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II ZR 167/57 - Bundesgerichtshof (Zivilgericht)
Entscheidungsdatum: 22.10.1959
Aktenzeichen: II ZR 167/57
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Zivilgericht

Leitsatz:

Zur tarifwidrigen Berechnung von Tarifentgelten im Güterkraftverkehr.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 22. Oktober 1959


Zum Tatbestand:

Die Beklagte in H. erteilte als Abfertigungsspediteur-Unternehmen des Güterfernverkehrs auf telefonische Anfrage Aufträge für die Beförderung von Gütern auf der Rückfahrt nach H. Nach Transportdurchführung zahlte sie den Unternehmern die Fracht und zog dabei von dem Reichskraftwagentarif entsprechenden Entgelt œ % als Vorlageprovision ab. Die Klägerin klagt diese Abzüge auf Grund eines Überleitungsbescheides gemäß § 23 Abs. 3 GüKG ein.

Aus den Entscheidungsgründen:

Bereits § 2 Ziff. 3 der AO über die Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform vom 25. 6. 1948 (WiGB1. S. 61) hat den Reichskraftwagentarif zur Festpreisvorschrift erklärt (zur Gültigkeit dieser auf das Ges. über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Währungsreform und auf § 2 Preis G gestützten Vorschrift vgl. BGHZ 8, 66 - NJW 53, 301 und BGH, NJW 55, 1755). Die Neufassung des § 106 Abs. 2 GüKG hat nunmehr endgültig klargestellt, daß der Reichskraftwagentarif mit seinen bis zum 18. 10. 1952 ergangenen Änderungen und Ergänzungen als auf Grund des § 21 Abs. 1 und des § 25 GüKG erlassen zu gelten hat. Damit ist den Bedenken, die die Rev. gegen die Fortgeltung des Reichskraftwagentarifs daraus herzuleiten sticht, daß das GüKG hinsichtlich der Überwachung der Einhaltung der Tarife und in anderen Punkten Neuerungen gegenüber dem bei Erlaß des Reichskraftwagentarifs bestehenden Rechtszustand gebracht hat, vollends der Boden entzogen worden. Entgegen der Ansicht der Rev. ist der Neufassung des § 106 Abs. 2 GüKG auch rückwirkende Kraft für die Zeit bis zum Inkrafttreten des GüKG (19. 10. 1952) beizumessen (Urteil des erk. Sen. v. 30. 4. 1959 - 11 ZR 7/57 = NJW 59, 1368): Die Neufassung sollte im Wege authentischer Auslegung Zweifel ausräumen, die vorher hinsichtlich der Rechtsgültigkeit des Reichskraftwagentarifs verschiedentlich geäußert worden waren (vgl. Bericht d. Ausschusses f. Verkehrsw., BT-Drucks. 3057 - 2. Wahlper.), und insofern lediglich eine Klarstellung bringen.
Nach Auffassung des BerGer. ist jede Gewährung eines Abzugs, der nicht im Reichskraftwagentarif oder in preisrechtlichen Anordnungen vorgesehen ist, als untertarifliche Berechnung von Beförderungsentgelt i. S. des § 23 GüKG anzusehen. Zu Unrecht glaubt demgegenüber die Rev., die Anwendbarkeit des § 23 GüKG mit dem Hinweis ausschließen zu können, daß die Voraussetzungen der Berechnung von Vorlageprovision nicht in tarifrechtlichen Vorschriften geregelt seien. Die Parteien streiten zwar um die Berechtigung eines Abzugs vom tarifmäßigen Entgelt und nicht um die Höhe dieses Entgelts an sich. Das ändernt aber nichts daran, daß die mit der Klage geltend gemachte Forderung, die Gegenstand des Überleitungsbescheids der Kl. war, auf Nachzahlung des restlichen tarifmäßigen Entgelts gerichtet ist. Gegen die Anwendbarkeit des § 23 GüKG besteht deshalb insofern keine Bedenken.
Mit Recht weist das BerGer. darauf hin, daß tatsächliche Schwierigkeiten, im eingehenden Verkehr mit der Frachtzahlung in Vorlage zu treten, nicht den Schluß zulassen, die Beklagte müsse deshalb preisrechtlich so gestellt werden, als ob sie in Vorlage getreten wäre. Es sprechen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die AO PR 146/48 trotz ihres umfassenden Wortlautes nur den ausgehenden, nicht auch den eingehenden Verkehr hätte erfassen wollen.
Dem BerGer. ist auch darin zuzustimmen, daß es auf den von der Beklagten behaupteten Handelsbrauch, wonach der Spediteur die Vorlageprovision abziehen „darf", wenn der Unternehmer die Fracht bis zum Ablauf des auf den Ablieferungstag der Partie folgenden Werktages ausgezahlt erhält, nicht ankommt, da ein derartiger Handelsbrauch gegen zwingendes Recht verstieße und deshalb nicht zu berücksichtigen wäre (Schlegelberger/Hildebrandt, HBG, 3. Aufl., § 346 Anm. 9; BaumbachlDuden, HGB, 13. Aufl., § 346 Anm. 1 F).
Die Beklagte hat die Verträge mit den Unternehmern im eigenen Namen abgeschlossen, nicht aber, wie es zum Wesen des Mäklervertrages gehört, die Gelegenheit zum Abschluß von Verträgen mit Dritten nachgewiesen oder Verträge mit Dritten vermittelt (RG, JW 37, 1306; BGB-RGRK, 11. Aufl., § 652 Anm. 2; Riedel in Staudinger, BGB, 11 Aufl., § 652 Anm. 21 h; Hein/Eichhoff/Pukalll Krien, GüKG, § 32 Anm. 9a). Schon deshalb kann sie keine Mäklerprovision beanspruchen, ohne daß auf die Frage eingegangen zu werden braucht, ob neben der Werbe- und Abfertigungsgebühr nach § 2 Ziff. 2 AO PR 146/48 für eine der freien Parteivereinbarung unterliegende Mäklerprovision des Abfertigungsspediteurs überhaupt noch Raum ist (vgl. dazu Hein/Eichhoff/Pukalll Krien, § 32 Anm. 9c).