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479 Z - 9/13 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 18.09.2013
Aktenzeichen: 479 Z - 9/13
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 18. September 2013

479 Z - 9/13

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aufgrund einer Schiffskollision, die sich am 20. Dezember 2007 gegen 19.30 Uhr bei Rheinkilometer 765,3 in der Ortslage Duisburg-Mündelheim ereignet hat. An der Kollision waren als Bergfahrer TMS „P“ und diesem auf gleichem Kurs folgend TMS „B“, als Talfahrer SV „C/G“ beteiligt. Zum Unfallzeitpunkt herrschte Dunkelheit und stellenweise Nebel. Alle beteiligten Fahrzeuge wurden in der Radarfahrt geführt; auf TMS „P“ und TMS „B“ war das System Tresco in Betrieb. Der Rhein beschreibt im Bereich der Unfallstelle aus Sicht der Talfahrt eine starke Rechtsbiegung. Im rechtsrheinischen Kurvenbogen befinden sich eine Kribbenlinie und Grund. Die 150 m breite Fahrrinne verläuft in der linksrheinischen Stromhälfte.

Vor der Kollision befand sich TMS „P“ (104,95 m lang, 10,54 m breit, Tragfähigkeit 2.531 t, Maschinenleistung 1.175 kW), das von dem Schiffsführer S geführt wurde, mit 2.200 l Kokosöl auf 3,20 m abgeladen auf der Bergfahrt von Rotterdam nach Düsseldorf. Ihm folgte das von Schiffsführer L geführte, ebenfalls voll beladene TMS „B“ (109,70 m lang, 11,45 m breit, Tragfähigkeit 2.375 t, Maschinenleistung 1.349 kW) im Abstand von etwa 200 m. Entgegen kam in der Talfahrt der 167,60 m lange, mit 2.130 t Rapssaat auf 2,40 m abgeladene Schubverband „C/G“, bestehend aus MS „C“ (85 m lang, 9,50 m breit, Tragfähigkeit 1.336 t, Maschinenleistung zweimal 1324 kW) und dem Schubleichter „G“ (82,60 m lang, 10,15 m breit, Tragfähigkeit 1.520 t). Im Steuerhaus des SV „C/G“ hielten sich Schiffsführer R, der das Rheinschifferpatent und das Radarpatent besitzt, als verantwortlicher Lotse und Schiffsführer B, der im Besitz des Radarpatents, aber nicht eines Rheinschifferpatents ist, auf. Während der Annäherung der Fahrzeuge fand zwischen TMS „P“ und SV „C/G“ Sprechfunkverkehr auf UKW-Kanal 10 statt, dessen Inhalt streitig ist.

Bei Rheinkilometer 765,3 kam es am rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne zur Kollision zwischen TMS „P“ und SL „G“, wobei beide Fahrzeuge jeweils im Bereich des Backbordvorschiffs beschädigt wurden. TMS „P“ trieb nach der Kollision zurück; dabei kam es zu einer Berührung seiner Hecksteuerbordseite mit dem Backbordvorschiff des TMS „B“. SV „C/G“ machte nach der Kollision am linksrheinischen Ufer fest. Der Schubleichter „G“ sank dort wegen Wassereinbruchs.

Die Klägerin ist Kaskoversicherer des TMS „B“. Sie hat dessen Eignerin die Reparaturkosten von 4.260 € erstattet und nimmt aus übergegangenem Recht die Beklagten - die Beklagte zu 1 als Eignerin des SV „C/G“ und die Beklagten zu 2 und 3 als dessen Schiffsführer – als Gesamtschuldner auf Ersatz dieses Betrages in Anspruch.

Sie hat vorgetragen:

TMS „P“ und TMS „B“ seien ab Rheinkilometer 769 schifffahrtsüblich mit Blinklicht und blauer Tafel im rechtsrheinischen Fahrwasser hintereinander am Grund entlang geführt worden. Für TMS „P“ sei Talfahrt – der SV „C/G“ – im Bereich der Rheinbrücke Krefeld (Rheinkilometer 764,1) sichtbar geworden. Der Talfahrer habe zunächst einen linksrheinischen Kurs eingehalten, sodass eine unproblematische Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu erwarten gewesen sei. Bei der Annäherung sei dann jedoch deutlich geworden, dass der Schubverband in eine Schräglage hin zum rechtsrheinischen Ufer geraten sei. Der Schiffsführer des TMS „P“ habe mehrfach über UKW-Kanal 10 eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord verlangt. Gleichwohl habe der Schubverband den Kollisionskurs beibehalten. TMS „P“ habe den Kurs noch weiter zum rechtsrheinischen Grund verändert, um dem Schubverband mehr Platz für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu lassen, und mit der Maschine rückwärts gemacht, bevor der Schubleichter gegen das Backbordvorschiff des TMS „P“ gestoßen sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 4.260,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2008 zu zahlen.

Die Streithelfer der Klägerin, die Eignerin des TMS „P“ und dessen Schiffsführer S, haben sich den Ausführungen und dem Klageantrag der Klägerin angeschlossen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1 und zu 2 haben vorgetragen:

Schiffsführer B habe in Annäherung an die Kollisionsstelle auf dem Radarschirm die Radarechos zweier Bergfahrer – TMS „P“ und TMS „B“ – bemerkt, die nicht wie üblich rechtsrheinisch, sondern dicht am linksrheinischen Ufer gefahren seien. Ihr Abstand zum rechtsrheinischen Ufer sei erheblich größer gewesen. Die Kurse der Bergfahrer seien eindeutig auf eine Begegnung Backbord an Backbord ausgerichtet gewesen. Der Kurs des SV „C/G“ sei noch weiter nach Steuerbord gelegt worden, um den Abstand für die Begegnung Backbord an Backbord zu vergrößern.

