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II ZR 206/62 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 09.12.1963
Aktenzeichen: II ZR 206/62
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zu den Folgen falschen Nachsteuerns der Anhangkühne. Bei der Aufrechnung muß die Gegenseitigkeit im Sinne von § 387 BGB gegeben sein. Zwei Firmen, von denen die eine die Generalagentur der anderen innehat oder für die die gleichen Geschäftsführer tätig werden, bleiben voneinander verschiedene juristische Personen.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 9. Dezember 1963

(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim - Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)

II ZR 206/62


Zum Tatbestand

Der der Beklagten zu 1 gehörende, vom Beklagten zu 2 geführte und beladene Kahn „B" (86 m lang, 11,25 m breit, 1594 to) wurde auf erster und einziger Länge zusammen mit einem backbords gemehrten, der Streithelferin gehörenden kleineren Kahn „C" (77 m lang, 10 m breit, 1240 to) auf 30-40 m langem Schleppstrang von dem der Klägerin ausgerüsteten Boot „A" auf dem Oberrhein zu Tal geschleppt. Bei der Umfahrung des badischerseits liegenden Auergrundes folgten beide Kähne nicht mehr dem Kurs des Schleppbootes. Kahn „B" rakte bei km 348,7-348,8, so daß beide Kähne kopfvor stehen blieben. Dann fielen sie mit ihren Hinterschiffen über Backbord herum. Dabei berührte Kahn „B", der mit seinem Hinterschiff über das Hinterschiff von „C" hinausragte, das Hinterschiff eines auf erster Länge liegenden Anhangkahnes „E" eines linksrheinisch zu Berg gehenden, der Klägerin gehörenden Schleppbootes „D" und schlug dann in Querlage mit seinem Achterschiff gegen das Vorschiff des zweiten Anhangkahnes „F" des gleichen Schleppzuges. Beide Kähne wurden beschädigt. Am Boot „D" entstanden Drahtschäden.
Die Klägerin verlangt als Ausrüsterin Ersatz der Schäden an Boot „D" und am Kahn „F" mit der Begründung, dal Kahn „B" seinem Boot „A" nicht ordnungsgemäl3 nachgesteuert worden sei.
Die Beklagten meinen, allein durch das Verschulden der Führung von Kahn „C" sei der Unfall herbeigeführt, da man dort das Ruder zu spät nach Backbord ausgelegt habe. Kahn „B" sei auf die Mitwirkung von „C" angewiesen gewesen.

In einem Parallelprozel3 vor dem Rheinschiffahrtsgericht war der Anspruch der Eigentümerin von „B" gegen Eigentümer und Schiffsführer von „C" - die heutigen Streithelfer - wegen der auf „B" erlittenen Schäden dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung blieb erfolglos. Die Revision schwebt noch.

Im Berufungsverfahren ist von den Beklagten abweichend zu dem früheren Vorbringen behauptet, dat3 auch das Boot „A" ein Verschulden treffe, da seine Führung nicht rechtzeitig Vorkehrungen für den richtigen Kurs der Anhangkähne „B" und „C" getroffen habe. Da die Klägerin Ausrüsterin des Bootes „A" und die Streithelferin (Ausrüsterin des Kahnes „C") Agentin der Klägerin sei, erklärte die Beklagte zu 1 hilfsweise Aufrechnung mit ihren Gegenansprüchen wegen ihres eigenen Schadens an „B".
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Rheinschiffahrtsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Der Revision wurde nicht stattgegeben.

