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I 381/60 U - Bundesfinanzhof (-)
Entscheidungsdatum: 29.01.1964
Aktenzeichen: I 381/60 U
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesfinanzhof München
Abteilung: -

Leitsatz:

Die Tätigkeit eines Eichaufnehmers und beeidigten Schiffs- und Ladungssachverständigen ist freiberuflich, wenn seine Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage beruht und seine Tätigkeit an die durch seine Ausbildung erworbenen Kenntnisse anknüpft.

 

Urteil des Bundesfinanzhofs

vom 29. Januar 1964

I 381/60 U


Zum Tatbestand:

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat nach Erlangung der mittleren Reife, der Absolvierung der Seefahrtsschule und der Ablegung des Steuermanns- und Kapitänsexamens nach dem Kriege zunächst einen Binnenschifffahrtsbetrieb unterhalten. Seit 1956 ist er als beeidigter Eichaufnehmer und Schiffs- und Ladungssachverständiger tätig.

Das Finanzamt hat den Beschwerdeführer zur Gewerbesteuer veranlagt, der im Rechtsmittelverfahren geltend macht, dass seine Tätigkeit eine freiberufliche im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG sei. Einspruch und Berufung waren erfolglos. Auf die Rechtsbeschwerde wurde die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Aus den Gründen:

"Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Tätigkeit des Bf. nur dann zu den freien Berufen im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehört, wenn sie einem der dort aufgeführten Berufe ähnlich ist. Es hat zunächst hinsichtlich der Tätigkeit des Bf. als Eichaufnehmer die Ähnlichkeit mit einem aufgeführten Beruf mit der Begründung verneint, dass es sich um eine rein mechanische Tätigkeit handele. Der Rb. ist darin beizutreten, dass diese Feststellung einer hinreichenden Begründung entbehrt. Es hätte festgestellt werden müssen, welche geistigen Anforderungen bei seiner Tätigkeit an den Eichaufnehmer gestellt werden. Dem Bf. ist auch zuzugeben, da) das Finanzgericht hierzu mangels eigener Sachkunde ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Die Bestimmung des § 36 GewO, auf die sich das Finanzgericht bezieht, kann, wie der Bf. ebenfalls zutreffend geltend gemacht hat, für die Frage, ob ein Berufsträger nach steuerlichen Grundsätzen als Gewerbetreibender oder als Angehöriger eines freien Berufes anzusehen ist, nicht herangezogen werden. Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für die Beeidigung und öffentliche Anstellung von Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, wobei ausdrücklich auch Nichtgewerbetreibende einbezogen sind (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 a.a.O. neuer Fassung). Als eine Voraussetzung für die Annahme eines freien Berufes im steuerlichen Sinne kann auch nicht, wie das Finanzgericht meint, gefordert werden, da) der Berufsträger in gewissem Grad schöpferisch tätig wird (vgl. das einen Kraftfahrzeugssachverständigen und Schätzer betreffende Urteil des Bundesfinanzhofs IV 120/62 U vom 18. Juni 1963, BStBI 1963 III S. 557).

Allerdings muss, wie in dem vorgenannten Urteil unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung ausgeführt ist, dann, wenn der zu vergleichende angeführte Beruf ein wissenschaftlicher Beruf ist, auch der andere Beruf auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen. Dabei braucht jedoch die Ausbildung zu diesem Beruf keine akademische zu sein; es genügt vielmehr, dass sie auf wissenschaftlicher Grundlage beruht. Da im vorliegenden Fall nur ein Vergleich mit den Berufen des Landmessers und des Ingenieurs in Betracht kommt und es sich bei diesen Berufen um, wissenschaftliche im vorgenannten Sinne handelt, muss im Streitfall für die Anerkennung der Tätigkeit des Bf. als eine freiberufliche verlangt werden, dass seine Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage beruht. Diese Voraussetzung kann beim Bf. schon durch den Besuch der Seefahrtschule und weiterhin durch das in der Rb. erwähnte Studium am Technikum als erfüllt angesehen werden. Erforderlich ist weiter, dass der Bf. bei seiner Tätigkeit in der Hauptsache an die durch seine Ausbildung erworbenen Kenntnisse anknüpft.

Wenn das Finanzgericht hinsichtlich der Tätigkeit des Bf. als Schiffs- und Ladungssachverständiger ausgeführt hat, die darunter fallenden Verrichtungen gingen entweder über den Rahmen einfacher mechanischer Arbeiten nicht hinaus oder sie knüpfen, wie die Gutachten, nicht an wissenschaftliche Schulung und Ausbildung, sondern an praktische seemännische Erfahrung an, so ist auch diese Feststellung nicht ausreichend begründet. Auch hierzu hätte das Finanzgericht ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Für die steuerliche Beurteilung dieser Tätigkeit des Bf. gelten ebenfalls die oben angeführten Grundsätze. Wenn sich der Bf. bei seiner Gutachtertätigkeit auf die durch seine wissenschaftliche Ausbildung erworbenen Kenntnisse stützt, dann bestehen keine Bedenken, diese Tätigkeit als eine qualifizierte im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 6/53 U vom 4. Februar 1954 anzusehen (vgl. das angeführte Urteil IV 120/62 U vom 18. Juli 1963)."