In einer Entfernung von etwa 1.100 m Kopf zu Kopf mit dem ersten Bergfahrer sei auf SV „C/G“ ein erster Funkspruch ohne Namensnennung und Positionsangabe empfangen worden, mit dem eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefordert worden sei. Schiffsführer B habe unter Namensnennung geantwortet, Backbord an Backbord solle beibehalten werden. Der Bergfahrer TMS „P“ habe gleichwohl seinen Kurs immer weiter nach rechtsrheinisch auf einen Kollisionskurs zu dem Schubverband verlegt. Gleichzeitig sei ein weiterer Funkspruch erfolgt, mit dem für den Schubverband die Begegnungsweisung Steuerbord an Steuerbord wiederholt worden sei. Schiffsführer B habe bei einer Entfernung der Schiffsköpfe von etwa 450 m sofort geantwortet, dass man eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord nicht durchführen könne, weil man schon so schnell nach rechtsrheinisch drehe.

Linksrheinisch hätten die Bergfahrer keine ausreichende Fahrrinnenbreite für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord offen gelassen. Es hätten lediglich etwa 65 m zur Verfügung gestanden, die für eine Begegnung des Schubverbandes in der Kurvenfahrt und bei Nebel nicht ausreichend gewesen seien (Beweis: Sachverständigengutachten). Durch eine leichte Kurskorrektur nach Steuerbord hätte TMS „P“ die Kollision vermeiden können, wohingegen der beladene Schubverband seinen Kurs nicht kurzfristig habe ändern können. Stattdessen sei eine neue Funkdurchsage von TMS „P“ erfolgt: „Nein, Steuerbord an Steuerbord.“ Schiffsführer B habe sofort geantwortet, dass das so nicht gehe, man solle Backbord an Backbord bleiben. TMS „P“ habe seinen Kurs gleichwohl nicht geändert. Schiffsführer B habe die Maschine vor der Kollision auf „Zurück“ gestellt.

Die Kollision sei allein von der Schiffsführung des TMS „P“ verursacht worden. Sie habe dem Schubverband keinen geeigneten Weg für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gewiesen und mit der Kursänderung gegen § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV verstoßen. Die nautische Sorgfaltspflicht als Bergfahrer habe es erfordert, einen von der nicht durchführbaren Kursweisung abweichenden Kurs zu wählen, um eine gefahrlose Begegnung zu ermöglichen.

Schiffsführer L habe erkennen können, dass TMS „P“ einen gefährlichen Kurs gefahren sei. Durch seinen eigenen Kurs in zu geringem Sicherheitsabstand und seine zu hohe Geschwindigkeit hinter TMS „P“ habe er selbst die Ursache für die Kollision mit TMS „P“ gesetzt; er hätte früher anhalten und wenden müssen.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien TMS „P“ und dahinter TMS „B“ zumindest ab Rheinkilometer 768,05 in der rechtsrheinischen Hälfte der Fahrrinne gefahren. Bei Rheinkilometer 767,47 sei eine Begegnung mit zwei sich überholenden Talfahrern Steuerbord an Steuerbord erfolgt. TMS „P“ und TMS „B“ hätten bei km 767,0, km 766,7, km 766,23, km 766,08 und km 765,9 ihren Kurs auf der rechten Fahrrinnenseite beibehalten. Bei km 765,6 habe sich TMS „P“ weiter zum rechten Fahrrinnenrand bewegt. TMS „B“ sei TMS „P“ leicht nach Steuerbord versetzt in einem Abstand von etwa 190 m gefolgt. Bei km 765,8 habe sich der Kopf des SV „C/G“ ungefähr in Fahrrinnenmitte, bei km 765,75 über der Fahrrinnenmitte und bei km 765,6 fast am rechten Fahrrinnenrand befunden.

Dies folge aus der Auswertung der Radaraufzeichnungen des TMS „B“ durch den Sachverständigen Dr.-Ing. S in dessen am 2. Oktober 2009 erstellten Gutachten, dem das Gericht folge und dessen Richtigkeit von keiner der Parteien angezweifelt werde. Aus dem Privatgutachten des Sachverständigen B ergebe sich nichts anderes. Das Gutachten übernehme die Bildauswertung des Sachverständigen Dr.-Ing. S, jedoch ohne die unterlegte Tresco-Karte. Zudem verhalte es sich erst ab dem Zeitpunkt 19:25:35 bei Rheinkilometer 765,70. Zu diesem Zeitpunkt habe der Abstand Bug zu Bug von TMS „P“ und SV „C/G“ nur noch etwa 450 m betragen. Bei dem Gutachten blieben die im Zuge der Annäherung vorgenommenen Kursänderungen, auf die es entscheidend ankomme, außer Betracht.

Nach dem Gutachten Dr.-Ing. S stehe fest, dass TMS „P“ und TMS „B“ vor der Kollision einen Kurs im rechtsrheinischen Fahrwasser eingehalten hätten. Die Behauptung der Beklagten, die beiden Schiffe hätten in einer Bugentfernung von 1.100 m zwischen TMS „P“ und SV „C/G“ ihren Kurs von linksrheinisch nach rechtsrheinisch geändert, habe keine Bestätigung gefunden. Bei der Annäherung der Schiffe habe SV „C/G“ durchgängig hinreichend Raum für eine gefahrlose Begegnung mit den beiden Bergfahrern Steuerbord an Steuerbord gehabt. Wenn der Schubverband seinen zuvor gefahrenen Kurs nicht nach rechtsrheinisch verändert hätte, wäre es nicht zu der Kollision gekommen. Die Behauptung der Beklagten, es habe für den Schubverband nur eine Fahrrinnenbreite von 65 m für die Begegnung zur Verfügung gestanden, sei durch das Gutachten Dr.-Ing. S widerlegt. Bei einer Fahrrinnenbreite von etwa 150 m und einem Kurs der Bergfahrer, der nie weiter als 25 m (TMS „P“) beziehungsweise 40 m (TMS „B“) vom rechtsrheinischen Fahrrinnenrand entfernt gewesen sei, sei für die Talfahrt eine Fahrrinnenbreite von mindestens 110 m für die Vorbeifahrt verblieben, bei der auch in der Kurvenfahrt und bei Nebel eine gefahrlose Begegnung möglich gewesen sei.

Die Aussagen der im Verklarungsverfahren vernommenen Schiffsführer B und R seien durch die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens widerlegt. Die Wahrnehmung des Radarbildes durch die Zeugen stimme nicht mit dem durch die von dem Sachverständigen ausgewerteten Tresco-Aufzeichnungen belegten objektiven Geschehen überein. Vermutlich hätten sich die beiden Schiffsführer bei der Deutung der Radarechos von der Strombreite irritieren lassen und nicht den Verlauf der Fahrrinne berücksichtigt.

Unstreitig sei von TMS „P“ ohne Namensnennung und Positionsangabe aus einer Entfernung von etwa 1.100 m eine erste Begegnungsweisung Steuerbord an Steuerbord erfolgt, die von den Schiffsführern des SV „C/G“ auch auf den ersten auf dem Radarschirm erkannten Bergfahrer bezogen worden sei. Der weitere Funkverkehr sei von den Zeugen unterschiedlich geschildert worden. Fest stehe lediglich, dass der Schiffsführer B geantwortet und eine Begegnung Backbord an Backbord vorgeschlagen habe und dass TMS „P“ in einem weiteren Funkspruch an der Begegnungsweisung Steuerbord an Steuerbord festgehalten habe.

Durch die Aussagen der Schiffsführer S, W und L sei weiter bewiesen, dass TMS „P“ bereits vor dem Sichtkontakt mit SV „C/G“ Funkellicht und Tafel für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord gesetzt gehabt habe. Schiffsführer B habe das nicht in Abrede gestellt, sondern nur angegeben, er habe die Zeichen erst gesehen, als es für eine Kursänderung schon zu spät gewesen sei.

Angesichts dieser festgestellten Tatsachen habe die Klägerin aus eigenem beziehungsweise abgetretenem Recht Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte zu 1 gemäß § 3 Abs. 1, §§ 92 ff. BinSchG und gegen die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner gemäß § 823 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB. Der Zusammenstoß sei allein durch das fahrlässige nautische Fehlverhalten der Beklagten zu 2 und 3 verursacht worden, für das die Beklagte zu 1 als Eignerin des Schubverbands mit einzustehen habe. Die Beklagten zu 2 und 3 hätten gegen § 6.04 Nr. 3, 5 RheinSchPV verstoßen, weil sie der von TMS „P“ erteilten Begegnungsweisung nicht Folge geleistet hätten. Sie hätten in der Radarfahrt nicht den ihnen vom Bergfahrer gewiesenen Weg genommen, sondern entgegen § 6.32 Nr. 2 b RheinSchPV vor einer Begegnungsweisung der Bergfahrt ohne Absprache über Kanal 10 den Kurs eingeschlagen, der letztlich zur Kollision der Schiffe geführt habe.

Die in einer Entfernung von etwa 1.100 m erteilte Begegnungsweisung sei rechtzeitig erfolgt und hätte von dem Talfahrer beachtet werden können und müssen. Schiffsführer B habe nicht seinerseits einen anderen Begegnungskurs vorschlagen dürfen. Er und Schiffsführer R hätten sich über Kanal 10 vergewissern müssen, ob MS „P“ wirklich, wie vermutet, linksrheinisch gefahren sei. Die von TMS „P“ erteilte Weisung habe zudem aus der Sicht der Schiffsführer B und R in Widerspruch zu dem von ihnen irrtümlich angenommenen, in diesem Flussabschnitt nicht schifffahrtsüblichen Kurs des Bergfahrers gestanden. Wenn diese Nachfrage erfolgt wäre, hätte der Kurs des SV „C/G“ noch rechtzeitig korrigiert werden können.

Zu Lasten der Klägerin sei kein Mitverursachungsbeitrag des Schiffsführers S des TMS „P“ zu berücksichtigen. Angesichts des beständigen Kurses des TMS „P“ im rechtsrheinischen Fahrrinnenbereich habe für Schiffsführer S keine Veranlassung bestanden, der Bitte des Talfahrers nachzukommen und seinen Kurs zum linksrheinischen Fahrrinnenrand zu verlegen. Er habe durch die von dem Sachverständigen dokumentierte leichte Kursänderung zum rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne den für die gewiesene Begegnung zur Verfügung stehenden Raum noch erweitert. Sein Kurs habe die Gefahr eines Zusammenstoßes ausgeschlossen; er sei gemäß § 6.03 Nr. 3 RheinSchPV verpflichtet gewesen, diesen Kurs beizubehalten. Zur Missachtung der eigenen Kursweisung sei er auch angesichts der erkannten Steuerbordschräglage des Schubverbands nicht verpflichtet gewesen. Die allgemeine nautische Sorgfaltspflicht des § 1.04 RheinSchPV erlege zwar jedem Schiffsführer auf, unabhängig von gegebenen Kursweisungen alles zu tun, um eine drohende Kollision zu vermeiden. Der Bergfahrer habe hier aber keinen Steuerbordkurs einschlagen müssen, um eine Begegnung Backbord an Backbord zu ermöglichen. Die höchstrichterliche Entscheidung, auf die die Beklagten sich beriefen (BGH, Urteil vom 29.5.1972, VersR 1972, 875), betreffe einen anders gelagerten Fall.

