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II ZR 161/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 08.02.1965
Aktenzeichen: II ZR 161/63
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Die Parteien im Kollisionsprozeß sind ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit dem Schiffahrtsbrauch unterworfen, der für die Beurteilung der kontradiktorischen Schadenstaxe heranzuziehen ist. Nutzungsverlust ist im allgemeinen trotz späteren Verkaufs des beschädigten Schiffes zu ersetzen, sofern der Geschädigte nicht schon vor dem Unfall entschlossen gewesen ist, das Schiff zu verkaufen und es bis zum Verkauf nicht weiter zu nutzen.

2) Es besteht kein Anlaß, von den im Abkommen zwischen dem Deutschen Transport-Versicherungs-Verband und dem Verband deutscher Rheinreeder ausgewiesenen und üblicherweise Anwendung findenden Sätzen für Nutzungsverlust abzuweichen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 8. Februar 1965

(Rheinschiffahrtsgericht St./Goar/ Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, daß die aus einem Zusammenstoß bei St. Goar zwischen dem Kahn „A" der Klägerin (1100 bis 1150 t groß) und dem der Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten MS „B" der Klägerin entstandenen Schäden von dem Beklagten zu ersetzen sind. Außer den bereits gezahlten Kasko- und sonstigen Schäden sind von der Klägerin gemäß vorbehaltloser Festsetzung der Reparaturdauer von 38 Arbeitstagen weitere Schadensbeträge für Nutzungsverlust, Reinigung, Expertengebühren usw. verlangt worden, wobei als Nutzungsverlust 223,50 DM je Tag zugrunde gelegt wurden. Die Beklagten bestreiten im wesentlichen ihre Zahlungsverpflichtung, insbesondere bezüglich des Nutzungsverlustes, weil der Schleppkahn „A" einige Monate nach dem Unfall und nach Aufstellung der kontradiktorischen Schadenstaxe verkauft worden sei. Außerdem haben sie im zweiten Rechtszug vorgetragen, daß als Tagessatz nur ein Betrag von 203 DM im Hinblick auf das Nutzungsverlustabkommen zwischen dem Deutschen Transport-Versicherungs-Verband und dem Verband deutscher Rheinreeder in Betracht komme.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat Nutzungsverlust unter Anwendung eines Tagessatzes von 223,50 DM zugesprochen. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Auf ihre Revision wurde das Urteil abgeändert und auf Zugrundelegung eines Satzes von nur 203 DM erkannt. Im übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die vorbehaltlos von den Experten in der kontradiktorischen Schadenstaxe getroffene Feststellung über die Zahl der für die Reparatur erforderlichen Arbeitstage sei für die Parteien bindend. Der geltend gemachte Schaden sei der Klägerin tatsächlich entstanden und auch nicht nachträglich wieder ausgeglichen worden.
Auch der Tagessatz von 223,50 DM sei nicht übersetzt. Zwar sei in den Tabellen, die in dem Abkommen zwischen dem Deutschen Transport-Versicherungs-Verband 1948 e.V. und dem Verband deutscher Rheinreeder e.V. Duisburg vom 3. Januar 1958 als dessen Anlagen festgesetzt worden seien und die üblicherweise dann bei der Berechnung der Höhe des Nutzungsverlustes Anwendung fänden, wenn nichts anderweitiges vorgetragen worden sei, für einen Kahn in der Größe von 1100 bis 1150 t der Tagessatz nur mit 203,- DM angegeben. Aber einmal sei die Abweichung nur geringfügig, zum anderen aber sei diese Beanstandung gemäß § 529 ZPO als verspätet zurückzuweisen.
Soweit die Revision etwa einwenden will, die Beklagten seien an die in der Schadenstaxe getroffene Feststellung über die Reparaturzeit nicht gebunden, ist die Rüge unbegründet. Beide Beklagte sind ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit dem Schiffahrtsbrauch unterworfen, der für die Beurteilung der kontradiktorischen Schadenstaxe heranzuziehen ist.
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß die Klägerin trotz des Verkaufs des Kahnes die Reparaturkosten und den Nutzungsverlust für die Dauer der Reparaturzeit ersetzt verlangen kann. Mit den hierbei auftauchenden Rechtsfragen hat sich der Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 21. Januar 1965 - II ZR 49/6) - auseinandergesetzt. Dabei kommt es nicht auf die Erwägungen an, die das Berufungsgericht darüber anstellt, daß sich Reparaturkosten und Reparaturzeit in einem entsprechend niedrigeren Kaufpreis niederschlügen. Es genügt, daß die Klägerin, wenn sich der Unfall nicht ereignet hätte, in der Lage gewesen wäre, den Kahn bis zum Verkauf zu nutzen und dies nach der Lebenserfahrung auch getan hätte. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, daß die Klägerin schon vor dem Unfall entschlossen gewesen sei, den Kahn zu verkaufen und ihn bis zum Verkauf nicht weiter zu nutzen. Hiernach ist der Nutzungsverlust gemäß § 252 BGB zu ersetzen.
Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts ist der übliche Tagessatz für einen Kahn der Art und Größe, wie der Kahn der Klägerin, nicht 223,50 DM, wie von der Klägerin gefordert, sondern 203,- DM. Von diesem Satz abzuweichen besteht kein Anlaß. Der Rechtsstreit wäre auch nicht verzögert worden, wenn das Berufungsgericht diesen Satz berücksichtigt hätte (§ 529 ZPO)."