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II ZR 146/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 08.04.1965
Aktenzeichen: II ZR 146/63
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Der Wendende ist für die rechtzeitige Abgabe seines Wendesignals beweispflichtig. Der Überholende hat sich zu vergewissern, daß sein Manöver ohne Gefahr durchgeführt werden kann (§ 42 Nr. 1 RhSchPVO).

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 8. April 1965

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Rheinschiffahrtsobergericht Köln)


Zum Tatbestand:

Als das MTS M der Klägerin auf der Talfahrt bei Rhein-km 840 zur Überholung des dem Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten MS W ansetzte, wendete letzteres zu Berg, worauf es zum Zusammenstoß kam und MTS M beschädigt wurde.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz, weil das Wendemanöver nicht durch Signale gemäß § 46 Nr. 2 RhSchPVO angekündigt worden sei. Die Beklagten behaupten, daß MS W mehrere Wendesignale gegeben und das Manöver schon begonnen habe, als M von W noch 700 bis 800 m entfernt gewesen sei.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen; das Rheinschiffahrtsobergericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Revision der Beklagten wurde der Anspruch der Klägerin nur zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt.

Aus den Entscheidungsgründen:

"Mit Recht hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat (vgl. BGH VersR 1964, 1169; 1290) angenommen, der Wendende sei für die rechtzeitige Abgabe seines Wendesignals beweispflichtig. Da die Beklagten das nicht bewiesen haben und feststeht, daß das Aufdrehen ohne Gefahr nur hätte geschehen können, wenn M die Geschwindigkeit vermindert und (oder) den Kurs geändert hätte, ist für die zivilrechtliche Haftung der Beklagten von einem Verstoß gegen § 46 RhSchPVO auszugehen.
Die Revision meint zwar, W sei im Augenblick des Zusammenstoßes praktisch bereits Bergfahrer gewesen. Das ist aber nicht richtig, auch dann nicht, wenn man mit der Revision unterstellt, W habe in diesem Zeitpunkt den Kopf bereits fast ganz bergwärts gerichtet gehabt und habe mit seinem Steuerbordklippanker das Steuerbordvorschiff von M beschädigt. Denn auch in diesem Fall war das Aufdrehmannöver von W noch nicht beendet; W war daher nicht weisungsberechtigter Bergfahrer i. S. von § 38 Nr. 1 und 2 RhSchPVO.

Dagegen rügt die Revision mit Recht die Verletzung des § 254 BGB, auch die Vorschriften der §§ 92, 114, BSchG, § 736 HGB sind im angefochtenen Urteil verletzt. Der Schiffsführer des klägerischen Schiffes hat den Zusammenstoß durch eigenes Verschulden mit herbeigeführt, wie die Ausführungen im angefochtenen Urteil ergeben.


Aus dieser Schilderung des Unfallherganges geht hervor, daß der Zusammenstoß auch durch das Verschulden des Schiffsführers des klägerischen Schiffes herbeigeführt worden ist. Nach § 43 Nr. 1 RhSchPVO muß der Oberholende rechtzeitig die hellblaue Überholflagge setzen. Auch wenn man zugunsten der für das rechtzeitige Setzen der Flagge beweispflichtigen Klägerin die Schilderung ihres Schiffsführers zugrundelegt - die Beklagte hat bestritten, daß die Überholflagge überhaupt gesetzt worden ist -, hat ihr Schiffsführer gegen die bezeichnete Bestimmung verstoßen. Das Setzen der Überholflagge in einem Abstand von nur 50 m ist nicht rechtzeitig geschehen, da M nach der Feststellung im angefochtenen Urteil schnell gefahren ist, während W langsam tat. Wenn sich M erst im Abstand von 50 m zum Überholen entschloß und erst in diesem kurzen Abstand die Überholflagge setzte, so durfte sie nicht sofort die Maschine verstärken, sondern mußte im Gegenteil eine gewisse Zeitspanne hinter W bleiben; um ein Überraschungsmanöver auszuschließen. Nach § 43 Nr. 2 RhSchPVO muß der Überholende erforderlichenfalls das Sichtzeichen rechtzeitig durch Schallzeichen ergänzen. Das hat der Schiffsführer von M unstreitig nicht getan.
Allein schon das Langsamtun von W mußte in ihm Zweifel über die Absichten dieses Schiffes erwecken und hat sie auch, wie aus seiner Aussage hervorgeht, erweckt. Er hatte sich zu vergewissern, daß sein Manöver ohne Gefahr durchgeführt werden könne (§ 42 Nr. 1 RhSchPVO); er konnte eine solche Gewißheit jedenfalls solange nicht erlangen, als bis er Überholschallsignal gegeben hatte und der Vorausfahrende hierauf keine Änderung seines Kurses ankündigte. Bei der zweifelhaft gebliebenen Lage war es geboten, Überholschallsignal zu geben.
Ursachen und Verschulden wiegen auf beiden Seiten gleich schwer. Die beiden beteiligten Schiffsführer haben unter Verstoß gegen die schiffahrtspolizeilichen Vorschriften die rechtzeitige Abgabe der vorgeschriebenen Signale unterlassen und dadurch den Zusammenstoß herbeigeführt. Die Beklagten sind daher verpflichtet, der Klägerin die Hälfte des ihr entstandenen Schadens zu ersetzen, während im übrigen die Klage unbegründet ist."