Die von Schiffsführer S über Kanal 10 ausgesprochene Begegnungsweisung habe zwar nicht den Anforderungen des § 6.32 Nr. 4 RheinSchPV entsprochen. Dieser Verstoß sei aber für die weitere Entwicklung des Geschehens nicht bedeutsam gewesen. Die Kursweisung sei auf SV „C/G“ von den Schiffsführern B und R verstanden und zutreffend auf den ersten von ihnen erkannten Bergfahrer bezogen worden.

Dass Schiffsführer S das TMS „P“ im Kurvenbereich nicht außerhalb der Fahrrinne näher am rechtsrheinischen Ufer über Grund geführt habe, was angesichts des hohen Wasserstandes möglich gewesen wäre, stelle kein nautisches Fehlverhalten dar. Zwar wäre in diesem Fall das Radarbild auf SV „C/G“ möglicherweise nicht fehlgedeutet worden. Von Schiffsführer S habe jedoch nicht verlangt werden können, ohne Not die Fahrrinne zu verlassen und einen Kurs zu fahren, von dem er nicht habe sicher sein können, ob dem beladenen Schiff genügend Flottwasser verbleiben würde.

Als sich die Kollision abgezeichnet habe, habe Schiffsführer S sich den Anforderungen des § 6.32 Nr. 2 d RheinSchPV entsprechend verhalten. Er habe ein akustisches Warnsignal gegeben und mit der Maschine rückwärts gemacht.

Dem Schiffsführer des TMS „B“ sei ebenfalls kein für die Kollision mit TMS „P“ ursächliches nautisches Fehlverhalten vorzuwerfen.

Schiffsführer L habe insbesondere nicht gegen § 6.09 RheinSchPV verstoßen. Er habe auf das langsamer fahrende TMS „P“ auffahren dürfen, um es zu überholen, was angesichts der Fahrrinnenbreite von 150 m gefahrlos möglich gewesen sei.

Ein Verstoß gegen § 1.04 b RheinSchPV liege ebenfalls nicht vor. Bei der Annäherung des Schubverbands habe auch TMS „B“ einen Kurs näher zum rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne eingeschlagen, um eine gefahrlose Begegnung Steuerbord an Steuerbord zu ermöglichen. Beim Erkennen der Kollisionsgefahr habe Schiffsführer L ausgekuppelt und so die Geschwindigkeit reduziert. Er sei nicht verpflichtet gewesen, den Abstand zu dem vorausfahrenden TMS „P“ zu vergrößern, als auf dem Radarschirm Talfahrt erkennbar geworden sei. Als er die Steuerbordquerlage des Schubverbands erkannt habe, habe er von dem Überholmanöver Abstand genommen, den Kurs nach Backbord gelegt und die Geschwindigkeit reduziert. Damit habe er alles getan, was von einem nautisch verantwortlich handelnden Schiffsführer in der gegebenen Situation vorausschauend an Vorsichtsmaßnahmen habe ergriffen werden können. Auch sein Manöver des letzten Augenblicks – die Einleitung eines Wendemanövers über Steuerbord – stelle bei objektiver Betrachtung der Umstände die einzig mögliche Reaktion auf das Unfallgeschehen vor ihm dar. Dass es gleichwohl zu einer leichten Berührung mit dem Heck von TMS „P“ gekommen sei, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Schließlich habe Schiffsführer L auch nicht gegen die Kursweisungspflicht des § 6.04 RheinSchPV verstoßen. Da TMS „B“ dem vorausfahrenden TMS „P“ auf gleichem Kurs in kurzem Abstand gefolgt sei, sei eine weitere identische Kursweisung nicht erforderlich, eine abweichende Kursweisung nicht zulässig gewesen. Bei ordnungsgemäßer Auswertung des Radarbilds sei der Kurs des TMS „B“ ebenso eindeutig gewesen wie der des vorausfahrenden TMS „P“.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten, jeweils mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese auch form- und fristgerecht begründet.

Die Beklagten wenden sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts sowie gegen dessen Auffassung, das alleinige Verschulden an der Schiffskollision zwischen dem Schubverband und TMS „P“ sowie zwischen diesem und TMS „B“ treffe die Besatzung des SV „C/G“. Sie tragen im Wesentlichen vor:

