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II ZB 1/68 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 30.09.1968
Aktenzeichen: II ZB 1/68
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Leitet die Post eine an das Schifffahrtsobergericht adressierte Berufungsschrift deshalb fehl, weil ihr ein Gericht dieses Namens unbekannt ist, so ist das Wiedereinsetzungsgrund.

Beschluss des Bundesgerichtshofes

vom 30. September 1968 

(Rheinschifffahrtsgericht Mainz, Rheinschifffahrtsobergericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

Mit Schriftsatz vom 25. 4. 1968 hat der Beschwerdeführer gegen das Urteil des Schifffahrtsgerichts Mainz v. 11. 12. 1967, zugestellt am 28. 3. 1968, Berufung eingelegt. Der die Berufung enthaltende Eilbrief des Prozessbevollmächtigten war „An das Schifffahrtsobergericht 75 Karlsruhe" adressiert und gelangte am 27. 4. früh 7 Uhr zum Postamt 1 in Karlsruhe. Von dort wurde er mit dem Vermerk, der Empfänger befinde sich in Mannheim, nach Mannheim weitergesandt und kam am gleichen Tage in den Eingang des Schifffahrtsgerichts Mannheim. Von dort wurde er als Irrläufer nach Karlsruhe zurückgeschickt und ging am 30. April, einen Tag nach Ablauf der Berufungsfrist, beim Oberlandesgericht Karlsruhe ein.

Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die sofortige Beschwerde war erfolgreich.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Schifffahrtsobergericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten es an der größten, noch zumutbaren Sorgfalt habe fehlen lassen. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Berufungsschrift an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu übersenden gewesen sei. Er habe gewusst, dass es in Karlsruhe ein Gericht mit der Anschrift „Schifffahrtsobergericht" nicht gebe. Das Oberlandesgericht Karlsruhe führe die Bezeichnung „Schifffahrtsobergericht" nur bei der Verhandlung und Entscheidung über Berufungen und Beschwerden gegen die Entscheidung der Schifffahrtsgerichte.

Der Ansicht des Berufungsgerichts, dass das Oberlandesgericht Karlsruhe „allein bei der Verhandlung und Entscheidung" über Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Schifffahrtsgerichte die Bezeichnung „Schifffahrtsobergericht" führe, kann nicht zugestimmt werden. Zwar mag der Wortlaut des § 11 (ebenso der §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1, 18b Abs. 1) des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen vom 27. September 1952 (BGB I. 1 641 i.d.F. des Gesetzes vom 14. Mai 1965, BGB I. 1 389) für die Auffassung des Berufungsgerichts sprechen. Jedoch sind nach §§ 2, 5 Abs. 1 Satz 1 (§§ 14, 18a) die Schifffahrts-(Rheinschifffahrts-, Moselschifffahrts-) gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zuständig, die Binnenschifffahrts- (Rheinschifffahrts-, Moselschifffahrts-)sachen im Sinne des Gesetzes sind. Wenn aber in den näher bezeichneten Schifffahrtssachen die genannten Schifffahrtsgerichte zuständig sind, dann haben sie auch in diesen Sachen die entsprechende Bezeichnung zu führen. In Binnenschifffahrtssachen führt daher das Gericht nach dem Gesetz nicht die Bezeichnung „Amtsgericht", auch nicht die Bezeichnung „Amtsgericht (Schifffahrtsgericht)", sondern ausschließlich die Bezeichnung „Schifffahrtsgericht". Entsprechendes gilt für die Rheinschifffahrts- und Moselschifffahrtsgerichte und die Gerichte des zweiten Rechtszuges. Für diese Auslegung sprechen auch die Vorschriften der §§ 12, 21 des Gesetzes. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Justizverwaltung der Post am Gerichtsort Anschriften der Gerichte unter ihrer gesetzlichen Bezeichnung mitteilt. Darauf muss sich ein Rechtsanwalt wie jeder Rechtsuchende verlassen können. Ein prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt verletzt nicht die ihm zumutbare größte Sorgfaltspflicht, wenn er einen Brief an das Gericht, so wie es nach dem Gesetz zu bezeichnen ist, unter Angabe des Gerichtsorts ohne Angabe von Straße und Hausnummer adressiert. Wären dem Postamt 1 in Karlsruhe die gesetzliche Bezeichnung und die Anschrift des Schifffahrtsobergerichts Karlsruhe von der Justizverwaltung mitgeteilt worden und daher dort bekannt gewesen, so wäre die Berufungsschrift am 27. April 1968, also rechtzeitig, beim Schifffahrtsobergericht Karlsruhe eingegangen. Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher statt zugeben und der Beschluss über die Verwerfung der Berufung aufzuheben."