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4 C 9/03.BSchMo - Amtsgericht (Moselschiffahrtsgericht)
Entscheidungsdatum: 12.01.2004
Aktenzeichen: 4 C 9/03.BSchMo
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Amtsgericht St. Goar
Abteilung: Moselschiffahrtsgericht

Urteil des Amtsgerichts – Moselschiffahrtsgericht St.Goar

vom 12.01.2004

4 C 9/03.BSchMo

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt aus abgetretenem Recht die Beklagte als Verkehrssicherungspflichtige der Bundeswasserstraße Mosel auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der bei der Kollision von GMS I mit dem rechten Brückenpfeiler der Straßenbrücken in Mehring (Strom-Km 171,52) und dem anschließenden Untergang des Schiffes entstanden ist. GMS I (1 550 t groß, 940 PS stark, 85,85 m lang und 9,50 m breit) war am Abend des 21. November 2000 mit 1 524 t Feinkohle beladen, gesteuert von dem Schiffsführer S. auf dem Weg von Antwerpen nach Thionville zu Berg. An der Brücke in Mehring waren Bauarbeiten im Gange, worauf die Beklagte durch am Moselufer stehende Schilder hingewiesen hatte. Im Zuge dieser Bauarbeiten war die Straßenbrücke bis auf die Brückenpfeiler abgebaut worden. Während der rechte Brückenpfeiler von im Abstand von ca. 30 m sowohl talwärts als auch bergwärts ausgelegten Radarbojen markiert in Dunkeln lag, waren auf der linken Moselseite noch Bauarbeiten im Gange, so dass dieser Arbeitsbereich hell erleuchtet war. Der Schiffsführer S. wollte mit GMS I von der rechten Moselseite kommend zur linken Moselseite den Übergang machen, übersah dabei aber den am Rande des Fahrwassers stehenden Brückenpfeiler, stieß gegen diesen und sank, nachdem umfangreiche Rettungsversuche erfolglos geblieben waren. Am Schiff entstand Totalschaden, daneben wurden erhebliche Aufwendungen in der Absicht, das Schiff zu retten sowie für die Bergung des auf den Grund der Mosel gesunkenen Schiffes gemacht.

Die Klägerin ist der Meinung, der Schaden sei von der Beklagten als der für die Verkehrssicherheit der Bundeswasserstraße verpflichteten Eigentümerin zu vertreten. Zwar habe sie auf Arbeiten an der Brücke Mehring hingewiesen gehabt, aus dem Hinweis habe man indes nicht erkennen können, dass die Brücke entfernt worden sei. Der Schiffsführer von GMS I sei daher sehr erstaunt gewesen, als er nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171 die Brücke nicht in dem Bildschirm seines Radargerätes habe sehen können. Er habe dann mit dem Fernglas nach der Brücke Ausschau gehalten und dabei entdeckt, dass an dem hell erleuchteten linken Moselufer Bauarbeiten im Gange seien. Dort sei auch ein Wahrschaufloß ausgelegt gewesen. Die rechte Moselseite sei hingegen unbeleuchtet gewesen, so dass der Brückenpfeiler, mit dessen Vorhandensein niemand habe rechnen können, für ihn unsichtbar gewesen sei. Da eine ausreichende Feuersicht geherrscht habe, sei er nach Sicht gefahren, ohne den Radarbildschirm weiter zu beobachten. Dazu sei er auch nicht verpflichtet gewesen. Hingegen habe es der Beklagten oblegen, den ca. 2,00 m aus dem Moselwasser herausragenden Brückenpfeiler mit einem Warnlicht zu versehen. Infolge der Beleuchtung der linken Moselseite sei die Schifffahrt bemüht gewesen, Abstand von der Baustelle zu halten. Deshalb habe der im Wasser verbliebene Brückenpfeiler eine besondere Gefahr dargestellt, auf dessen Vorhandensein die Beklagte hätte stärker hinweisen müssen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zur Zahlung von 999.186,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Mai 2003 zu verurteilen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Feuerwehrkosten zu erstatten, die die Versicherungsnehmerin der Klägerin, die VOF S., Burg. Hoffman Plein 13d, NL-3071 Rotterdam, an die Verbandsgemeinde Schweich wegen deren Hilfeleistung nach dem Untergang des MS I am 21. November 2000 aus Anlaß der Kollision mit einem Pfeilerstumpf der Moselbrücke Mehring bei Mosel-Km 171,520 zu zahlen hat;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Havarie-Grosse-Kosten zu erstatten, sowie sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die der Versicherungsnehmerin
der Klägerin, die VOF S., Burg.Hoffman Plein 13d, NL-3071 Rotterdam und den Ladungsbeteiligten nach dem Untergang des MS I am 21. November 2000 aus Anlaß der Kollision mit einem Pfeilerstumpf der Moselbrücke Mehring bei Mosel-Km 171,520 entstanden sind.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Schiffsführer von GMS I habe den Unfall alleine verschuldet. Er habe den Brückenstumpf und die zur Sicherung ausgelegten Radartonnen leicht mit seinem Radargerät, das beigeschaltet gewesen sei, erkennen können. Sie habe den im Flussbett verbliebenen Brückenpfeiler auch ausreichend gesichert gehabt. Das beleuchtete Wahrschaufloß auf der linken Moselseite sei wegen des dort befindlichen Arbeitspontons ausgelegt gewesen. Die später auf der rechten Moselseite ausgebrachten Wahrschauflöße hätten das auf dem Moselgrund liegende Schiff absichern sollen. Weitere als die von ihr getroffenen Vorsichtsmaßnahmen seien nicht veranlasst gewesen.