Zur Unfallzeit sei der Wasserstand des Rheins sehr hoch gewesen (Pegel Ruhrort 4,80 m), so dass der Rhein in seiner ganzen Breite von 320 m und nicht nur im Bereich der linksrheinisch verlaufenden Fahrrinne befahrbar gewesen sei. TMS „P“ und TMS „B“ hätten deshalb außerhalb der Fahrrinne über den rechtrheinischen Grund fahren können und müssen, um der Talfahrt einen klaren Kurs zu zeigen und eine gefahrlose Begegnung in der scharfen Biegung des Stroms zu ermöglichen und dem beladenen SV „C/G“ den wegen der starken Strömung benötigten Raum zum Freifahren des Hecks vom linksrheinischen Hang zu geben. Wegen des unklaren Kurses des TMS „P“ und der Ungewissheit hinsichtlich der Absichten des diesem nach Steuerbord versetzt folgenden TMS „B“ sei eine gefahrlose Begegnung Steuerbord an Steuerbord nicht möglich gewesen, so dass die Schiffsführung des SV „C/G“ sich zu Recht auf eine Begegnung Backbord an Backbord eingerichtet habe. Dass die Kurse der drei beteiligten Fahrzeuge bis kurz vor der Kollision auf eine Begegnung Backbord an Backbord ausgelegt gewesen seien und eine solche Begegnung auch unproblematisch möglich gewesen wäre, ergebe sich auch aus der Auswertung der von TMS „B“ aufgenommenen Radarbilder durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. B. Diese Auswertung zeige unter Berücksichtigung der jeweiligen Kurs- und Vorauslinien, dass es sich bei der Entscheidung des Bergfahrers TMS „P“, dem talfahrenden SV „C/G“ Steuerbord an Steuerbord begegnen zu wollen, um eine krasse nautische Fehlentscheidung gehandelt habe, weil TMS „P“ dazu einen gefahrenträchtigen und waghalsigen kreuzenden Kurs habe fahren müssen, der zwangsläufig zur Kollision mit der Talfahrt geführt habe. Ebenso wie in dem vom Bundesgerichtshof am 29. Mai 1972 entschiedenen Fall treffe daher die Bergfahrt das alleinige Verschulden an der Kollision. Zusätzlich und noch deutlicher als in dem dort entschiedenen Fall habe die Schiffsführung des SV „C/G“ die Bergfahrt wiederholt auf Kanal 10 darauf hingewiesen, sie möge den ungefährlichen Kurs zur Begegnung Backbord an Backbord beibehalten, weil eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord nicht möglich sei. Aus den von dem Sachverständigen Dr.-Ing. S ausgewerteten Lichtbildern gehe deutlich hervor, dass der talfahrende Schubverband seit dem Insichtkommen für die Bergfahrer konsequent und deutlich sichtbar zum geographisch rechten Rheinufer gewechselt sei, um wie angekündigt der Bergfahrt Backbord an Backbord zu begegnen. Angesichts dessen sei die Fahrweise des TMS „P“ völlig unverständlich und inakzeptabel, weil TMS „P“ sehenden Auges in den Kurs des talfahrenden Schubverbands gefahren sei, obwohl eine Kurskorrektur nach Steuerbord zum geographisch linken Ufer problemlos möglich gewesen sei. Da Schiffsführer B über Funk deutlich und unmissverständlich eine Begegnung Backbord an Backbord erbeten und konsequent seinen Steuerbordkurs beibehalten habe, hätte die Bergfahrt Veranlassung gehabt, ihre Kursweisung zurückzuziehen, statt ihre vermeintliche Vorfahrt durchzusetzen. Der Schiffsführer des TMS „P“ habe in dieser nautisch gefährlichen Situation alles falsch gemacht, so dass ihn das Alleinverschulden an der Kollision treffe. Ein Mitverschulden der Schiffsführung des SV „C/G“ sei nicht ersichtlich, da der Schubverband durch die nautische Situation und den eingeschlagenen Kurs gezwungen gewesen sei, weiter zum rechten Ufer zu halten. Er habe im Übrigen darauf vertrauen können, dass der Bergfahrer den nautischen Gegebenheiten Folge leisten und eine bis zuletzt problemlos mögliche und ausdrücklich erbetene Begegnung Backbord an Backbord durchführen werde.

Die Beklagte zu 1 und 2 machen darüber hinaus geltend:

Die Schiffsführung des TMS „B“ hätte angesichts des sich zu Tal nähernden Schubverbands schon nicht zum Überholen des TMS „P“ ansetzen und diesem dichter auflaufen dürfen, weil dadurch der Talfahrt an der Steuerbordseite des TMS „P“ kein ausreichender Raum für die von diesem „gewünschte“ Begegnung verblieben sei und außerdem Überholmanöver bei schlechter Sicht und Gegenverkehr stets unzulässig seien.

Schiffsführer L habe es angesichts der sich nähernden Talfahrt pflichtwidrig unterlassen, sich auf UKW-Kanal 10 zu melden und der Talfahrt die für die Sicherheit des Schiffsverkehrs erforderlichen Informationen zu geben, insbesondere unter Nennung des Schiffsnamens und der Position die Talfahrt von seinem beabsichtigten Verhalten, über den von ihm beabsichtigten Kurs und eine von ihm zu erfolgende Kursweisung zu unterrichten.

Schiffsführer L habe schon weit vor der Kollision des TMS „P“ mit dem Schubverband erkennen können, dass der von TMS „P“ eingeschlagene Kollisionskurs unmittelbar zu einer schweren Kollision mit dem Schubverband führen musste. Er hätte daher sofort abstoppen, einen ausreichenden Sicherheitsabstand herstellen und nach Steuerbord ausweichen müssen, anstatt wie geschehen mit unverminderter Geschwindigkeit dicht hinter dem Heck des TMS „P“ herzufahren und diesem in seinem gefährlichen Kollisionskurs zu folgen. Allein dieses nautisch grob fahrlässige Verhalten habe dazu geführt, dass TMS „B“ mit dem Heck des TMS „P“ kollidiert sei, weil es diesem zu dicht aufgefahren sei.

