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3 Z - 1/93 - Berufungsausschuss Moselkommission (-)
Entscheidungsdatum: 21.01.1993
Aktenzeichen: 3 Z - 1/93
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungsausschuss Moselkommission Trier
Abteilung: -

Leitsätze:

1) In einem Schadensersatzprozess hat der Richter grundsätzlich den Schaden so zu bestimmen und zu berechnen, wie sich ihm dieser im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung darstellt.
2) Verlangt die Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung den Ersatz eines beschädigten Dalben nicht, ist er also entbehrlich und damit bedeutungslos geworden, erwächst neben dem Beseitigungsschaden kein Erneuerungsaufwand, der zu ersetzen wäre.

Urteil des Berufungsausschusses der Moselkommission

vom 21.01.1993

3 Z - 1/93

Zum Tatbestand:

Am 5. Februar 1990 fuhr das Schubboot „D" der Beklagten mit 2 Schubleichtem auf der Mosel zu Berg. Die Fahrzeuge waren voreinander gekoppelt. Mit dem an der Spitze des Verbandes befindlichen Leichter stieß der Verband im unteren Vorhafen der Schleuse Enkirch gegen den vordersten - von der Schleuse her gesehen: fünften - Leitdalben. Dabei wurde dieser in eine Schräglage von ca. 45° nach Oberstrom gedrückt und ein Teil des Dalbens in Höhe der Anstoßstelle abgerissen.

Die klagende Bundesrepublik Deutschland verlangt als Eigentümerin des Dalbens Ersatz ihres Unfallschadens abzüglich von der Beklagten gezahlter 30.911,81 DM.

Die Beklagte hält den Klageanspruch für unbegründet. Zwar bestreite sie nicht, für die Beschädigung des Dalbens ersatzpflichtig zu sein. Jedoch habe sie an die Klägerin nur die bereits entrichteten 30.911, 81 DM für die Beseitigung des Dalbens zu leisten. Nicht zu erstatten habe sie hingegen die von dieser außerdem für eine Erneuerung des Dalbens verlangten "theoretisch-abstrakten" Kosten von 36.407,53 DM. Die Klägerin habe nicht nur unmissverständlich dargelegt, den Dalben nicht zu erneuern. Vielmehr sei dieser für die Klägerin schon vor der Beschädigung nutzlos gewesen. Zum einen hätte sie ihn wegen der Gefahren, die von ihm für die Schifffahrt ausgegangen seien, ohnehin beseitigen müssen. Zum anderen hätte sie ihn wegen seiner festen Verortung nicht an eine andere Stelle verbringen und dort einsetzen können. Wie hier hätten die Dinge schon bei den früher unterhalb des Dalbens 5 stehenden Dalben 6 und 7 gelegen, welche die Klägerin ebenfalls nicht erneuert habe, nachdem sie von Schiffen beschädigt worden seien. Demgemäß habe sie damals von den Schädigern stets nur die Beseitigungskosten ersetzt verlangt.

Das Moselschifffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben und in den Gründen seines Urteils ausgeführt:

Die Beklagte habe ihre Behauptung, der beschädigte Dalben hätte ohnehin beseitigt werden müssen, nicht beweisen können. Infolgedessen könne die Entscheidung der Klägerin, den Dalben nicht zu erneuern nur so gewertet werden, dass sie geglaubt habe, nach dem derzeitigen Stand der Dinge auf die Erneuerung des Dalbens verzichten zu können, zumal eine solche sie nicht unerheblich belastet hätte. Das könne aber der Beklagten nicht zugute kommen. Denn die Klägerin, die einen Substanzverlust erlitten habe, trage das Risiko für den Fall, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt die Erneuerung des Dalbens als notwendig erweisen sollte. Ihre gemäß § 249 BGB auf Geld gerichtete Schadensersatzklage setze nicht voraus, dass die Reparatur tatsächlich durchgeführt werde. Im Kraftfahrzeugschadensrecht sei das selbstverständlich. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass der Dalben wirtschaftlich keine Bedeutung habe. Da sich der Wert einer Sache stets aus der Beziehung zu dem Geschädigten bemesse, sei festzustellen, dass die Einfahrt zur Schleuse Enkirch im Unterstrom jetzt nur noch mit 4 Dalben gesichert sei, mögen diese auch zur gefahrlosen Einfahrt in die Schleuse als ausreichend erachtet werden."