Wegen des Sachvortrages der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und Urkunden verwiesen.

Die Akten betreffend die Verklarung auf Antrag des Schiffsführers S. des Binnenschifffahrtsgerichts St. Goar (Az.: 4 II 2/00) sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft in Koblenz (Az.: 2010 Js 9155/01) waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die als Moselschifffahrtssache zulässige Klage ist nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche gegen die Beklagte in ihrer Eigenschaft als für die Verkehrssicherung auf der Mosel verpflichtete Eigentümerin, nicht wegen Verletzung einer Amtspflicht. Solche Verfahren werden, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, als Rheinschifffahrtssachen behandelt, wenn sich der Vorfall auf dem Rhein zugetragen hat. Die Bestimmungen des Moselvertrages, welche die Zuständigkeit des Moselschifffahrtsgerichtes regeln, entsprechen denen der Mannheimer Akte. Es kann deshalb nichts anderes gelten, wenn es um einen Vorfall auf der Mosel geht.

Die Klage ist indes nicht begründet. Der Schaden, für den die Klägerin eingetreten ist, kann nicht auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zurückgeführt werden. Die Beklagte haftet deshalb nicht für den bei dem Untergang von GMS I entstandenen Schaden.

Inhalt der Verkehrssicherungspflicht ist es, dass jeder, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz anderer zu treffen hat. Dabei darf diese Verpflichtung zur Sicherung des Verkehrs jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass alle nur möglichen Gefahren zu beseitigen sind. Der zur Sicherheit verpflichtete kann vielmehr davon ausgehen, der Benutzer werde die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten und sich auf die normalerweise aus dem Betrieb der Anlage ergebenden Risiken einstellen (vgl. OLG Karlsruhe vom 24. Januar 2003 abgedruckt in MB 2003 Heft 12, Seite 48f.).

Danach kann im vorliegenden Fall ein Verschulden der Beklagten nicht angenommen werden.

1. Der Verkehr auf der Mosel im Bereich der Mehringer Brücke war vor Beginn der in Rede stehenden Bauarbeiten derart geregelt, dass für Bergfahrt und Talfahrt die Durchfahrt durch den mittleren Brückenbogen empfohlen war. Die Pfeiler waren nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten mit Radarspieren versehen, die für die Dauer der Bauarbeiten durch Radarbojen, die in einem Abstand von je ca. 30 m talwärts und bergwärts der Brückenpfeiler im Strom befestigt waren, ersetzt wurden. Die Beklagte hatte weitere Schilder aufgestellt, welche Achtung wegen der an der Brücke in Mehring im Gange befindlichen Bauarbeiten gebieten sollten.

2. Zu dem Unfall kam es nach der Schilderung des Schiffsführers S. im Verklarungsverfahren dadurch, dass dieser nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171,00 die Brücke, die in einer Entfernung von ca. 500 m die Mosel überspannte, entgegen dem sich ihm üblicherweise bietenden Bild auf seinem Radarbildschirm nicht entdecken konnte. Er griff zum Fernglas und seiner Aufmerksamkeit wurde durch die auf der linken Moselseite noch im Gang befindlichen Bauarbeiten ergriffen. Er beabsichtigte, quer über dem Strom von der rechten Moselseite kommend zur linken Moselseite zu wechseln, da Gegenverkehr nicht im Revier war und auf der rechten Moselseite ausreichend Wasser anstand, wie er wusste. Dabei übersah er den im Strom verbliebenen und außerhalb der Beleuchtung, welche auf der linken Moselseite die dort befindliche Baustelle hell erleuchtete, stehenden Brückenpfeiler sowie die zu seiner Sicherung ausgelegten Radarbojen, weil er, obgleich sein Fahrweg im Dunkeln lag, nicht auf den Radarschirm schaute.

3. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den in der Mosel verbliebenen Brückenstumpf mit Lichtzeichen zu versehen. Die Berufsschifffahrt ist bis auf verschwindend geringe Einzelfälle mit modernen, leistungsfähigen Radargeräten ausgerüstet, so dass Hindernisse, zumal wenn sie durch Radarbojen gekennzeichnet sind, leicht erkannt werden können. Die Beklagte hatte, wie auch der Schiffsführer von GMS I bekundet hat, auf die Bauarbeiten an der Brücke in Mehring hingewiesen. Schon bei der Ausfahrt der Schleuse Detzem und nochmals bei Mosel-Km 171,00 war auf die Mosel-Brückenbaustelle bei Mosel-Km 171,5 hingewiesen. Der Begriff "Baustelle" umfasst auch die Beseitigung der Betonfahrbahnplatte, was im vorliegenden Fall geschehen war. Brücken ruhen in aller Regel auf Pfeilern, die nicht ohne weiteres beseitigt werden können und selbst nach der Beseitigung des Überbaus noch vorhanden sind. Nach dem Umfahren der Linkskurve bei Mosel-Km 171 waren mit einem Schiff von etwa 100 m Länge jedenfalls noch ca. 400 m zu durchfahren, währenddessen sich ein Schiffsführer über die Situation an der Baustelle hätte informieren können.
Hierzu hatte er sich natürlich aller Hilfsmittel zu bedienen, die er an Bord hatte (vgl. BGH in VersR 1991 S. 605). Dazu gehörte ohne Zweifel auch das Radargerät, das auch bei einer Fahrt nach Sicht ein wichtiges Hilfsmittel darstellt, wie sich auch bei der Radarfahrt der Schiffsführer nicht allein auf das Radargerät verlassen kann, vielmehr seine Streckenkenntnis und Erfahrung mit in die Navigation einbringen muss. Schiffsführer Laurentius Martinus S. kannte die Moselstrecke aus langjähriger Erfahrung. Er hätte wissen müssen, dass er geradewegs auf den rechten Brückenpfeiler zusteuerte, wie er auch wusste, dass in diesem Bereich an sich genügend Wasser anstand. Die Verkehrssituation hätte er auch anhand der gegebenen Hinweise erkennen können. Dass er es nicht erkannt hat, konnte er bei seiner Vernehmung im Rahmen des Verklarungsverfahrens auch nur damit erklären, dass seine Aufmerksamkeit durch die Bauarbeiten auf der linken Moselseite ("Licht zieht ja an", siehe Verklarungsverfahren Seite 14 vorletzter Absatz) abgelenkt war. Auch wenn die Schifffahrt von der Baustelle am linken Moselufer Abstand hielt, verblieb bei einer Durchfahrtsweite von 98 m zwischen den Brückenpfeilern ausreichend Platz.

4. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Brückenstumpf zu beleuchten. Dies wäre allenfalls erforderlich gewesen, wenn sein Umfang und seine Ausmaße nicht erkennbar gewesen wären. Anders als in dem von dem Oberlandesgericht Karlsruhe (VkBl NT 1977 S. 393f.) entschiedenen Fall, worauf sich die Klägerin beruft, war der Brückenpfeiler zu keinem Zeitpunkt beleuchtet gewesen. Zu Recht hat das Oberlandesgericht Karlsruhe eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darin gesehen, dass eine seit Jahrzehnten vorhandene Lichtquelle, die zur Orientierungshilfe für die Schifffahrt geworden war, nicht rechtzeitig repariert worden war, ohne dass auf eine Veränderung hingewiesen wurde. So hatte das erkennende Gericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auch darin gesehen, dass die Lage einer für die Navigation von Schubschiffen bedeutsame Tonne im Bereich des Bremmer Bogens verändert wurde, ohne dass auf diese Veränderung hingewiesen wurde (Urteil vom 2. August 1995 - 4 C 9/95 BSchMo, insoweit bestätigend, jedoch ein Mitverschulden des Schiffsführers annehmend: OLG Köln mit Urteil vom 25. Juli 1997 - 3 U 135/95 BSchMo). Zwar stellte sich im vorliegenden Fall ebenfalls eine neue Situation dar: Die Beklagte hatte indes auf die Baustelle hingewiesen. Es oblag der Schiffahrt, sich auf die dort ihr bietende neue Situation einzustellen, wobei freilich nicht die Arbeiten auf der linken Moselseite, vielmehr die sich als Folge der Bauarbeiten veränderte Verkehrssituation zu beachten war.

5. Die Beklagte wäre auch nicht gemäß § 3.25 MoselSchPV bzw. in dessen entsprechender Anwendung genötigt gewesen, Leuchtzeichen anzubringen. Bei den dort genannten schwimmenden Geräten sowie bei festgefahrenen und gesunkenen Fahrzeugen handelt es sich um vorübergehende Hindernisse, deren Lage sich rasch verändern kann. Dagegen war der hier infrage stehende Brückenpfeiler seit langem vorhanden und als Hindernis bekannt. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe den Brückenpfeiler nach dem Unfallereignis durch Wahrschauflöße gesichert, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dies sei nur - entsprechend § 3.25 MoselSchPV - zur Kennzeichnung des gesunkenen Schiffes geschehen.

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 91 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.

Gemäß § 708 Nr. 11 ZPO war das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wobei gemäß § 711 ZPO Vollstreckungsnachlaß zu gewähren war.