Deshalb könne das – im Übrigen viel zu spät eingeleitete – Wendemanöver des TMS „B“ auf gar keinen Fall als Manöver des letzten Augenblicks bewertet werden.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgericht – Duisburg-Ruhrort vom 17. Oktober 2011 – 5 C 36/09 BSch – zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und treten dem Berufungsvorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat der Schadensersatzklage zu Recht stattgegeben. Die in Rede stehende Schiffskollision ist von den Beklagten zu 2 und 3 als Besatzungsmitgliedern des SV „C/G“ schuldhaft verursacht worden, so dass sie der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1, § 840 BGB als Gesamtschuldner den hierdurch an TMS „B“ eingetretenen Schaden zu ersetzen haben. Die Beklagte zu 1 als Eignerin des SV „C/G“ haftet gemäß §§ 3, 92 ff. BinSchG gesamtschuldnerisch für den von den Beklagten zu 2 und 3 als Besatzungsmitgliedern des Schubverbands verursachten Schaden. Den Schiffsführer des TMS „P“ trifft kein Mitverschulden an der Schiffskollision mit SV „C/G“ und der anschließenden Berührung mit TMS „B“. Auch ein Mitverschulden des Schiffsführers des TMS „B“ an der Kollision zwischen diesem und TMS „P“ hat das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht verneint.

Die Beklagten zu 2 und 3, die gemeinsam den SV „C/G“ zur Unfallzeit auf dem Rhein zu Tal führten, haben grob schuldhaft gegen die Vorschrift des § 6.04 Nr. 5 RheinSchPV verstoßen.

Begegnen sich Berg- und Talfahrt auf dem Rhein, so müssen - von bestimmten vorliegend nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - die Bergfahrer den Talfahrern den Weg weisen und die Talfahrer die Weisung befolgen (§ 6.04 RheinSchPV). Diese Regelung bezweckt, mehr Klarheit für die Begegnungskurse zwischen Berg- und Talfahrt zu schaffen und damit die Sicherheit des Schiffsverkehrs zu erhöhen (BGH VersR 1989, 216). Dieser Zweck erfordert es, dass die Talfahrer auch eine (vermeintlich) nicht sachgemäße oder an sich zeitiger gebotene Kursweisung der Bergfahrer befolgen müssen (BGH aaO m.w.N.; Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt vom 18. März 2013 – 475 Z). Das gilt nur dann nicht, wenn ein Bergfahrer entgegen § 6.04 Nr. 1 RheinSchPV keinen geeigneten Weg für den Talfahrer freigelassen hat oder wenn sonst Umstände vorliegen, die es der Talfahrt nach § 1.05 RheinSchPV erlauben, von der Kursweisung des Bergfahrers abzuweichen. Den Beweis dafür hat der Talfahrer zu erbringen.

Bei Zugrundelegung dieser Regel war es der Schiffsführung des SV „C/G“ nicht erlaubt, unter Missachtung der Kursweisung des zu Berg kommenden TMS „P“ den Kurs wie geschehen nach rechtsrheinisch auf eine Begegnung Backbord an Backbord auszurichten.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat es auf Grund der Aussagen der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen als erwiesen angesehen, dass der Schiffsführer des TMS „P“ mittels einer ersten Funkdurchsage auf UKW-Kanal 10 für die anstehende Begegnung eine Kursweisung Steuerbord an Steuerbord für die Talfahrt erteilt hat und dass die Beklagten zu 2 und 3 diese Kursweisung – ungeachtet der fehlenden Angaben zu Name und Art des Fahrzeugs, Standort und Position – zutreffend dem ersten auf dem Radarbild sichtbaren Bergfahrer (TMS „P“) zugeordnet und auf den von ihnen zu Tal geführten Schubverband bezogen haben.

Zu diesem Zeitpunkt betrug die Entfernung Bug zu Bug zwischen TMS „P“ und dem SV „C/G“ nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien ca. 1.100 m. Auf diese Entfernung war es ohne jeden Zweifel möglich, der Kursweisung Folge zu leisten und durch Einhaltung eines Kurses im linksrheinischen Teil der 150 m breiten Fahrrinne die anstehende Begegnung mit der Bergfahrt Steuerbord an Steuerbord durchzuführen. Auch die Beklagten stellen dies nicht in Abrede, sondern machen nur geltend, dass zu einem späteren Zeitpunkt, als sich der Abstand zwischen den Fahrzeugen verringert und der Schubverband auf Steuerbordkurs bereits im rechtrheinischen Teil der Fahrrinne fuhr, eine Kursänderung des Schubverbands nach Backbord nicht mehr gefahrlos möglich gewesen sei. Das vermag die Schiffsführung des Schubverbands indessen nicht zu entlasten, denn diesen weisungswidrig auf eine Begegnung Backbord an Backbord ausgerichteten Kurs durfte der talfahrende Schubverband schon gar nicht einschlagen.

Die Beklagten haben ihre abweichenden Behauptungen zur Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge bei der Annäherung an die Unfallstelle nicht zu beweisen vermocht. Den Angaben der Schiffsführer B und R im Verklarungsverfahren zu einem angeblich zunächst linksrheinischen Kurs der Bergfahrer stehen nicht nur die Aussagen der Schiffsführer des TMS „P“ und des TMS „B“, sondern auch die Auswertung der Radaraufzeichnungen auf TMS „B“ durch den Sachverständigen Dr.-Ing. S entgegen. Denn danach fuhren die beiden Bergfahrer bereits ab Rheinkilometer 768 ständig im rechtrheinischen Teil der Fahrrinne mit einem seitlichen Abstand zum rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne von maximal 40 m. Dem zu Tal kommenden Schubverband stand somit durchgängig die verbleibende Fahrrinnenbreite von mehr als 100 m für die gewiesene Begegnung Steuerbord an Steuerbord zur Verfügung. Dass diese Fahrrinnenbreite nicht ausgereicht hätte, um die aus Sicht der Talfahrt starke Rechtskurve zu passieren, ohne in den linksrheinischen Hang zu verfallen, machen die Beklagten selbst nicht geltend. Damit ist den Beklagten der ihnen obliegende Beweis ihrer Behauptung, die Bergfahrt habe dem Talfahrer keinen geeigneten Weg für die geforderte Begegnung Steuerbord an Steuerbord gewiesen, nicht gelungen. Denn wie das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend ausgeführt hat, hätte die Schiffsführung des SV „C/G“ nichts weiter tun müssen, als den ursprünglichen Kurs im linksrheinischen Teil der Fahrrinne beizubehalten, um die anstehende Begegnung Steuerbord an Steuerbord gefahrlos durchführen zu können.