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

"In einem Schadensersatzprozess hat der Richter grundsätzlich den Schaden so zu bestimmen und zu berechnen, wie sich ihm dieser im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung darstellt (Soergel, Kommentar zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch 12. Aufl. 1990 Vor § 249 Rn. 287). Berücksichtigt man das, so ist der Klageanspruch zu verneinen. Die Klägerin hat den Anspruch unter Veranschlagung der Kosten bei einer Erneuerung des Dalbens 5 auf 157.119,84 DM abzüglich eines Eigenanteils ("neu für alt") von 120.716,31 DM auf 36.403,53 DM errechnet zuzüglich einer Auslagenpauschale von 50,00 DM. Nach den besonderen Gegebenheiten das Falles liegt jedoch ein solcher Schaden auf Seiten der Klägerin jedenfalls nicht mehr vor.

1. Beim Ausbau der Mosel zur Großschifffahrtsstraße sind in den Schleusenbereichen Leitdalben gesetzt worden, um den Schubverbänden die Schleuseneinfahrt zu erleichtern und zu gewährleisten, dass die Schiffe die Schleusenanlagen nicht durch Anfahrung oder Berührung beschädigen. Zu diesem Zweck wurden ursprünglich im Unterwasser der Schleuse Enkirch 7 Leitdalben hintereinander im Abstand von jeweils 25 m gesetzt. Von ihnen sind die Dalben 7 und 6 nach Beschädigung im Jahre 1967 beziehungsweise 1980 durch Schiffe ersatzlos beseitigt und nur die Kosten hierfür von der Klägerin dem Schädiger in Rechnung gestellt worden. Nach dem nicht näher bestrittenen Vorbringen der Beklagten war der Grund für die ersatzlose Beseitigung dieser beiden Leitdalben vor allem die inzwischen erheblich verbesserte Steuerungsfähigkeit der Schubverbände durch den Einsatz von Bugpropellern, ferner von ihnen ausgehende Gefährdungen der Schifffahrt insbesondere bei Nebel. Bemerkenswert ist weiter, dass die Klägerin nach der im Dezember 1990 erfolgten Beschädigung des Leitdalbens 4, der seit der Beseitigung der Dalben 7, 6 und 5 an vorderster Stelle der Dalbenreihe im Unterwasser der Schleuse Enkirch stand, diesen alsbald wieder erneuert hat.

2. Am 9. Februar 1990, also nur wenige Tage nach der Beschädigung des Dalbens 5 durch den Schubverband "D", haben der sachverständige Zeuge K. als damaliger Interessenvertreter der Beklagten und 2 fachkundige Bedienstete des Wasser- und Schifffahrtsamts Koblenz der Klägerin die Unfallstelle mit dem Ziel besichtigt, festzulegen, was mit dem beschädigten Dalben geschehen solle. Hierbei wurde K. mitgeteilt, dass nach Ansicht des genannten Amtes eine Erneuerung des Dalbens nicht mehr notwendig sei, dazu müsse allerdings noch der Bundesverband der deutschen Binnenschifffahrt gehört werden; an sich bestehe aber kein Zweifel, dass dieser de Ansicht des Wasser- und Schifffahrtsamtes beitrete. Das ist dann auch der Fall gewesen.

3. Die Klägerin selbst hat in der Klageschrift vom 10. August 1990 erklärt, sie beabsichtige nicht, den - mittlerweile gezogenen - Dalben zu erneuern. Die Erklärung hat sie allerdings nachfolgend dahin abgeschwächt, dass sie die Frage der Erneuerung noch prüfe. Deshalb hat auf ihren Antrag das Moselschifffahrtsgericht in Termin vom 13. März 1991 den Rechts streit auf unbestimmte Zeit vertagt; zuvor hatte in dem Termin der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu Protokoll er klärt, ’seine Partei sei bereit, ihren Anteil zu den Kosten des Dalbens zu bezahlen wenn dieser erneuert werde, Einwendungen zur Höhe blieben allerdings einstweilen vorbehalten. Mit Schreiben vom 18 September 1991 hat das Moselschifffahrtsgericht die Klägerin gebeten, mitzuteilen ob eine Entscheidung über eine Erneuerung des Dalbens inzwischen getroffen worden sei. Darauf hat diese mit Schriftsatz vom 9. Oktober 1991 erwidert, dass auf die Erneuerung des streitbefangenen Leitdalbens Nr. 5 verzichtet wird.

