vertragliche Regelung zum Schriftformerfordernis für beide Kündigungsarten zu treffen.

Die Schriftform ist für die außerordentliche Kündigung nach dem Gegenstand des Vertrages auch nicht zwingend. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Regelung im Mietvertrag zur fristlosen Kündigung unwirksam ist, so war die Klägerin jedenfalls am 06.05.2000 berechtigt, den Mietvertrag gem. § 554 Abs. 1 BGB zu kündigen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte mit zwei Mietzinsforderungen in Verzug. Insoweit kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.

Jedenfalls stand - bei unterstellter Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung auch nach § 554 Abs. 1 BGB - der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB zu. Die Beklagte war mit ihrer Hauptleistungspflicht zur Mietzinszahlung in Verzug geraten. Bei der gegebenen Sachlage musste die Klägerin davon ausgehen, dass die Beklagte in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten war und von daher mit weiteren Zahlungseingängen nicht gerechnet werden konnte. Schließlich standen am 04.05.2000 offene Mietforderungen der Klägerin gegen die Beklagte i.H.v. 43.077,21 DM im Raum. Bis zur Begleichung dieser Mietforderungen konnte die Beklagte die Mietsache zurückhalten. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil die Beklagte auch Anfang Mai 1999 keinerlei Anstrengungen unternahm, die unstreitig noch offen stehenden Forderungen zu begleichen. Bei dieser Sachlage war es der Klägerin nicht zumutbar, das Risiko einzugehen, mit weiteren Mietzinsforderungen auszufallen.

Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass die Beklagte - für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung sowie des Fehlens eines Zurückbehaltungsrechtes - ein so schweres Mitverschulden an der Entstehung des geltend gemachten Schadens trifft, dass ein möglicher Vertragsverstoß der Klägerin, welche in der Vorenthaltung der Mietsache zu sehen wäre, dahinter völlig zurücktritt. Die Beklagte hatte es nämlich in der Hand, die offenstehenden Forderungen auszugleichen und dementsprechend das Mietschiff erneut freizubekommen.


Die Klägerin war bereit gewesen, der Beklagten bei Zahlung der Mietschulden das Schiff erneut zur Verfügung zu stellen. Ob dies im Rahmen des abgeschlossenen Mietvertrages geschah oder durch Einzelvereinbarung, war dabei ohne Belang. Entscheidend war, dass die Beklagte für den angeblichen Frachtauftrag ein Schiff benötigte und dieses hätte bekommen können, wenn sie sich nur vertragsgerecht verhalten hätte. Zahlte sie dennoch nicht, konnte dies nur den Rückschluss der Zahlungsunfähigkeit bzw. -unwilligkeit bei der Klägerin zulassen.

Von daher war es nur zu verständlich, wenn die Klägerin der Beklagten die Mietsache vorenthielt. Die Beklagte hatte es doch selber in der Hand, den angeblich ihr drohenden Schaden durch Zahlung der fälligen Mieten, gegen die sie keine Einwände hatte, abzuwenden....

Für die Folgezeit sind von der Klägerin zu vertretende Schäden der Beklagten in Form von entgangenem Gewinn auch nach Beklagtenvortrag jedenfalls nicht gegeben. Die Beklagte gesteht selbst zu, dass sie im Sommer beinahe ein anderes Schiff hätte chartern können. Unsubstantiiert trägt sie hierzu vor, dies sei nur daran gescheitert, dass die Klägerin sie, die Beklagte, "schlecht" gemacht habe. Das kann nach Auffassung des Senats nur bedeuten, dass die Klägerin auf die bestehenden offenen Mietforderungen anderer Firmen hingewiesen hat. Wenn sich dann andere Vermieter scheuten, mit der Beklagten einen Mietvertrag einzugehen, so lag dies allein im Risikobereich der Beklagten. Der Klägerin kann nicht angelastet werden, wenn wegen fehlender wirtschaftlicher Stärke eine Vermietung von Frachtschiffen an die Beklagte nicht erfolgte..."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2001 - Nr.1 (Sammlung Seite 1811 ff.); ZfB 2001, 1811 ff.