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II ZR 23/67 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 09.01.1969
Aktenzeichen: II ZR 23/67
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Der nautisch fehlerhafte Kurs eines Schleppbootes läßt nicht ohne weiteres einen Anscheinsbeweis für die Wahrscheinlichkeit eines Verschuldens des geschleppten Anhangs beim Nachsteuern des Kahns oder hinsichtlich seines sonstigen Verhaltens zu.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 9. Januar 1969

II ZR 23/67

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Als der dem Beklagten gehörende und von ihm geführte Kahn C von dem Boot E aus der Ruhrmündung auf den Rhein geschleppt wurde, gierte der Kahn so stark zur Strommitte hin, daß das Schleppboot über Steuerbord zu kentern drohte und deshalb den Schleppdraht loswarf. Darauf schoß C zum linken Rheinufer hin, wo es mit dem zu Tal kommenden Gastankschiff V der Klägerin kollidierte und beide Schiffe beschädigt wurden.
Die Klägerin verlangt Ersatz des von Boot E nicht gedeckten Schadens, soweit er nämlich den Wert des Bootes von DM 52000,- überschreitet, mit der Behauptung, daß der Kahn nicht dem stromgerechten Kurs des Bootes gefolgt sei, zu spät Anker gesetzt und nicht dafür gesorgt habe, daß ihn das Boot mit geringerer Geschwindigkeit auf den Rhein hinausgezogen habe.
Der Beklagte bestreitet das Vorbringen der Klägerin. Die Klage blieb in allen 3 Instanzen erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht hält die Klägerin für beweispflichtig, daß der Beklagte nicht ordnungsgemäß nachgesteuert habe und sieht diese Behauptung als nicht bewiesen an. Es hat festgestellt, daß der Beklagte sofort Anker geworfen habe, als diese Maßnahme notwendig geworden sei, und daß die Geschwindigkeit des Bootes nicht zu hoch gewesen sei. Die Revision sieht die Grundsätze des Anscheinsbeweises durch Nichtanwendung als verletzt an. Zwar kämen diese Grundsätze nicht schon dann in Betracht, wenn nichts weiter vorliege, als daß die Beschädigung eines Schiffes objektiv von einem anderen Schiff herbeigeführt worden sei. Es müsse noch die Wahrscheinlichkeit hinzukommen, daß die Besatzung des schadenstiftenden Schiffes eine Schuld treffe. Diese Wahrscheinlichkeit sei aber vorhanden, wenn sich das Verhalten dieses Schiffes in seiner äußeren Erscheinung als freie, objektiv widerrechtliche Handlung darstelle. So liege es hier. Denn das Ausscheren eines geschleppten Kahnes in so ungewöhnlicher Weise, wie hier vom Berufungsgericht festgestellt, sei in aller Regel die Folge eigenen Steuerungsfehlers. Das Hinausschießen von C in den Strom sei deshalb seiner äußeren Erscheinung nach eine freie Handlung des Beklagten, die die Wahrscheinlichkeit seiner Schuld begründe.
Die Rüge greift nicht durch. Der Beweis des ersten Anscheins setzt einen typischen Geschehensablauf voraus. Der feststehende Sachverhalt muß nach der Lebenserfahrung auf ein Verschulden hinweisen. Daran fehlt es hier, weil das Boot nautisch fehlerhaft den oberen Molenkopf hart anhielt und im kurzen Bogen umfuhr, der Kahn an einem Strang von nur 25-30 m Länge hing und darum dem Kurs des Bootes folgen mußte, wenn er nicht mit Gegenruder gesteuert wurde. Das aber wäre, wie das Rheinschiffahrtsobergericht mit Recht angenommen hat, eine sehr schwerwiegende, durch die Sachlage nicht gebotene Maßnahme gewesen.
Des weiteren greift die Revision die Beweiswürdigung an, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Sie bewegt sich damit auf dem ihr nicht zugänglichen tatsächlichen Gebiet."