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II ZR 156/59 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 27.04.1961
Aktenzeichen: II ZR 156/59
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Ein Schiffsführer handelt nicht ohne weiteres deswegen verkehrswidrig, weil er einen anderen Teil des Fahrwassers befährt als denjenigen, der gewohnheitsmäßig von der Schifffahrt benutzt wird.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 27. April 1961

II ZR 156/59


Zum Tatbestand:

Das der Klägerin gehörende MS „A" war im Begriff, durch die Mittelöffnungen der Deutzer Brücke und der Hohenzollernbrücke in Köln zu Tal zu fahren. Zu gleicher Zeit setzte das der Beklagten gehörende, auf der Bergfahrt befindliche MS „B" nach Durchfahren der linksrheinischen Öffnung der Hohenzollernbrücke die blaue Flagge, gab Backbordsignal und nahm Backbordkurs zum rechten Fahrwasser, um MS „A" Steuerbord an Steuerbord zu passieren. Dessen Kapitän erwiderte das Signal nicht und wich auch nicht nach Backbord aus. Nach Durchfahren der mittleren Öffnung der Deutzer Brücke stieß MS „A" gegen die Steuerbordseite von MS „B".
Die Klägerin verlangt Ersatz des an MS „A" entstandenen Schadens.
Die Klage wurde vom Rheinschifffahrts- und Rheinschifffahrtsobergericht abgewiesen. Auch die Revision blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision meint, die Backbordweisung von „B" sei unzulässig gewesen, da der übliche Kursweg für „B" in der linken Stromhälfte gelegen habe; das Berufungsgericht habe eine dahingehende, unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung der Klägerin übergangen. Sie hat eine Äußerung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Köln vorgelegt, wonach gewohnheitsgemäß die Bergfahrt nach Passieren der linken Durchfahrtsöffnung oder der linken Hälfte des Mittelbogens der Hohenzollernbrücke die linke Hälfte der Mittelöffnung der Deutzer Brücke durchfährt. Dieser Revisionsangriff entbehrt der Berechtigung.
Auch wenn gewohnheitsmäßig von Tal- oder Bergfahrt ein bestimmter Teil des Fahrwassers benutzt wird, handelt ein Schiffsführer nicht ohne weiteres deswegen verkehrswidrig, weil er einen anderen Teil befährt. Eine solche Bindung an ein übliches Verhalten ist nirgends vorgeschrieben und wäre auch mit den Verkehrsbedürfnissen nicht in Einklang zu bringen. Es darf hierdurch nur keine Gefahrenlage entstehen, insbesondere muss Klarheit über die Verkehrsverhältnisse bestehen. Die Schiffsführung von „B" hat eine klare Weisung zum Begegnen gegeben, die das MS „A" nach § 39 Nr. 1 befolgen musste, auch wenn hier sonst eine andere Art der Begegnung üblich sein sollte. Sie hat durch ihre Signalgebung nicht gegen die berufliche Übung i. S. des § 4 verstoßen.
Das Berufungsgericht ist ferner zu der Oberzeugung gekommen, dassie Schiffsführung von „B" dem MS „A" unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände und des übrigen Verkehrs einen geeigneten Weg freigelassen habe (§ 38 Nr. 1). „B" sei sogleich nach Signalabgabe (also in einer Entfernung von 550 m) hart nach rechtsrheinisch hinübergegangen. Ein verhältnismäßig geringes Ausweichen nach Backbord durch „A" bei Signalabgabe hätte genügt, um den Unfall zu vermeiden. Keineswegs hätte „A" beim Ausweichen nach Backbord starke Bögen fahren müssen. „A" wäre weder in gefährliche Nähe der Stilllieger am linken Ufer gekommen noch hätte sie irgendwelche Schwierigkeiten gehabt, die Mittelöffnung der Hohenzollernbrücke zu erreichen. Auch sonst hätten keine Hindernisse und Gefahren bestanden. „A" sei erst dadurch in Schwierigkeiten geraten, das ihr Schiffsführer, ohne das Signal von „B" zu befolgen, kopflos gestoppt und zurückgeschlagen und dadurch jede Ruderwirkung verloren habe. Unter den vom Berufungsgerichtfestgestellten Umständen reichte sowohl die Entfernung von 550 m als auch die von der Revision errechnete Zeit von 23/4 Minuten völlig aus, um einen gefahrlosen Kurswechsel zu ermöglichen. Der Ansicht der Revision, das Berufungsgericht habe § 37 Nr. 2 verletzt, kann daher nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hatte den Sachverhalt selbständig festzustellen und zu würdigen und hat dies auch rechtsfehlerfrei getan. Dabei braucht es sich nicht mit der teilweise abweichenden Beurteilung durch die Wasserpolizei, auf die die Revision Bezug nimmt, auseinanderzusetzen.