Rechtsprechungsdatenbank

3 U 73/66 - Bundesgerichtshof (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 27.01.1967
Aktenzeichen: 3 U 73/66
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 823 BGB
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Haltung eines Umschlagsbetriebes für Schäden am Schiff beim Laden und Löschen.

2) Ein Umschlagsbetrieb kann dem Schiffseigner nicht nur wegen unerlaubter Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, sondern auch aus dem Entladungsvertrag für Schäden am Schiff haften, selbst wenn dieser mit Schutzwirkung für Dritte abgeschlossene Vertrag nicht zwischen dem Eigner und dem Entlader des Schiffes abgeschlossen worden ist.

3) Zur Frage des Umfangs der Verpflichtungen eines Umschlagsbetriebes, die Umschlagsgeräte auf ihre Eignung und etwaige äußerlich nicht erkennbare Fehler in bestimmten Zeitabständen zu prüfen.

Urteil des Oberlandesgerichts - Schiffahrtsobergerichts in Köln

vom 27. Januar 1967

3 U 73/66

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Das bei der Klägerin versicherte MS B erlitt im Juli 1963 auf der Verladeanlage der Beklagten in Duisburg-Ruhrort einen Schaden, weil die Vorlegewelle des eingesetzten Kranes brach und darauf dessen Greifer auf das zu entladende Schiff fiel.

Die Klägerin verlangt Erstattung des dem Schiffseigner ersetzten Schadens, weil die Beklagte den Kran nicht sorgfältig gepflegt und geprüft habe. Die Beklagte bestreitet jedes Verschulden. Der Fehler des Krans hätte auch bei sorgfältiger Pflege und Prüfung nicht entdeckt werden können. Das Schiffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach allen vorliegenden Sachverständigengutachten war die schwache Stelle der Kranwelle, deren Bruch zum Unfall geführt hat, äußerlich nicht erkennbar. Nach der Ansicht des Sachverständigen A. war sie ein sogenannter Lunker, während das staatliche Materialprüfungsamt sowie der Sachverständige B. sie in einer thermisch nicht richtig behandelten Auftragsschweißung sehen, die unstreitig im Jahre 1950 vorgenommen worden ist. Der Senat schließt sich dieser letzten Auffassung, die in zwei Gutachten aufgrund von metallographischen und mikroskopischen Untersuchungen sowie von Härteprüfungen eingehend dargelegt und begründet worden ist, an.

Zur Aufdeckung des Fehlers konnte nur eine unter die Oberfläche dringende Sonderprüfung der Vorlegewelle führen, wie sie nach dem Bruch von den bereits genannten Gutachtern vorgenommen worden ist. Vor dem Unfall ist sie, wie unstreitig ist, nicht erfolgt.
Eine Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen besteht nur dann, wenn ihr diese Unterlassung oder die Auftragsschweißung der Welle anstelle eines Austausches gegen eine neue vorgeworfen werden können. In diesem Falle hätte sie schuldhaft das Eigentum am MS B verletzt und gegen § 823 i BGB verstoßen und außerdem schuldhaft ihre Pflichten aus dem Entladungsvertrag nicht erfüllt. Dieser ist nämlich, wie der Senat wiederholt festgestellt hat, ein sogenannter Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. In seinen Schutzbereich fällt insbesondere das zu entladende Schiff auch dann, wenn er, wie im vorliegenden Falle, nicht zwischen dessen Eigner mit dem Entladenden abgeschlossen wird. Der Schiffseigner erwirbt in einem solchen Falle bei einer schuldhaften Beschädigung seines Schiffes durch den Entladenden oder dessen Erfüllungsgehilfen einen Ersatzanspruch unmittelbar gegen den Ersteren.

Es mA als verfehlt angesehen werden, daß die Beklagte die Auftragsschweißung vornehmen ließ, statt die damals nicht mehr genügend starke Welle durch eine andere zu ersetzen. Zur Begründung dieser Ansicht ist darauf hinzuweisen, daß der Kran unter Umständen eingesetzt wurde und wird, die beim Versagen seiner Einrichtungen Gefahr für Menschenleben heraufbeschwören können. Das schließt es aus, in ihn Teile einzubauen, die riskanten Reparaturen unterzogen worden sind. Der Schutz menschlichen Lebens hat vor dem Interesse an niedrigen Betriebskosten absoluten Vorrang. Das gilt auch dann, wenn die Gefahr für dieses Leben eine entferntere ist. Weiter war es verfehlt, daß die Beklagte die durch Auftragsschweißung verstärkte Welle nicht in einer Weise geprüft hat, die auch verborgene Mängel offenbar machen konnte. Methoden für solche Prüfungen waren, wie das Gutachten des Technischen Überwachungsvereins Essen gezeigt hat, schon im Jahre 1950, also zur Zeit der Schweißung bekannt und auch später immer mehr vervollkommnet worden.
Die Beklagte kann sich nicht mit dem Argument verteidigen, sie habe an verborgene Mängel der Schweißung und an mit ihr verbundenen Risiken nicht denken können. Als Großunternehmen der Binnenschiffahrt verfügt sie über eine technische Abteilung, deren Aufgabe auch die Prüfung von Kranen ist, wie das von der Beklagten vorgelegte Prüfbuch zeigt. Die Mitarbeiter in dieser Abteilung waren in der Lage, Erwägungen anzustellen, wie sie in dem Gutachten des Technischen Überwachungsvereins zum Ausdruck kommen. Wenn sie unterblieben sind und in Anweisungen über die Reparatur und die Prüfung des hier interessierenden Krans keinen Niederschlag gefunden haben, so zeigt dies einen Fehler in der Organisation der Beklagten auf, für dessen Folgen sie einzustehen hat."