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II ZR 23/61 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 28.05.1962
Aktenzeichen: II ZR 23/61
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Norm: § 196 Nr. 6 BGB
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Anwendung des Londoner Schuldenabkommens auf Forderungen niederländischer Gläubiger wegen rückständiger Schiffsmiete aus der Kriegszeit. Ansprüche auf Mietzins für ein vom Schiffseigner selbstgeführtes und bemanntes Schiff verjähren in 2 Jahren (§ 196 Nr. 6 BGB).

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 28. Mai 1962

(Landgericht Duisburg - OLG Düsseldorf)

II ZR 23/61


Zum Tatbestand:

Während des Krieges war dem Beklagten der dem Kläger gehörende, von diesem selbst geführte und bemannte Kahn A auf Grund einer Verordnung des „Departement von Waterstaat" zugewiesen worden. Der in Rotterdam ansässige Kläger verlangt von dem in der Bundesrepublik ansässigen Beklagten die Zahlung rückständiger Schiffsmiete für die Zeit vom 1. B. 1944 bis zur Versenkung des Kahnes am 18. 3. 1945, und zwar Zahlung in holländischen Gulden, hilfsweise in DM.
Auf die Einrede der Verjährung wurde die Klage vom Landgericht abgewiesen, vom Oberlandesgericht jedoch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des Beklagten führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Vertrag, durch den der Kläger dem Beklagten den ihm gehörenden, von ihm geführten und bemannten Kahn „A" zur Verfügung stellte, ist, wie der Senat in einem ähnlichen Fall ausgeführt hat (Urt. v. 22. Mai 1958 - II ZR 281/56 - LM UmstG § 13 Nr. 23, MDR 1958, 586), ein Mietvertrag verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, der hier die weitere Besonderheit aufweist, dass er auch Elemente des Dienstvertrages in sich schließt, da der Kläger auch seine eigenen Dienste dem Beklagten geleistet hat. Die auf Zahlung von holländischen Gulden gerichtete Forderung des Klägers aus diesem Vertrag fällt, wie sich aus dem bezeichneten Urteil ergibt, unter Art. 4 Abs. 1 c, Anl. IV Art. 1 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 (nicht Art. 3, da das Schiff keine im Gebiet der Bundesrepublik belegene Vermögensanlage ist) des Abkommens über deutsche Auslandsschulden (Londoner Schuldenabkommen, künftig Abkommen genannt) vom 27. Februar 1953, das durch Gesetz vom 24. August 1953 (BGBI II, 331) mit seinen Anhängen und Anlagen Gesetzeskraft erhalten hat. Die Niederlande sind dem am 16. September 1953 in Kraft getretenen (BGBI 1953 II, 556) Abkommen gemäß Art. 36 am 1. August 1958 (BGBI II, 336) beigetreten. Hierdurch wurden die Niederlande Gläubiger und Partei des Abkommens (Art. 3b, h).
Eine Schuld ist nach dem Abkommen nur zu regeln, wenn (vom Schuldner ein Regelungsvorschlag gemacht oder) vom Gläubiger eine Regelung verlangt wird (Art. 4 Abs. 3 b), da Anspruch auf Vorteile aus irgendeiner Bestimmung des Abkommens (hier also aus Art. 18) allein solche Gläubiger haben, die (hier bei Schulden, die unter Anl. IV fallen) mit der Festsetzung von Zahlungs- und sonstigen Bedingungen für die Schuld gemäß den in Betracht kommenden Bestimmungen einverstanden sind (Art. 15 Abs. 1); das Einverständnis des Gläubigers mit der Festsetzung von Zahlungs- und sonstigen Bedingungen wird, sofern nicht in einer Anlage zu diesem Abkommen eine bestimmte Form vor gesehen ist, als gegeben angesehen, wenn der Gläubiger in irgendeiner Weise sein Einverständnis klar zum Ausdruck bringt (Art. 15 Abs. 3). Nach Art. 14 der hier einschlägigen Anlage IV des Abkommens bedarf dieses Einverständnis des Gläubigers mit der Regelung der Schuld der Schriftform.
Da ein Einverständnis des Klägers mit der Regelung der Schuld entsprechend dem Abkommen nicht vorliegt, scheitert die Klage an der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Ausführungsgesetzes zum Londoner Schuldenabkommen (AG). Danach darf ein Schuldner Zahlungen nicht bewirken, wenn sie die Erfüllung einer Schuld zum Gegenstand hat, die Schuld aber nicht geregelt ist. Der Hauptantrag der Klage würde überdies auch an § 12 Abs. 1 Nr. 3 scheitern. Eine etwaige Nachholung seiner Einverständniserklärung würde dem Kläger nichts nützen, da wegen der hier in Frage kommenden zweijährigen Verjährungsfrist (s. darüber unten) seine Forderung nunmehr auch bei Anwendung des Art. 18 des Abkommens und des § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Verjährung von deutschen Auslandsschulden (AVG) verjährt wäre. Denn bei Anwendung des Art. 18 des Abkommens und des § 4 Abs. 1 AVG begann die Verjährung der Klageforderung mit dem Ablauf von achtzehn Monaten nach dem Beitritt der Niederlande (l. August 1958), also am 1. Februar 1960 und war daher am 1. Februar 1962 vollendet.