Jedenfalls aber hätte die Schiffsführung des SV „C/G“ den weisungswidrig zum rechtsrheinischen Ufer hin ausgerichteten Kurs unverzüglich nach Backbord ändern müssen, nachdem ihr Ansinnen, die Begegnung mit der Bergfahrt Backbord an Backbord durchzuführen, vom Schiffsführer des TMS „P“ abgelehnt und die Begegnungsweisung Steuerbord an Steuerbord ausdrücklich wiederholt worden war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die Schiffsführung des SV „C/G“ Veranlassung gehabt, sich über den Verlauf der Fahrrinne im Bereich der anstehenden Begegnung zu vergewissern und ihre bisherige Auswertung des Radarbilds unter Berücksichtigung des Verlaufs der Fahrrinne zu überprüfen. Dass dergleichen geschehen sei, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen. Stattdessen haben die Schiffsführer des SV „C/G“ unter fortgesetzter Missachtung der Begegnungsweisung des TMS „P“ den nach rechtsrheinisch gerichteten Kurs beibehalten und die von der Bergfahrt ausdrücklich abgelehnte Begegnung Backbord an Backbord zu erzwingen versucht. Ein solches Verhalten ist in höchstem Maße unverantwortlich und als besonders grobes Verschulden zu werten.

Ein Mitverschulden des Schiffsführers S des TMS „P“ hat das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht verneint.

Die Beklagten haben ihre Behauptung, TMS „P“ habe einen auf eine Begegnung Backbord an Backbord ausgerichteten, zumindest aber unklaren Kurs gefahren, angesichts des Ergebnisses der gutachterlichen Auswertung der Radaraufzeichnungen auf TMS „B“ nicht beweisen können. Dabei kann dahinstehen, welcher Erkenntniswert dem von den Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B beizumessen ist. Denn jedenfalls die Auswertungen der mit der Tresco-Karte unterlegten Radaraufzeichnungen durch den gerichtlichen Gutachter Dr.-Ing. S belegen das Gegenteil der von den Beklagten behaupteten Fahrweise der Bergfahrt. Ein Bergfahrer, der wie TMS „P“ beständig den rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne anhält und an seiner Steuerbordseite mehr als 100 m Raum für die Begegnung mit der Talfahrt lässt, hat seinen Kurs – für die Talfahrt offensichtlich – nicht auf eine Begegnung Backbord an Backbord ausgerichtet. Diese Erkenntnis hätte sich auch der Schiffsführung des SV „C/G“ aufdrängen müssen, wenn sie das Radarbild unter Berücksichtigung des Verlaufs der Fahrrinne ausgewertet hätte.

Der Umstand, dass Schiffsführer S das TMS „P“ innerhalb der Fahrrinne an deren rechtsrheinischem Rand zu Berg führte und nicht einen Kurs außerhalb der Fahrrinne über den rechtsrheinischen Grund wählte, ist dem Schiffsführer des TMS „P“ nicht als Verschulden anzulasten. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Wasserstand; wie die Beklagten behaupten, einen solchen Kurs risikolos erlaubt hätte. Denn für ein Verlassen der Fahrrinne bestand weder eine Notwendigkeit noch auch nur ein erkennbarer Anlass. Wie bereits ausgeführt wurde, standen dem zu Tal kommenden Schubverband für die gewiesene Begegnung Steuerbord an Steuerbord zwei Drittel der Fahrrinnenbreite und damit bei weitem ausreichend Raum zur Verfügung.

 

Ein Mitverschulden des Schiffsführers S lässt sich schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daraus herleiten, dass TMS „P“ zur Vermeidung der drohenden Kollision weiter nach Backbord ausgewichen ist und nicht, wie es die Beklagten für richtig halten, Steuerbordruder gelegt hat, um den Schubverband Backbord an Backbord zu passieren. Schiffsführer S konnte vielmehr auch unmittelbar vor der Kollision erwarten, dass die Schiffsführung des SV „C/G“ den weisungswidrigen Versuch einer Begegnung Backbord an Backbord aufgeben und den in Steuerbordschräglage zu Tal kommenden Schubverband noch so weit aufstrecken würde, dass die Begegnung Steuerbord an Steuerbord würde durchgeführt werden können. Hätte Schiffsführer S in dieser Situation seinerseits unter Missachtung der eigenen Kursweisung im letzten Augenblick Ruder nach Steuerbord gelegt, wäre er Gefahr gelaufen, in den Kurs des aufstreckenden Schubverbands zu geraten. Dass Schiffsführer S dieses Risiko nicht eingegangen ist, kann ihm nicht als nautisches Fehlverhalten angelastet werden.

