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II ZR 28/65 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 18.05.1967
Aktenzeichen: II ZR 28/65
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Der an einer privaten Verladeanlage anlegende Schiffer darf darauf vertrauen, daß der Inhaber der Anlage beim Betrieb der Verladeeinrichtung seine Verkehrssicherungspflichten erfüllt hat.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 18. Mai 1967

II ZR 28/65

(Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

In einem durch einen Stichkanal mit dem Rhein verbundenen Baggersee befindet sich die aus einem Transportband mit Einlaufschurre bestehende Verladeanlage der Klägerin. Unter Führung des Beklagten zu 2 schleppte das dem Beklagten zu 1 gehörende Schleppboot B den ihm gleichfalls gehörenden leeren Kahn V in den See und drehte südöstlich vor der Verladestelle nach Steuerbord, um den Kahn zwecks Beladung unter das Transportband zu bringen. Weil er erkannte, daß die Transportbrücke zu niedrig war, um mit dem Kahn darunter zu kommen, setzte der Schiffsführer des Kahnes den Buganker. Obwohl das Boot den Kopf des Kahnes vom Land abzuziehen versuchte, stieß der Kopf des Kahnes gegen die Transportbrücke, die beschädigt wurde und verschrottet werden mußte.

Die Klägerin verlangt Ersatz ihres Schadens von ca. 42000 DM wegen fehlerhaften nautischen Verhaltens des Beklagten zu 2, der u. a. den Wendebogen zu weit genommen habe und mit seinem Kahn zu nahe ans Ufer geraten sei. Er hätte den Kahn vorher zum Halten bringen müssen. Der Beklagte zu 2 habe mit voller Kraft weitergezogen, obwohl der Kahnschiffsführer in Erkenntnis der Gefahr den Buganker gesetzt habe.
Die Beklagten meinen, daß die Klägerin das Transportband nicht hoch genug eingestellt habe. Den Führern des Schleppzuges seien die Verhältnisse am Baggersee nicht bekannt gewesen.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat sie in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision ist der Auffassung, die Art, wie ein Schiff vorzulegen sei, bestimme der Schiffsführer in eigener Verantwortung. Das ist richtig, aber auch vom Berufungsgericht entgegen der Behauptung der Revision nicht verkannt. Die Revision übersieht, daß der anlegende Schiffer darauf vertrauen durfte - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt -, daß die Klägerin beim Betrieb ihrer Verladeeinrichtung ihre Verkehrssicherungspflichten erfüllt hatte. Das war jedoch nicht der Fall.
Der Ausleger war der Höhe nach verstellbar eingerichtet, so daß er entsprechend dem Wasserstand und der Bauart des zu beladenden Schiffes eingestellt werden konnte. Wenn dies wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, nur unter Zuziehung mehrerer Arbeiter in zeitraubender Arbeit geschehen konnte, so entsprach die Anlage, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausführt, nicht den an eine bewegliche Anlage zu stellenden Erfordernissen; sie war, wie die Revision selbst ausführt, praktisch starr. Die Klägerin kann sich nicht damit entschuldigen, daß das Schiffahrtsamt, das. nach der Behauptung der Klägerin die Anlage laufend überprüft hat, keine Beanstandungen erhoben hat. Es war Sache der Klägerin, vor sich aus für einen ordnungsmäßigen Zustand der Anlage zu sorgen.

Selbst wenn die Anlage starr, also nicht beweglich eingerichtet gewesen wäre, so hätte der von ihr bei hohem Wasserstand den weit aus dem Wasser ragenden Leerschiffen drohenden Gefahr durch entsprechende Wahrschau seitens der Klägerin begegnet werden müssen.

Die Revision meint, der Beklagte habe rechtzeitig erkennen können, daß die Durchfahrtshöhe des Bandes für ein gefahrloses Anlegen des Kahnes nicht ausreiche. Das Berufungsgericht hat das Gegenteil festgestellt, an diese tatsächliche Feststellung ist die Revision gebunden.

Der Beklagte durfte sich auf den ordnungsgemäßen Betrieb des Transportbandes, unter das er nach der ihm erteilten Anweisung den Kahn zu legen hatte, verlassen. Er mußte und durfte seine volle Aufmerksamkeit auf die Navigation seines Schleppzuges mit dem fast 100 m langen Kahn in verhältnismäßig engem Raum richten. In diesem Punkt würde das Verschulden der Leute der Klägerin, insbesondere ihres Gesellschafters P, bei weitem überwiegen. Denn diese beobachteten von Land aus in naher Entfernung das Wendemanöver und konnten von ihrem Standort aus, durch nichts abgelenkt, die Höhe des Auslegers mit der Höhe der vorderen Schiffsaufbauten unschwer vergleichen. Trotzdem haben sie es unterlassen, den Schleppzugführer rechtzeitig zu wahrschauen. Das unterstellte geringfügige Verschulden des Schleppzugführers hat daher bei der Schadensverteilung gemäß § 254 BGB außer Betracht zu bleiben mit der Folge, daß die Klägerin ihren Schaden allein tragen muß.

Ob der beklagte Schleppzugführer nach dem Ankerwerfen des Kahnes dessen Kopf mit mehr oder weniger Kraft abgezogen hat, ist für das Verschulden des Beklagten unerheblich, da es sich nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt um ein Manöver des letzten Augenblicks gehandelt hat. Inwieweit das angebliche Fehlen eines Schiffsjungen auf dem Kahn für den Unfall ursächlich gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich."