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3 U 9/60 RhSch - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Entscheidungsdatum: 16.06.1961
Aktenzeichen: 3 U 9/60 RhSch
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Abteilung: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsatz:

Die gemäß § 84 RheinSchPVO nur an einem Flussufer aufgestellte Ankerverbotstafel bedeutet, daß sich das Ankerverbot lediglich auf die diesem Ufer zugewandte Hälfte des Flusses bezieht. Soll sich das Ankerverbot auf die gesamte Strombreite erstrecken, hat die Wasserstraßenbehörde schon auf Grund ihrer Verkehrssicherungspflicht auf beiden Stromseiten entsprechende Tafeln anzubringen.

 

Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichts Karlsruhe

vom 16. Juni 1961

(Rheinschiffahrtsgericht Kehl)

3 U 9/60 RhSch

Zum Tatbestand:

Im Zusammenhang mit Wasserbauarbeiten der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung am Oberrhein bei km 283 lag am elsässischen Ufer eine Senkbrücke, die zum badischen Ufer hin mit einer quer durch den Strom geführten Kette und am elsässischen Ufer durch Drähte und auf sonstige Weise verankert war. Ein auf der badischen Seite zu Berg fahrendes Motorschiff der Beklagten setzte wegen Ausfalls der Maschine etwa in Höhe der ausgelegten Kette zwei Anker. Ein Anker verfing sich in der Kette, die beim Wiedereinholen des Ankers mit diesem hochkam und aus dem Anker entfernt werden mußte.
Die Klägerin - Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Freiburg - verlangt Schadensersatz, weil von der gerissenen Kette rund 100 m verlorengegangen seien. Der Schiffsführer habe in Höhe der Senkbrücke nicht ankern dürfen, weil auf beiden Ufern Ankerverbotstafeln gemäß § 84 RhSchPVO aufgestellt worden seien. Im Falle eines Notstandes habe die Beklagte den Schaden gemäß § 904 BGB zu ersetzen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, daß die auf der badischen Seite aufgestellte Verbotstafel nicht rechtzeitig habe gesichtet werden können, da sie durch Gestrüpp verdeckt gewesen sei. Die auf elsässischer Seite aufgestellte Verbotstafel habe für die rechtsrheinische Stromhälfte keine Bedeutung gehabt.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Aus der Beweisaufnahme ist, wie das Amtsgericht richtig gewürdigt hat, zu entnehmen, daß sowohl auf elsässischer wie auf badischer Seite je eine Ankerverbotstafel aufgestellt war.
Da nach der Beweisaufnahme die auf badischer Seite aufgestellte Verbotstafel keineswegs so aufgestellt war, daß sie von der am badischen Grund verlaufenden Bergfahrt rechtzeitig ausgemacht werden konnte, kann dem Schiffsführer der Beklagten daraus kein Vorwurf gemacht werden, daß er diese Ankerverbotstafel nicht beachtet hat.
Bei einem offenen Fluß kann nach Auffassung des Senats eine am Ufer aufgestellte Ankerverbotstafel nur bedeuten, daß auf der entsprechenden Flußhälfte und insbesondere in der Nähe des Ufers nicht geankert werden darf. Ähnlich wie im Straßenverkehr kann die Aufstellung der Tafel aber nicht bedeuten, daß sich das Verbot auch auf die gegenüberliegende Flußseite und auf das gegenüberliegende Ufer beziehe. Soll sich das Ankerverbot auch auf die gegenüberliegende Stromhälfte und auf das gegenüberliegende Ufer erstrecken, so erfordert es bereits die Verkehrssicherungspflicht der Wasserstraßenbehörde, auch auf der anderen Stromseite eine entsprechende Tafel anzubringen, um die Schiffahrt in klarer und unmißverständlicher Weise auf das durch die Kette bedingte Hindernis aufmerksam zu machen. Das Wasser- und Schiffahrtsamt ist offensichtlich selbst von der Notwendigkeit ausgegangen, das Ankerverbot auf beiden Rheinufern kenntlich zu machen, indem es auch auf beiden Seiten solche Tafeln aufgestellt hat, wenn es auch die auf badischer Seite aufgestellte Tafel nicht ausreichend sichtbar aufstellen ließ. Es war daher nicht genügend, wenn am Tage des Schadenseintritts für die Bergfahrt nur die am Elsässer Ufer aufgestellte Ankerverbotstafel in ausreichendem Maße sichtbar war.
Auch der Umstand, daß bei Rhein-km 283 auf Elsässer Seite eine Senkbrücke stand und Uferregulierungsarbeiten vorgenommen worden sind, kann ein Verschulden des Schiffsführers nicht begründen. Im Zeitpunkt des Schadenseintritts wurden,' wie sich aus den Zeugenaussagen ergibt, keine Bauarbeiten ausgeführt. Es war dies an einem Samstagnachmittag und die Besatzung hatte bereits Feierabend. Der Schiffsführer konnte daher nicht ohne weiteres erkennen, ob die Senkbrücke in Betrieb war. Abgesehen davon würde es zu einer Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Schiffsführers oder auch eines Lotsen führen, wenn man von ihnen verlangen wollte, aus der Aufstellung einer Senkbrücke allein schon den Schluß zu ziehen, daß diese durch eine quer über den gesamten Strom verlaufende Kette auch am gegenüberliegenden Ufer verankert ist.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat daher zu Recht eine Haftung der Beklagten wegen eines schuldhaften Verstoßes der Schiffsführung von Rhenus 55 gegen § 4 und § 84 RPVO abgelehnt. Das Schiffahrtsgericht hat auch aus zutreffenden Gründen eine Haftung aus § 904 BGB nicht für gegeben erachtet, weil diese Bestimmung ein vorsätzliches und zumindest bedingt vorsätzliches Handeln des Schädigers voraussetzt und nicht dargetan ist, daß der Schiffsführer die Anker auf die Gefahr hin gesetzt hat, daß die von ihm gar nicht erkannte Sachlage zu einer Beschädigung der über den Strom liegenden Kette führen würde.