Aus den Entscheidungsgründen

"Das Berufungsgericht hat unter anderem ausgeführt: Die Grundberührung des Kahnes „B' und' damit der der Klägerin entstandene Schaden seien auf das ursächliche Verschulden beider Anhangkähne zurückzuführen. Schon vor der Grundberührung seien die Kähne wegen unterlassenen Nachsteuern dem Kurs ihres Bootes nicht gefolgt, sondern mit leichter Steuerbordlage dem Auergrund zugestrebt. „B" habe wesentlich ankerhalb des Fahrwassers und des für die Talfahrt üblichen Kurses gerakt. Die Führung von „B" habe erst 300 m oberhalb der bei km 348,7-8 liegenden Unfallstelle mit dem Ausdrehen ihres Ruders nach Backbord begonnen; bis das Manöver beendet gewesen sei, sei der Kahn bereits auf 200 m an die Unfallstelle herangekommen. Das Manöver sei zu spät eingeleitet worden, da bei km 348,4, wo der badische Grund schon weit in das Strombett hineinrage, die Kähne bereits außerhalb ihres Bootes gelegen hätten und, „B' auf 2,4 m abgeladen gewesen sei. Hätte „B", wie es natürlich geboten gewesen wäre, bereits bei km 347,7 oder wenigstens bei km 348 das Ruder nach Backbord gelegt, so hätte das verhältnismäßig starke Hitzler-Ruder in kürzester Zeit den Kahn auf Backbordkurs gebracht. Mit höchster Wahrscheinlichkeit wäre der Unfall selbst dann vermieden worden, wenn auf dem Kahn „C" nicht zugleich mitgesteuert worden wäre.
Die Revision geht zutreffend davon aus, dai3 sich „B", als ihr Ruder nach Backbord ausgelegt worden sei, bereits in Gefahr befunden habe. Die Gefahr ist aber durch zu spätes Rudermanöver entstanden und von der Führung von „B" bei der starken Ruderwirkung ihres Kahnes in überwiegendem Maße herbeigeführt worden. Damit ist das Verschulden der Schiffsführung von „B" gegeben, dessen Ursächlichkeit selbst dann nicht entfiele, wenn bei richtigem Verhalten der Führung von „C" der Unfall vermieden worden wäre. Die Schiffsführung von „B" hat schon dadurch den Unfall schuldhaft verursacht, da-t; sie eine gefährliche Lage ihres Kahns herbeigeführt hat, die sodann den Unfall ausgelöst hat.
Da die Schiffsführungen der geschädigten Schiffe „D' und „F", wie unbestritten ist, kein Verschulden trifft, kann die Klägerin die schuldigen Besatzungsmitglieder beteiligter Schiffe und die Eigner dieser Schiffe gemäß § 823 BGB, § 92 BSchG, § 735 HGB, § 840 BGB als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen; § 736 HGB ist in diesen Fällen nicht anzuwenden (Vortisch-Zschucke, BSchG 2. Auflage § 92 Anm. 10d). Es bedarf daher in diesem Rechtsstreit nicht der Prüfung, ob die Führung von „C" ein ursächliches Verschulden trifft.
Gegenforderung wegen angeblichen ursächlichen Verschuldens der Kahnführung von „C":

Im angefochtenen Urteil ist u. a. ausgeführt:
Wenn der Vortrag der Beklagten zutreffe, so stehe der Beklagten eine Gegenforderung gegen die Klägerin zu, mit der sie aufrechnen könne. Ob diese Gegenforderung die Klageforderung übersteige oder unter ihrem Befrag bleibe, könne erst im Nachverfahren geklärt werden. Trotzdem könne Grundurteil ergehen. In Erweiterung des vom Bundesgerichtshof in BGHZ 11, 63, 65 aufgestellten Rechtssatzes und im Anschiluf3 an das Oberlandesgericht Stuttgart in MDR 1956, 618 sei ein Grundurteil auch ohne Erledigung einer konnexen Gegenforderung selbst dann zuzulassen, wenn nicht feststehe, daß die Klageforderung die Gegenforderung übersteige.
Die Revision wendet sich, gegen diese Auffassung. Das bedarf jedoch keiner Erörterung, da die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagten könne eine Gegenforderung gegen die Klägerin zustehen, rechtsirrig ist. Es fehlt an der nach § 387 BGB erforderlichen Gegenseitigkeit. Die Klägerin als Eigentümerin oder Ausrüsterin der Schiffe „D" und „F" und die Streithelferin als Ausrüsterin des Kahnes „C" sind voneinander verschiedene selbständige juristische Personen. Daran würde sich nichts ändern, wenn die Streithelferin die Generalagentur der Klägerin oder ihre Vertreterin wäre und beide Firmen die gleichen Geschäftsführer hätten. Auch wäre unerheblich, ob der Kahn „C" im Eigentum der Klägerin stünde, da der, Schadensersatzanspruch aus § 92 BSchG, §§ 735 f HGB nicht gegen den Schiffseigner, sondern gegen den Ausrüster gerichtet ist (§ 2 BSchG).
Gegenforderung wegen angeblichen ursächlichen Verschuldens der Führung des Schleppbootes „A".
Die Klägerin ist unbestritten Ausrüsterin dieses Bootes und würde daher für ein Verschulden seiner Führung bei der Beschädigung des Kahnes „B" haften. Im angefochtenen Urteil wird jedoch ein solches Verschulden verneint.
Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Kurs dies Bootes richtig gewesen sei. Sie meint aber, es sei schon 1 km vor der Unfallstelle zu erkennen gewesen, dal3 die Anhänge falschen Kurs gehalten hätten.
Für diese Behauptung fehlt die tatsächliche Grundlage. Das Berufungsgericht konnte auf Grund der Beweisaufnahme gerade nicht, die 'Überzeugung gewinnen, daß der Schleppzugführer bei pflichtgemäßem Verhalten das Unterlassen des Nachsteuerns so rechtzeitig habe erkennen können, daß seine Wohnschau Erfolg' gehabt hätte. Vielmehr ist es vom Gegenteil überzeugte Das ist rechtlich unangreifbar.
Ohne Rechtsfehler hat daher das Berufungsgericht ein Verschulden der Führung von „A" an dem der Klägerin entstandenen Schaden verneint. Der Beklagten steht eine Aufrechnungsforderung gegen die Klägerin nicht zu."