Rechtsprechungsdatenbank

II ZR 255/59 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 22.06.1961
Aktenzeichen: II ZR 255/59
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Ein Wendemanöver muß mit einem möglichst engen Drehkreis erfolgen. Andernfalls wird es zur Querfahrt, für welche die Vorschrift des § 46 RheinSchPolVO nicht gilt.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 22. Juni 1961

Rheinschiffahrtsgericht Duisburg / Rheinschiffahrtsobergericht Köln

II ZR 255/59


Zum Tatbestand

An einem Oktobermorgen fuhr bei dichtem Nebel das der Klägerin gehörende, mit Radar ausgerüstete Tankmotorschiff A von seinem Ankerplatz am linken Rheinufer auf der Reede in Emmerich nahe den am linken Ufer liegenden Schiffsstapeln in langsamer Fahrt bergwärts. Das der Bekl. zu 1 gehörende, ebenfalls mit Radar ausgerüstete und vom Bekl. zu 2 geführte Tankmotorschiff B wendete, von seiner Liegestelle im Germaniahafen am rechten Ufer kommend, unter Abgabe von Typhon-Signalen über Steuerbord zu Tal und kam dabei über das ganze etwa 200-250 m breite, völlig freie Fahrwasser hinweg bis in die Nähe der linksrheinisch liegenden Schiffe. Bei km 853,3 kollidierten beide Schiffe.
Die Beklagten wurden in 1. Instanz dem Grunde nach zur Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes verurteilt. Sie beantragten darauf in der Berufung, die Klage wegen Mitverschuldens der KI. nur zur Hälfte dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären. Die Berufung wurde jedoch zurückgewiesen. Auch die Revision blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen

Das ursächliche Verschulden des Beklagten zu 2) an dem Zusammenstoß ist nunmehr außer Streit. Es liegt, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, darin, daß der Beklagte zu 2) in dem völlig freien, etwa 200 bis 250 m breiten Fahrwasser sein Wendemanöver in viel zu weitem Bogen bis in das linksrheinische Fahrwasser ausgeführt hat.
Das Berufungsgericht geht ebenso wie die Revision zutreffend davon aus, daß auf das Talwendemanöver von „B" nach § 47 Nr. 2 RhSchPolVO die Vorschrift des § 46 Nr. 3 anzuwenden ist. Das wendende MTS „B" konnte daher durch Abgabe des Wendesignals verlangen, daß „A", sofern dies nötig und möglich war, seine Geschwindigkeit so weit verminderte und seinen Kurs in der Weise änderte, daß das Wenden ohne Gefahr geschehen konnte. Die Schiffsführung von „A" hat jedoch die Vorschrift des § 46 Nr. 3 nicht verletzt; denn nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts war es nicht nötig, daß das TMS „A" zwecks gefahrloser Durchführung des Wendemanövers von „B" seine Geschwindigkeit verminderte und/oder seinen Kurs änderte. Dem Beklagten zu 2) stand für das Wenden ein völlig freies Fahrwasser von etwa 200 bis 250 m Breite, vom rechten Ufer ab gerechnet, zur Verfügung. Das Wenden muß grundsätzlich in einem möglichst engen Drehkreis ausgeführt werden; andernfalls wird es zur Querfahrt (BGH VersR 1956, 239; 1957, 284), für die § 46 nicht gilt (Kählitz Verkehrsrecht auf Binnenwasserstraßen RhSchPolVO § 49 Anm. 1; Wassermeyer, der Kollisions-Prozel; 2. Aufl. S. 226), für die im übrigen im vorliegenden Fall nicht die nach § 49 Nr. 1 Abs. 2 erforderlichen Schallzeichen gegeben worden sind. Auch wenn MTS
nicht mit einem Hitzler-Ruder ausgestattet gewesen wäre, hätte es bei vorschriftsmäßigem Wenden nur einen Teil des ihm zur Verfügung stehenden Fahrwassers benötigt, so daß das linksrheinisch zu Berg fahrende MTS „A" keine Gefahr für das wendende Schiff bedeutet hätte.
Selbst wenn die Ansicht der Beklagten richtig gewesen wäre, daß eine auf das Drehen beschränkte verstärkte Maschinenkraft eine bei dem unsichtigen Wetter unzulässige (§ 80) Fahrtgeschwindigkeit zur Folge gehabt hätte, so könnte dies unter keinen Umständen die Fahrtweise von „B" rechtfertigen. Denn dann wäre der Beklagte zu 2) nicht in der Lage gewesen, ein ordnungsgemäßes Wendemanöver vorzunehmen und hätte es daher überhaupt unterlassen müssen. Entgegen der Meinung der Revision kommt es auch nicht darauf an, ob der Schiffsführer von „A" das Wendemanöver von „B" erkannt hat oder hätte erkennen müssen. Denn selbst wenn er es schuldhafterweise nicht erkannt hätte, wäre dieses Verschulden für den Unfall nicht ursächlich, da er auch beim Erkennen seine Fahrt unter Beibehaltung des Kurses und der Geschwindigkeit fortsetzen durfte."