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II Z2 3/61 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 18.10.1962
Aktenzeichen: II Z2 3/61
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Eine Maschinenfabrik, die den Auftrag zur Ausbesserung eines Schiffsmotors annimmt, hat die vertragliche Pflicht, dem Schiff ihren Schiffsanlegeplatz in einem ordnungsgemäßen Zustand zur Verfügung zu stellen. Befindet sich ihre Kaianlage im Umbau, so hat sie im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren provisorische Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden an den anlegenden Schiffen zu treffen.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 18. Oktober 1962

(Landgericht Kiel/Oberlandesgericht Schleswig)

II Z2 3/61


Zum Tatbestand:

Das bei der Klägerin versicherte Motorschiff „H", das wegen Überholung eines Motors an der Kaianlage der Beklagten lag, wurde nachts durch böigen Sturm gegen die sich gerade im Umbau befindliche Kaianlage geschlagen und beschädigt.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückerstattung des dem Kapitän und Motorschiffseigner „A" ersetzten Schadens. Sie behauptet, daß sich „A" - ein Dauerkunde der Beklagten - vor dem Anlegen an der neuen Kaianlage fernmündlich bei der Beklagten erkundigt habe, ob er dort sicher liegen könne. Dies sei vom Leiter „B" der Reparaturabteilung bejaht worden, obgleich an der Kaianlage noch die Schiengel, waagerechte Schutzbalken vor der Kaimauer und den senkrechtstehenden Reibepfählen der Anlage, gefehlt hätten. Im übrigen seien nach dem Anlegen des Schiffes noch gewisse Schutzmaßnahmen von „B" zugesichert worden, welche die Beklagte aber nicht durchgeführt habe.
Die Klage blieb in allen 3 Instanzen erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage, die sich hier allein stellt, ist die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Ordnungsmäßigkeit der Kaianlage, die zu ihren Betriebsanlagen gehört.

Bringt die Durchführung eines Reparaturauftrages es mit sich, daß ein Schiff an einer Kaianlage des Reparaturbetriebes anlegt und dort liegen bleibt, so entspringt aus dem Werkvertrag (§ 631 BGB) für den Reparaturbetrieb die Nebenverpflichtung, die Kaianlage dem Schiff in einem Zustand zur Verfügung zu stellen, der bei ordnungsgemäßer Benutzung der Anlage das sichere Anlegen und Liegen des Schiffes, soweit möglich und zumutbar, gewährleistet. Welche Eigenschaften und Vorrichtungen eine Kaianlage besitzen muß, hängt von der Art der sie benutzenden Schiffe und von betrieblichen und nautischen Erfahrungen ab, wobei auch die Umstände des Einzelfalles eine Rolle spielen können. Im vorliegenden Falle ist außer Streit, daß zur ordnungsgemäßen Einrichtung der Kaianlage die Anbringung von Schutzbalken (Schlengeln) vor der Kaimauer und den Reibepfählen gehört hätte. Die Kaianlage war jedoch im Umbau begriffen, die Anbringung der Schlengel war noch nicht möglich gewesen. Wenn, wie hier, die Schiffsführung weiß, daß sich die Kaianlage noch nicht in einem ordnungsgemäßen Zstand befindet, sie aber trotzdem benützen will, so hat sie in erster Linie selbst alle Überlegungen anzustellen, um rechtzeitig die Maßnahmen ergreifen zu können, um das Schiff vor den vom Wasser her drohenden Gefahren zu schützen. Das liegt im Rahmen ihrer nautischen Sorgfaltspflicht, die sie auch im eigenen Interesse beachten muß.
Doch konnte auch von der Beklagten verlangt werden, daß sie, solange der Umbau der Kaianlage noch nicht vollendet war, sie aber trotzdem das Anlegen und Liegenbleiben des Schiffes gestattete, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren provisorische Maßnahmen traf, die dem Schutz des Schiffes vor den von der unfertigen Kaianlage ausgehenden Gefahren dienten und vom Land aus getroffen werden konnten. Dabei mußte sie mangels genügender eigener Sachkunde gerade die Wünsche und Forderungen der Schiffsführung berücksichtigen.
Das Berufungsgericht hat jedoch den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unterlassen der von Kapitän „A" verlangten Maßnahmen und dem eingetretenen Schaden verneint. Daran ist das Revisionsgericht gebunden.
Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht können von der Beklagten keine anderen Maßnahmen verlangt werden als die, zu denen sie vertraglich verpflichtet war. Es braucht daher auf diese Frage nicht näher eingegangen zu werden.