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II ZR 165/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 09.12.1965
Aktenzeichen: II ZR 165/63
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Zur Bedeutung der Begriffe „Kollision" und „Kollisionsschäden" im Versicherungswesen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 9. Dezember 1965

II ZR 165/63

(Oberlandesgericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin hat sich für die Haftpflicht aus ihrem Schiffs- und Motorenreparaturbetrieb bei der Beklagten versichert. Als auf dem vor dem Gelände der Klägerin im Hafenbecken liegenden MS R die Arbeiter der Klägerin den reparierten Motor probeweise laufen lieben, sprang die 650-PS-Maschine sofort mit voller Kraft an und konnte nicht angehalten werden. Das ordnungsgemäß festgemachte Schiff riß sich los und geriet in steuerloser Fahrt gegen eine benachbarte Krananlage, die beschädigt wurde. Der Versicherungsschutz wurde von der Beklagten abgelehnt, da es sich um einen angeblich ausgeschlossenen Kollisionsschaden handele. In diesem Zusammenhang ist von der Beklagten vorgetragen, daß u. a. folgende Nachtragsbedingungen Vertragsinhalt des Versicherungsverhältnisses zwischen den Parteien geworden seien:

„1. Kollisionsschäden jeder Art sind nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes.

2. In die Versicherung gilt eingeschlossen die Haftpflicht der Versicherungsnehmerin für solche Schäden, die sich ereignen an Motorschiffen während der Zeit, in der sich diese Schiffe wegen Reparaturen in der Obhut der Versicherungsnehmerin befinden.

3. Für alle Schäden an diesen Schiffen, für die die Versicherungsnehmerin aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts verantwortlich gemacht wird, wird Deckung ... gewährt ...".

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revision ist zuzugeben, daß die Frage, ob die Parteien sich über die Geltung des Nachtrages geeinigt haben, nur dann dahingestellt bleiben kann, wenn der hier streitige Schadensfall ohnehin nicht der Regelung des Nachtrages unterliegen würde. In dieser Hinsicht wird in Zweifel gezogen, ob der Begriff „Kollisionsschäden" auch Schäden umfaßt, die, wie hier, dadurch entstehen, daß ein Schiff ungewollt und steuerlos in Fahrt gerät und alsdann nicht mit einem anderen Schiff zusammenstößt, sondern gegen eine feste Anlage fährt. Die Bedenken sind unbegründet.
Kollision und Kollisionsschäden sind keine festen Rechtsbegriffe. Der allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet mit „Kollision" einen konkreten Zusammenstoff und in übertragenem Sinne einen Widerstreit von Interessen, Rechten oder Pflichten (vgl. Duden-Etymologie 1963). Im Versicherungswesen (See- und Transportversicherung) wird das Wort Kollision in den Zusammensetzungen „Kollisionshaftung" und „-schäden" für die Folgen eines Schiffszusammenstoßes gebraucht (vgl. R. Schmidt, Versicherungs-Alphabet 3. Aufl.). Der Versicherungsrechtsverkehr hält sich dabei aber nicht an die inhaltliche Beschränkung der §§ 734 ff HGB und 92 ff BSchG, die nur für den Zusammenstoß von Schiffen gelten, sondern spricht von Kollision auch beim Zusammenstoß eines Schiffes „mit anderen schwimmenden und festen Gegenständen aller Art". Für diese Fälle sieht z. B. die Kollisionsklausel für kleinere Fracht-Motorschiffe und Fracht-Segelschiffe (abgedr. bei Schlegelberger, Seeversicherungsrecht 1960, 270) die entsprechende Anwendung des § 78 der Allgemeinen Deutschen Seeversicherungs-Bedingungen vor. In der Transportversicherung (Binnengewässer) ist in Erweiterung des § 129 Abs. 2 Satz 2 VVG nach den Besonderen Bedingungen für das Rhein- und für das Wesergebiet (jeweils Nr. 2, unter der Überschrift „Kollision mit festen und schwimmenden Gegenständen" und „Kollisionshaftpflicht") das Risiko der Kollision mit festen und schwimmenden Gegenständen nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen eingeschlossen (abgedr. bei Finke, Werbung und Wettbewerb in der Versicherung (Transport), B 1 33 Nr. 35 und 36).
Zu einer Kollision kann es allerdings nur kommen, wenn sich das Schiff bewegt und dabei mit einem festen Gegenstand zusammenstößt. Für eine Unterscheidung nach den fahrtauslösenden Ursachen gibt hingegen der Begriff der Kollision nichts her. Gerade die ungewollte Fahrt, die ein Schiff macht, weil z. B. seine Maschinen, aus welchem Grunde auch immer, ausfallen oder durchgehen, wird häufig zu einer Kollision führen. Hierbei kann es keinen Unterschied machen, ob derartige Schäden erst während der Fahrt eines Schiffes auftreten oder ein stilliegendes Schiff unerwartet in unkontrollierte Fahrt setzen.
Unter die Kollisionsschäden im Sinne der Nr. 1 des Nachtrages fällt daher auch ein Schaden, wie er hier entstanden ist. Hingegen reichen die tatsächlichen Feststellungen nicht aus, um zu entscheiden, ob der Versicherungsschutz im vorliegenden Fall ausgeschlossen ist.
Als wichtiges Erkenntnismittel für den Zweck, den die Parteien mit diesen Änderungen verfolgt haben, bieten sich die vorausgegangenen Verhandlungen an. Erst wenn insoweit Klarheit besteht, können alle für die Auslegung der Sonderbedingung wesentlichen Umstände berücksichtigt werden. Auch kann dann erst beurteilt werden, ob die Parteien sich darüber geeinigt haben, die ursprünglich vereinbarten Bedingungen durch die Bedingungen des Nachtrages zu ersetzen. Eine solche Änderung des Versicherungsvertrages war an keine Form gebunden und konnte auch mündlich vereinbart werden. Entsprach den getroffenen Vereinbarungen der später übersandte Nachtrag, so ist für eine Anwendung des § 5 Abs. 2 VVG kein Raum."