Ein Feststellungsurteil kommt deshalb nicht in Betracht, weil die Forderung des Klägers verjährt ist. Da der Kläger sich mit der Regelung nicht einverstanden erklärt hat, ist § 1 Abs. 1 und nicht § 4 Abs. 1 AVG anzuwenden (Amtl. Begründung zum AVG, Abs. 7 zu § 1 Bd 35 Drucksache Nr. 1387 des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode 1953, abgedr. auch im Bundesanzeiger 1957 Nr. 4). Hiernach bestand eine Ablaufshemmung für die klägerische Forderung bis zum Ablauf von achtzehn Monaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, also bis zum 1. August 1958. Auch wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehen würde, dass die Verjährungsfrist zunächst durchgehend bis zum 1. Februar 1957 gehemmt war und erst mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens (1. Februar 1957) des AVG gleichzeitig mit der Ablaufshemmungsfrist des § 1 Abs.1 AVG zu laufen begann, war sie gemäß § 196 Nr. 6 BGB nach zwei Jahren, am 1. Februar 1959, also vor Erhebung der Klage (diese ist am 20. Oktober 1959 bei Gericht eingereicht worden), abgelaufen. Denn - abgesehen von der Ablaufshemmung nach § 1 Abs. 1 AVG - haben weder eine etwa erforderliche Sondergenehmigung noch das in § 12 AG enthaltene Leistungsverbot eine Hemmung der Verjährung bewirkt (§§ 1 Abs. 1, 9 Abs. 1 AVG); eine Maßnahme nach § 9 Abs. 2 AVG hat der Kläger unstreitig nicht ergriffen. Die Ansicht des Klägers, im Hinblick auf § 201 BGB habe die Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 1957 begonnen, ist irrig (RGZ 120, 355, 362).
Dass für den Klageanspruch die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Nr. 6 BGB gilt, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Nach dieser Vorschrift verjähren in zwei Jahren die Ansprüche derjenigen, welche bewegliche Sachen gewerbsmäßig vermieten, wegen des Mietzinses. Darum handelt es sich hier. Schiffe sind bewegliche Sachen. Nur im Rahmen des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken und des Zwangsversteigerungsgesetzes sind eingetragene Schiffe weitgehend den Grundsätzen des Grundstücksrechts unterworfen, im übrigen sind sie aber als bewegliche Sachen zu behandeln (RGZ 80, 129, 132; Mittelstein, Das Recht der Binnenschifffahrt S. 22; Schaps, Das deutsche Seerecht, 2. Aufl. Anm. 26a der allgemeinen Einleitung).
Es handelt sich hier um einen gemischten Vertrag. Wenn ein Schiffseigner sein einziges Schiff nur vermietet, wird von einer gewerbsmäßigen Vermittlung in der Regel nicht gesprochen werden können, es gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 HGB. Hätte der Kläger nur seine eigenen Dienste dem Beklagten zur Verfügung gestellt, so würde die einjährige Verjährungsfrist des § 117 Nr. 2 BSchG gelten. Hätte der Kläger nur fremde Dienste dem Beklagten verschafft, so würde je nach den Umständen eine zweijährige (§ 196 Nr. 7) oder eine vierjährige Verjährungsfrist (§ 196 Abs. 1 Nr. 1 mit Abs. 2 oder § 197) in Frage kommen. Beim Zusammenhalt aller dieser Elemente ergibt sich die gewerbsmäßige Vermietung nach § 196 Nr. 6 (§ 196 Nr. 3 ist nicht einschlägig, da kein Gesamtraumfrachtvertrag vorliegt, s. das Senatsurteil v. 22. Mai 1958). Die Miete des Schiffes ist der wirtschaftlich gesehen wichtigste, den Charakter des Geschäftes bestimmende Bestandteil des Vertrages; das geht daraus hervor, dass keine besondere Vergütung für die Leistung und die Beschaffung von Diensten, sondern eine einheitliche Gesamtvergütung als Mietzins vereinbart war. Der Kläger hat aus der Vermietung des bemannten Schiffes im Zusammenhang mit seiner eigenen Dienstleistung seinen Erwerb gezogen, die Vermietung des Schiffes unter den vereinbarten weiteren Leistungen des Klägers stellt seine berufsmäßige Einnahmequelle dar (vgl. RGZ 66, 48, 51 f; BGHZ 33, 321, 322). Seine persönliche Tätigkeit steht mit der Schiffsvermietung in so unmittelbarem Zusammenhang, dass sie bei der Frage der Gewerbsmäßigkeit nicht ausgeschieden werden kann (vgl. auch die Ausführungen in RGZ 94, 163 zu einem freilich etwas anders liegenden Fall). Der Sinn und Zweck der zweijährigen Verjährungsfristen in § 196 spricht für die Anwendung dieser Vorschrift. Bei der Vermietung handelt es sich um Leistungen des täglichen Lebens, es ist ein Tagesmietsatz vereinbart, der jeweils in kurzer Frist bezahlt werden sollte. Wenn auch der Vertrag rechtlich als Schiffsmiete verbunden mit Dienstvertrag und Dienstverschaffungsvertrag zu beurteilen ist, fällt wirtschaftlich gesehen der Unterschied zu einem Gesamtraumfrachtvertrag, für den nach § 196 Nr. 3 die zweijährige Verjährungsfrist für die Frachtforderung gilt, nicht so erheblich ins Gewicht, dass nicht auch hier von einem gewerbsmäßigen Handeln, nämlich Vermieten, gesprochen werden könnte. Demnach ist die Verjährung der Forderung des Klägers, der die Regelung seiner Schuld nach dem Abkommen nicht verlangt hat, am 1. Februar 1959 eingetreten.