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II ZR 232/64 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 05.12.1966
Aktenzeichen: II ZR 232/64
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsätze:

1) Zur Geltendmachung von Liegegeldansprüchen durch Seeschiffe vor Erreichen des Bestimmungshafens.

2) Durch die Vereinbarung eines Schiedsgerichts wird regelmäßig zugleich die Anwendung des Rechts seines Sitzes vereinbart, auch wenn die Schiedsabrede aus formalen Gründen nicht rechtswirksam ist.

3) Durch die in ein Konnossement aufgenommene Klausel: „All the terms, conditions, clauses and exceptions in the Charterparty are herewith incorporated" wird die in der Charterparty enthaltene Vereinbarung über das anzuwendende Recht Bestandteil des Konnossements.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 5. Dezember 1966

II ZR 232/64

(Landgericht Bremen; Oberlandesgericht Bremen)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin, eine Londoner Reederei, hatte ihr Schiff für einen Getreidetransport von Australien nach englischen oder einigen Kontinentalhäfen an eine australische Firma verchartert. Die von beiden Teilen in London gezeichnete „Austral"-Charterparty sah für Streitigkeiten über Ereignisse in europäischen Häfen ein Londoner Schiedsgericht vor. Der Kapitän stellte für den Charterer über die Ladung Konnossemente aus, aufgrund deren die beklagten Empfangsspediteure die Ladung im Bestimmungshafen Bremen übernommen haben. Die Konnossemente enthielten die Klausel: „All the terms conditions, clauses and exceptions in the Charterparty are herewith incorporated".
Das Schiff erreichte die Wesermündung am 21. 6. 1962 bei Feuerschiff „Weser", ging dort auf Anweisung der Hafenbehörde vor Anker und gab am gleichen Tage über den Reedereiagenten Löschbereitschaftsnotiz an die Beklagten. Das Schiff verholte erst am 30. 6. 62 nach Bremen-Osterort und machte am 3. 7. 62 an der Getreideverkehrsanlage in Bremen fest. Die Löschung von über 11 000 Longtons erfolgte vom 4. 7., 7.00 Uhr bis zum 6. 7., 22.00 Uhr.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Liegegeld in Höhe von ca. 30 000,- DM, wobei sie den Beginn der Liegezeit nach der Löschbereitschaftsanzeige am 21. 6. 62 bestimmt. Sie meint, daß deutsches Recht Anwendung finde und das Risiko der Hafenüberfüllung nach der vom Konnossement in Bezug genommenen Charterparty vom Empfänger zu tragen sei.
Die Beklagten halten nur englisches Recht für anwendbar. Die Löschbereitschaftsanzeige könne erst nach Ankunft des Schiffes im Bestimmungshafen wirksam abgegeben
werden.
Die Klage blieb in allen 3 Instanzen erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Charterparty erkennen lasse, ihre Parteien wollten den Frachtvertrag englischem Recht unterstellen. Bereits das Landgericht hatte dies zutreffend damit begründet, daß die Parteien für die Ansprüche, die nicht aus Ereignissen in Australien herrührten, ein Londoner Schiedsgericht gemäß Arbitration Act 1950 vereinbart hatten. Durch die Vereinbarung eines Schiedsgerichts wird regelmäßig zugleich die Anwendung des Rechts seines Sitzes vereinbart (vgl. OLG Hamburg, VersR 1958, 213; OLG Hamburg, AWD 1958, 249). Dabei kann es keine Rolle spielen, daß die Schiedsabrede mangels ausdrücklicher Aufnahme in das Konnossement nach englischem Recht nicht durchgreift. Die Parteien der Charterparty haben jedenfalls, wie das Berufungsgericht ohne Verfahrensverstoß tatsächlich feststellt, durch die Abrede, mag sie auch für den Streit der Parteien keine Wirksamkeit haben, den Willen bekundet, daß englisches Recht anwendbar sein solle.
Die Konnossemente nehmen mit der üblichen Klausel: „All the terms, conditions, clauses and exceptions in the Charterparty are herewith incorporated" auf die Charterparty in vollem Umfang Bezug. Die Auslegung dieser typischen Klausel kann vom Revisionsgericht frei nachgeprüft werden, soweit sie für die Frage des anwendbaren Rechts herangezogen wird. Die Klausel bewirkt, daß die Rechtsbeziehungen des Verfrachters zum Empfänger entsprechend denen zwischen Verfrachter und Befrachter gestaltet werden (vgl. BGHZ 29, 120, 123). Auch eine Vereinbarung über das anzuwendende Recht wird durch sie Bestandteil des Konnossements. Diese Auffassung ist seit langem anerkannt (vgl. bereits RG Bolze, Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 21 Nr. 2 vom 26. Juni 1895; ferner RGZ 122, 316).
Hier sind durch die Bezugnahmeklausel die eingehenden Bestimmungen der Charterparty über den Beginn der Liegezeit, die Löschbereitschaftsanzeige, den Liegeplatz usw. zum Bestandteil des Konnossements gemacht worden, und zwar in der englischen Fassung, der eine umfangreiche Rechtsprechung der englischen Gerichte zugrunde liegt. Gleichzeitig ist insbesondere durch die Schiedsklausel ersichtlich gemacht worden, es solle englisches Recht gelten. Danach ist kein Raum für eine Ergänzung des Parteiwillens hinsichtlich des für die Liegezeit anwendbaren Rechts.
Das Berufungsgericht hat somit zutreffend englisches Recht angewandt. Seine Auslegung durch das Berufungsgericht kann in der Revisionsinstanz nicht nachgeprüft werden (§ 549 ZPO). Die Rügen der Revision, § 293 ZPO sei verletzt, weil das ausländische Recht nicht erschöpfend ermittelt worden sei, bezwecken in der Sache die Nachprüfung irrevisiblen Rechts und sind daher unzulässig (BGH LM ZPO § 293 Nr. 4). Auch die nach § 286 ZPO erhobenen Rügen können nicht beachtet werden, weil sie die Anwendung des vom Berufungsgericht hilfsweise herangezogenen deutschen Rechts betreffen."