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II ZR 123/61 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 25.04.1963
Aktenzeichen: II ZR 123/61
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Verweigert der Empfänger die Annahme der Güter, so entfällt die Verpflichtung des Frachtführers, die Anweisungen des Absenders einzuholen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 BSchG), wenn der Empfänger zugleich der Absender ist. Die Unmöglichkeit rechtzeitiger Löschung liegt in der Risikosphäre des Absenders und des Empfängers, der das Löschen zu bewirken hat (§ 56 BSchG).

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 25. April 1963

(Oberlandesgericht Bremen)

II ZR 123/61

Zum Tatbestand

Die Beklagte schloß mit den Klägern in der Zeit vom 2. bis 12. März 1960 Frachtverträge ab, wonach diese von holländischen Baggereien nach Bremerhaven Sand, der Kläger zu 8 Kies auf dem Wasserwege zu befördern hatten. Beim Vertragsabschluß ließ sich die Beklagte, mit Ausnahme bezüglich des Vertrages mit dem Kläger zu 8, von der niederländischen Fa. „A" vertreten. Es wurden Ladezeiten von 3-5 Tagen und eine Löschzeit von nur je einem Tag, im Falle des Klägers zu 8 eine Löschzeit von 3 Tagen vereinbart. Bei Überschreitung der Lade- und Löschzeit sollte deutsches gesetzliches Liegegeld gezahlt werden. In den von der Beklagten widerspruchslos entgegengenommenen Ladescheinen und in den Frachtverträgen war die Beklagte als Empfänger ausgewiesen. Die Kläger zu 1-5 sind am 16. 3., die Kläger zu 6-8 am 18. und die Kläger zu 9-14 am 21. 3. in Bremerhaven eingetroffen.

Gegenüber den wegen Überschreitung der Löschzeit erhobenen Liegegeldansprüchen macht die Beklagte geltend, daß nach Eintreffen der Schiffe vereinbart worden sei, den Beginn der Löschzeit bis zum Beginn der tatsächlichen Entladung hinauszuschieben, daF3 in Deutschland die Durcheinanderrechnung von Lade¬- und Löschtagen üblich sei und daß die Kläger arglistig mit der Fa. „A" zusammengewirkt hätten, um wegen der gedrückten Frachten durch die vereinbarte kurze Löschzeit einen Ausgleich in Liegegeldern zu finden. Dem Rat der Fa. „A", sich unterwegs zu sammeln und geschlossen oder in dichter Folge Bremerhaven anzulaufen, sei gefolgt worden.
Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Die Berufung ist zurückgewiesen worden. Auch die Revision war erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Verweigert ein Empfänger die Annahme des Gutes zu den nach dem Frachtvertrag geltenden Bedingungen, so hat der Frachtführer die Anweisung des Absenders einzuholen (§ 52 Abs. 2 S. 1 BSchG). Diese Pflicht entfällt, wenn der Empfänger zugleich der Absender ist. Der Absender haftet dem Frachtführer dafür, daF3 der Empfänger das Gut „abnimmt" (§ 49), d. h. unter den im Frachtvertrag vereinbarten Bedingungen abnimmt; geschieht das nicht, wird also z. B. die vereinbarte Löschzeit überschritten, so ist der Absender zur Zahlung des Liegegeldes verpflichtet (RGZ 122, 221, 225; Mittelstein, Das Recht der Binnenschifffahrt [1918] § 52 Nr. 3; Vortisch-Zschucke, Binnenschifffahrts- und Flößereirecht, 21. Aufl., BSchG § 49 Anm. 1 c, 3a; vgl. auch § 52 Anm. 3b).
Die Kläger haben ihren Liegegeldanspruch auch nicht wegen der Unterlassung der gerichtlichen Geltendmachung ihres Pfandrechtes verloren, da sie der Beklagten das Beförderungsgut abgeliefert haben (§ 26 BSchG mit § 442 HGB). Sie haftet daher als Absenderin (Mittelstein aaO § 47 Nr. 6), ohne daß geprüft zu werden braucht, ob sie auch in ihrer Eigenschaft als Empfängerin haften würde.

Mit Recht wird im angefochtenen Urteil eine einverständliche Änderung des Beginns der Löschzeit nicht darin gesehen, daß die Kläger weisungsgemäß ihre Schiffe in der Reihenfolge hingelegt haben sollen, wie sie angekommen sind. Die Vereinbarung eines Löschens in Reihenfolge (Vortisch-Zschucke BSchG § 48 Anm. 2a) kann darin nicht gesehen werden.

Die Revision meint, es sei unmöglich gewesen, alle Schiffe rechtzeitig zu entladen. Die Einwendung ist unerheblich, da die Unmöglichkeit rechtzeitigen Entladene in der Risikosphäre des Absenders und des Empfängers, der das Löschen zu bewirken hat (§ 56 BSchG), liegt, den Liegegeldanspruch, der Kläger also nicht berührt (§§ 48 Abs. 3 S. 1, 49 BSchG). Durch sachgemäße Planung der Verschiffung hätte die Beklagte den Platzmangel bei Ankunft der Schiffe vermeiden können.

Mit Recht vermißt das Berufungsgericht einen konkreten Beweisantrag dafür, dag die in Frage kommenden Kläger gruppenweise vereinbart hätten, zwecks Erlangung von Liegegeld ihre Fahrt so einzurichten, daß sie gemeinsam in Bremerhaven ankämen.

Es wäre Sache der Beklagten gewesen, der Firma „A" wegen der Verschiffung sachentsprechende Anweisung zu geben; dagegen war es nicht Aufgabe der Kläger, darüber Erwägungen anzustellen, ob beim Abschlug der Frachtverträge die Belange der Beklagten gewahrt waren; erst recht hatten sie sich nicht darum zu kümmern, ob die Verladung von Sand und Kies in ihre Fahrzeuge und in die anderer, am Rechtsstreit nicht beteiligter Schiffseigner zeitlich so abgestimmt war, dag eine gruppenweise gleichzeitige Ankunft vermieden und aus diesem Grunde die vereinbarte Löschzeit eingehalten werden konnte. Die Überschreitung der Löschzeit ist zum sehr erheblichen Teil darauf zurückzuführen, dag mit dem Löschen des ersten der am 16. März 1960 eingetroffenen Schiffe erst am 21./22. März begonnen wurde. Dies lag nach dem Vortrag der Beklagten (Schriftsatz vom 13. Februar 1961 S. 9) daran, daß bereits am 14. und 15. März sieben Schiffe eingetroffen waren, die entladen werden mußten. Die Beklagte hat nicht behauptet, daß die Kläger und die Firma „A" auch mit den Eignern dieser Schiffe in doloser Weise zusammengearbeitet hätten. Wäre aber das Löschen bereits am 17. März begonnen worden, so wären bei der vom Berufungsgericht festgestellten Löschungskapazität von täglich bis 1000 t Liegegelder nur in ganz geringem Umfange entstanden."