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II ZR 145/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 05.07.1965
Aktenzeichen: II ZR 145/63
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Die vom Schiffseigner an die Besatzung zu zahlenden normalen Löhne gehören auch dann nicht zur grossen Haverei, wenn die Besatzung Arbeiten zur Errettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr ausführt.

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 5. Juli 1965

II ZR 145/63 

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort/ Schiffahrtsobergericht Köln)


Zum Tatbestand:

Ein Kahn der Beklagten, beladen mit Kohlen der Klägerin, erlitt auf der Fahrt nach Süddeutschland Leckage, so daß unstreitig Arbeiten zur Rettung von Schiff und Ladung erforderlich wurden. In der Dispache wurden als in grosser Haverei zu verrechnende Kosten u. a. auch Arbeitslöhne des Schiffsführers und des Schiffsjungen für 8 Stunden normale Arbeitszeit aufgeführt.
Da die Klägerin insoweit gegen die Dispache Widerspruch erhob, diesen auch im Verfahren gemäß § 153 FGG aufrechterhielt, hat sie schließlich nach der gerichtlichen Fristsetzung gemäß § 156 FGG Klage auf Feststellung erhoben, daß der Widerspruch gegen die Dispache begründet sei.
Die Klägerin war in allen 3 Instanzen erfolgreich.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Auflaufen des Kahns auf die Uferböschung ist ein Schiffsunfall, der als solcher nicht durch eine Havarie grosse-Maßnahme (§ 78 Abs. 1 BSchG) herbeigeführt worden ist; denn das Auflaufen geschah unfreiwillig, nicht zum Zwecke der Errettung aus einer dem Schiff und der Ladung drohenden Gefahr. Die durch diesen Unfall verursachten Schäden und Kosten (besondere Havarie) sind vom Schiffseigner allein zu tragen, soweit es sich um das Schiff und nicht um die Ladung handelt (§ 78 Abs. 3 BSchG). Durch den Schiffsunfall wurde die Frachtreise unterbrochen, sie konnte erst nach Ausführung der Notreparatur, die als solche eine Havarie-grosse-Maßnahme war (§ 78 Abs. 1 BSchG), fortgesetzt werden. Die Kosten, die durch die Unterbrechung der Reise und den damit notwendigerweise verbundenen Aufenthalt am Ort der Notreparatur entstanden sind, sind durch den Schiffsunfall verursacht; sie sind als solche weder Havarie-grosse-Folgen noch beruhen sie auf einer selbständigen Havariegrosse-Maßnahme. Das folgt schon aus § 78 Abs. 3 BSchG und ist überdies in § 83 BSchG ausdrücklich bestimmt. Zu diesen Kosten gehören die normalen Löhne für die Schiffsbesatzung, die während des erzwungenen Aufenthaltes von dem Schiffseigner zu zahlen und durch die Frachtvergütung abgegolten sind. Sie gehören zu den dem Frachtführer zur Last fallenden Unkosten der Schifffahrt (§ 66 Abs. 1 BSchG). Daran ändert nichts, daß die Besatzungsmitglieder in der Zeit, für die ihnen vom Schiffseigner (Frachtführer) der Lohn fortgezahlt werden mußte, bei der Notreparatur mitgewirkt, also Arbeiten ausgeführt haben, die zum Zwecke der Errettung aus einer gemeinsamen Gefahr für Schiff und Ladung ausgeführt werden mußten (Havarie-grosse-Arbeiten). Denn für diese Arbeiten sind dem Schiffseigner, soweit er die normalen Löhne fortgezahlt hat, keine außergewöhnlichen Kosten entstanden. Außergewöhnlich mögen die geleisteten Arbeiten gewesen sein, nicht aber sind es die dafür aufgewendeten Kosten gewesen. Es ist anerkannten Rechtes, daß nur außergewöhnliche Maßnahmen und Kosten zur grossen Havarie gehören, also Havarie-grosse-Opfer sind, nicht aber gewöhnliche Maßnahmen und Kosten, mögen sie auch die tatsächliche Wirkung haben, Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten vgl. z. B. Ulrich-Bruders-Hochgräber, grosse Havarei, 3. Aufl. 1 S. 24 ff). So können z. B. die normalen Lohnkosten für die Besatzung, die bei einer Havarie-grosse-Maßnahme (etwa dem Abturnen eines Schiffes, soweit dieses eine solche Maßnahme darstellt) mitwirkt, nicht in Havariegrosse verrechnet werden. Es kann auch der Ansicht der Revision, der Schiffseigner sei deswegen benachteiligt, weil wegen des Vorranges der Rettungsarbeiten andere notwendige und zweckmäßige Arbeiten hätten unterbleiben müssen, nicht gefolgt werden. Denn nach dem Frachtvertrag obliegt dem Frachtführer die Obhutspflicht für die Ladung, er muß die Besatzung für die ordnungsgemäße Beförderung der Ladung einsetzen; zu seiner Pflicht gehört, die Ladung vor Schaden zu bewahren. Die Rettungsarbeiten liegen durchaus im Rahmen dieser aus dem Frachtvertrag entspringenden Verpflichtung. Aus diesem Grunde können die Ausgaben für die normalen Löhne der Besatzung auch nicht als sogenannte stellvertretende Kosten (vgl. BGHZ 28, 285, 295 f) anerkannt werden, d. h. als Kosten, die dadurch entstanden sind, daß Kosten erspart worden sind, die durch den Einsatz anderer Arbeiter bei den Rettungsarbeiten entstanden wären. Nur soweit dem Schiffseigner für die Durchführung dieser Arbeiten außergewöhnliche Kosten, z. B. für Überstunden, Nachtarbeit, Lohnzuschläge und dergl., entstehen, stellen diese für den Schiffseigner ein Opfer dar und gehören damit zu der grossen Haverei."