Zu Unrecht berufen sich die Beklagten für ihre gegenteilige Auffassung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 1972 (VersR 1972, 875). Mit der vom Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung beurteilten Situation ist der vorliegende Fall, wie die Klägerin und ihre Streithelferin mit Recht geltend machen, nicht vergleichbar. Nach den Radaraufzeichnungen auf TMS „B“ näherten sich beide Bergfahrer der Talfahrt ohne eine Kursänderung beständig nahe am rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne. Nach den Aussagen der im Verklarungsverfahren vernommenen Zeugen gab TMS „P“ eine von der Talfahrt auch richtig zugeordnete Kursweisung für eine Begegnung Steuerbord an Steuerbord und lehnte die von der Talfahrt geforderte Begegnung Backbord an Backbord - unter Wiederholung der Begegnungsweisung Steuerbord an Steuerbord - ausdrücklich ab. Bei dieser Ausgangslage war aus der Sicht der Schiffsführung des TMS „P“ keineswegs sicher absehbar, dass SV „C/G“ den auf eine Begegnung Backbord an Backbord ausgerichteten Kurs zum rechtsrheinischen Ufer beibehalten und nicht endlich die – wiederholte – Kursweisung befolgen und aus der Steuerbordschräglage aufstrecken würde. Wenn Schiffsführer S sich in dieser Situation dafür entschied, dem nahenden Schubverband nach Backbord über den Fahrrinnenrand hinaus auszuweichen, um der Talfahrt die gesamte Breits der Fahrrinne für die Begegnung zu überlassen, anstatt riskant die eigene Kursweisung zu missachten und Gefahr zu laufen, in den zu korrigierenden Kurs der Talfahrt zu geraten und zudem, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, das auf gleichem Kurs in kurzem Abstand folgende TMS „B“ in größte Schwierigkeiten zu bringen, so kann ihm dies nicht als Mitverschulden angelastet werden. Das Rheinschifffahrtsobergericht Köln hat mit Urteil vom 1. August 1995 (ZfB Slg. S. 1586 f.) für einen im Wesentlichen vergleichbaren Fall ein Mitverschulden des auf seiner Kursweisung beharrenden Bergfahrers mit folgender Begründung verneint:

„Durch Kursweisung festgelegte gefahrlose Kurse dürfen grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden. Gerade ein Abweichen von dem festgelegten Kurs auf eine kurze Entfernung erhöht die Gefahr des Zusammenstoßes erheblich. Wenn der Bergfahrer erkennt, dass seine Kursweisung von dem Talfahrer nicht beachtet wird, kann es allerdings seine nautische Sorgfaltspflicht gebieten, einen von der Weisung abweichenden Kurs zu wählen, um eine Kollision zu vermeiden. Im vorliegenden Fall war Schiffsführer H aber nicht gehalten, noch den Versuch zu unternehmen, die von dem Talfahrer gewünschte Begegnung Steuerbord/Steuerbord durchzuführen. Nachdem die zuvor gefahrenen Kurse eine problemlose Begegnung Backbord/ Backbord entsprechend der von Schiffsführer H erteilten Kursweisung ermöglicht hatten - MTS "O" stand mehr als die Hälfte des Fahrwassers nach rechtsrheinisch hin zur Verfügung - und die Schiffe nun … mit den Köpfen aufeinander zufuhren, wäre es Sache des (Talfahrers) gewesen, der Kursweisung des Bergfahrers endlich Folge zu leisten und seinerseits nach Steuerbord auszuweichen, statt in Richtung auf das linksrheinische Ufer zu rudern.“

Diesen Erwägungen tritt die Berufungskammer in vollem Umfang bei.

Auch ein eigenes Verschulden des Schiffsführers des TMS „B“ an der Kollision mit TMS „P“ ist nicht gegeben.

Das beabsichtigte Überholmanöver, das angesichts der Fahrrinnenbreite von ca. 150 m ohne weiteres zulässig gewesen wäre, hat Schiffsführer L bereits aufgegeben, als der Schubverband vor dem ersten Sprechfunkkontakt erstmals in Steuerbordschräglage auf dem Radarschirm zu sehen war. Von da an hielt TMS „B“ mit reduzierter Geschwindigkeit und einem Abstand von maximal 40 m den rechtsrheinischen Rand der Fahrrinne an.

Das Unterlassen der von den Beklagten vermissten Angaben auf UKW-Kanal 10 seitens TMS „B“ war für die Kollision zwischen SV „C/G“ und TMS „P“ offensichtlich nicht kausal.

Dass TMS „B“ angesichts der Begegnungsweisung des vorausfahrenden TMS „P“ diesem weiter folgte und seinen Kurs nicht nach Steuerbord richtete, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Beibehaltung des rechtsrheinischen Kurses des TMS „P“.

Von einem zu geringen Sicherheitsabstand des TMS „B“ zu dem vorausfahrenden TMS „P“ kann keine Rede sein. Der Abstand des Kopfs des TMS „B“ zum Heck des TMS „P“ betrug nach der Auswertung der Radaraufzeichnungen durch den Sachverständigen Dr.-Ing. S 190 bis 200 m und verringerte sich erst durch die Kollision des TMS „P“ mit dem Schubverband auf 160 m. Zu der Berührung zwischen TMS „P“ und TMS „B“ kam es nicht wegen eines zu geringen Sicherheitsabstands, sondern deswegen, weil TMS „P“ infolge der Anfahrung durch SV „C/G“ zurück trieb.

Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgerichts – Duisburg-Ruhrort vom 17. Oktober 2011 – 5 C 36/09 BSch – in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelfer der Klägerin zu tragen.

Die Gerichtskanzlerin:                                                                    Die Vorsitzende