4. Nach Ansicht des Berufungsausschusses kann es nach den vorstehend aufgeführter Gegebenheiten nicht zweifelhaft sein, darf der von der Klägerin mit ihrer Schadensersatzklage gegen die Beklagte geltend gemachte und nach dem Erneuerungsaufwand für den Dalben 5 berechnete Anspruch zuzüglich einer Kostenpauschale von 50 DM keinesfalls besteht. Der Dalben war, wie die schon früher nach einer Beschädigung ersatzlos beseitigten Dalben und 6, Teil einer Dalbenreihe im Unter wasser der Schleuse Enkirch, welche die Sicherheit des Schiffsverkehrs, vor allen der in die Schleuse einfahrenden Schub verbände, und den Schutz der Schleusenanlage vor Beschädigungen durch Fahr zeuge bezweckt. Diese Aufgabe kann aber auf Grund der seit Eröffnung der Großschifffahrtsstraße Mosel im Jahre 1964 erfolgten technischen Verbesserungen bei der Führung und der Steuerfähigkeit der Fahrzeuge offensichtlich auch eine auf die Dalben 1 bis 4 verkürzte Dalbenreihe er füllen. Der Berufungsausschuss entnimm dies aus den Äußerungen der mit den Verhältnissen der Schleuse zweifellos vertrauten Bediensteten des Wasser- und Schifffahrtsamtes Koblenz gegenüber den Zeugen K. zur beabsichtigten Nichterneuerung des Dalbens 5 kurz nach dessen Beschädigung durch den Schubverband `D’ und außerdem aus dem Telefax des Bundesverbandes der deutschen Binnenschifffahrt vom 15. März 1991 an dieses Amt, worin es heißt: dass uns während des vergangenen Jahres keine Nachteile für die Schifffahrt bekannt geworden sind, die sich aus dem Fehlen des Dalbens im Unterwasser der Schleuse Enkirch aufgrund seiner Beschädigung ergeben haben» Zu diesen Punkten kommt weiter die definitive Erklärung der Klägerin selbst gegenüber dem Moselschifffahrtsgericht in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 1991, dass auf die Erneuerung des Leitdalbens Nr. 5 verzichtet wird» Eine derartige Erklärung der Klägerin kann im Hinblick auf ihre für den deutschen Teil der Mosel bestehende Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht, deren Verletzung zu ganz beträchtlichen Schäden führen kann, vernünftigerweise nur dahin aufgefasst werden, dass der Dalben 5 für die Aufgaben der Dalbenreihe nicht mehr erforderlich, also entbehrlich und damit bedeutungslos geworden ist. Infolgedessen ist ihr durch die Beschädigung des Dalbens neben dem Beseitigungsschaden kein Erneuerungsaufwand erwachsen. Das verkennen die Hinweise des Moselschifffahrtsgerichts auf die Geldersatzregelungen des § 249 Satz 2 des deutschen BGB sowie die im deutschen Recht vertretene Ansicht, dass der Geschädigte eine ihm zu erbringende Schadensersatzleistung nicht zur Schadensbeseitigung verwenden muss. Diese Regelungen greifen erst dann, wenn tatsächlich auch ein Schaden des Geschädigten gegeben ist, was hier aber, soweit es um die Erneuerungsfrage geht, wegen der besonderen Umstände des Falles zu verneinen ist. Daneben ist dem Einwand der Klägerin, bei der Entscheidung, den Dalben 5 nicht zu erneuern, hätten auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt, entgegen zuhalten, dass es insoweit an einem eingehenderen Vortrag fehlt. Überdies könnten diese Gesichtspunkte nur für die Frage Bedeutung haben, ob bei einer Notwendigkeit der Erneuerung des Dalbens eine solche für die Klägerin unzumutbar gewesen wäre. Darum geht es hier aber nicht."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993 - Nr.6 (Sammlung Seite 1412 f.); ZfB 1993, 1412 f.