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II ZR 41/59 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 12.12.1960
Aktenzeichen: II ZR 41/59
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Der Übereinstimmende Wille der Parteien eines Frachtvertrages über Beförderung von Gütern auf Bundeswasserstraßen, die Wirksamkeit des Vertrages davon abhängig zu machen, daß kein anderes als das vereinbarte, jedoch mit den unabdingbaren Festsätzen in Widerspruch stehende Entgelt gezahlt werden muß, ist für die Wirksamkeit des Vertrages unbeachtlich. In einem Speditionsvertrag können jedenfalls dann keine Vereinbarungen getroffen werden, die von den auf Grund des BinnenschiffsverkehrsG unabdingbar festgesetzten Sätzen abweichen, wenn sich der Spediteur mit dem Versender über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt hat (§ 413 Abs. 1 HGB). Zur Fautfracht (§§ 34, 36 BinnenschiffahrtsG) gehört nicht ein unzulässig vereinbartes Entgelt für Kleinwasserrisikoübernahme, wohl aber das Umschlagsentgelt, wenn der Frachtführer den Umschlag von Bord des Küstenmotorschiffes zum Bord des Binnenschiffes übernommen hat.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 12. Dezember 1960

II ZR 41/59

Zum Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Reederei, die auch Speditionsgeschäfte betreibt. Sie fordert von der Beklagten Fautfracht auf Grund eines Vertrages, nach welchem 7000 t Massengüter von A nach B zu einem Entgelt von insgesamt 14,82 DM pro t „abgewickelt" werden sollten. Dieser Betrag setzte sich unstreitig zusammen aus 13,24 DM behördlich festgesetztem Transportsatz, 0,50 DM Entgelt für Kleinwasserrisikoübernahme und 1,08 DM Binnenumschlagsanteil. U. a. hatte die Klägerin in der Abschlußbestätigung zunächst auch einen Kleinmengenzuschlag bei Partien unter 200 t gefordert, worauf sie jedoch gemäß einer späteren Aktennotiz über eine Aussprache mit der Beklagten verzichtete, obwohl dies den Frachtfestsetzungsbeschlüssen widersprach. Da die Beklagte einen Teil der Güter nicht fristgerecht angedient hatte und nach den Konnossementsbedingungen für einen solchen Fall eine Fautfracht in Höhe von mindestens der Hälfte der Kontraktfracht ausbedungen war, verlangte die Klägerin die Zahlung von 7,41 DM für jede nicht angediente Tonne.
Die Beklagte wurde in 1. Instanz antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Ihre Berufung wurde zurückgewiesen. Die Revision hatte nur teilweise Erfolg.


Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision meint weiter, ein Verzicht der Parteien auf Kleinmengenzuschläge sei rechtsunwirksam. Das ist richtig, da die Kleinmengenzuschläge Teile der auf Grund Rechtsverordnung (§ 29 BSchVerkG) unabdingbar festgesetzten Transportsätze sind (Kählitz, Das Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffahrtsverkehr § 21 Anm. 5). Nicht recht hat aber die Revision, wenn sie ausführt, ein wirksamer Vertrag sei nach §§ 154, 155, 306 BGB nicht zustandegekommen.
Die Parteien haben hinsichtlich der Kleinmengenzuschläge, über die eine Vereinbarung getroffen werden sollte, in Wirklichkeit sich geeinigt, und zwar dahin, daß die Klägerin auf diese Zuschläge verzichtete. Eine ganz andere, von den Vorschriften in §§ 154, 155 BGB nicht berührte Frage ist, ob die getroffene Vereinbarung rechtswirksam ist und im Falle ihrer Nichtigkeit (§ 134 BGB) die Nichtigkeit des ganzen Vertrages nach sich zieht (§ 139 BGB). Nach § 31 BSchVerkG wird die rechtliche Wirksamkeit des Vertrages nicht dadurch berührt, daß in dem Vertrage für Verkehrsleistungen Entgelte vereinbart werden, die von den auf Grund dieses Gesetzes festgesetzten abweichen; in diesen Fällen wird das festgesetzte Entgelt geschuldet. Hinsichtlich der Entgelte für Verkehrsleistungen mißt das Gesetz, soweit die Entgelte unabdingbar sind, dem Parteiwillen überhaupt keine Bedeutung zu; der erklärte Wille einer Partei oder auch der übereinstimmende Wille beider Parteien, die Wirksamkeit des Vertrages davon abhängig zu machen, daß kein anderes als das vereinbarte, jedoch mit den unabdingbar festgesetzten Entgelten in Widerspruch stehendes Entgelt gezahlt werden müsse, ist unbeachtlich. § 31 dient gerade der Aufrechterhaltung von Verträgen über Verkehrsleistungen bei gesetzwidrigen Entgeltsvereinbarungen und schließt eine Anwendung des § 139 BGB aus (Kählitz, § 31 Anm. 1; Vortisch, Binnenschiffsverkehrsgesetz § 21 Anm. 2b, § 31 Anm. 1).
Fehl geht auch die Meinung der Revision, die Klägerin könne sich auf die rechtliche Verbindlichkeit des beiderseits nicht erfüllten Vertragsteils nicht berufen, da die Klägerin die Rechtspflicht gehabt habe, die Beklagte auf die Unmöglichkeit der von ihr gewünschten Vereinbarung über die Kleinmengenzuschläge hinzuweisen. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung könnte nur auftauchen, wenn die Klägerin von der Beklagten Kleinmengenzuschläge fordern würde; er wäre aber auch in diesem Falle schon deshalb unbegründet, weil die beklagte Handelsgesellschaft die gesetzlichen Vorschriften über die Festentgelte für Verkehrsleistungen der Binnenschiffahrt kennen mußte. Aus dem gleichen Grunde wäre auch ein Schadensersatzanspruch auszuschließen (vgl. die gesetzliche Regelung bei Nichtigkeit eines Vertrages, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, in §§ 309, 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Klägerin hat sich nämlich laut ihrem Schreiben vom 10. April 1956 mit der Beklagten über einen bestimmten Satz der Beförderungskosten geeinigt. Selbst wenn die Klägerin nicht Frachtführer, sondern Spediteur wäre, hätte sie daher nach § 413 Abs. 1 HGB ausschließlich die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Sie könnte also keine Vereinbarung treffen, die von den unabdingbar festgesetzten Entgelten für Verkehrsleistungen der Schiffahrt (§ 21 BSchVerkG) abweicht, ohne daß es hier einer Entscheidung bedarf, ob ein Spediteur sonst an diese Sätze gebunden ist, wie dies der Ausdruck „Entgelte für Verkehrsleistungen der Schiffahrt" nahelegt (vgl. Vortisch, BSchVerkG § 21 Anm. 1 b, und Kählitz, BSchVerkG § 21 Anm. 6; ferner die Amtliche Begründung zu § 21, wonach die Speditionsprovisionen zu den Vergütungen für mit der Schiffsbeförderung zusammenhängende Nebenleistungen rechnen, und die entsprechende Regelung im Güterkraftverkehr, § 21 Abs. 2 GüKG). Da die Klägerin auch als Spediteur die Rechte eines Frachtführers hätte, könnte sie auch Faut¬fracht verlangen. Denn die für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien geltenden ADSp, die auch bei der Spedition zu festen Kosten anzuwenden sind (vgl. Schlegelberger-Schröder, HGB 3. Aufl. § 413 Anm. 4), lassen die vereinbarten besonderen Beförderungsbedingungen des in Binnenschiffahrtstransporten sich betätigenden Spediteurs unberührt (§ 2 c ADSp). Demnach gehen die zwischen den Parteien vereinbarten Konnossementsbedingungen der in den ADSp enthaltenen Regelung vor. Nach § 9 der Konnossementsbedingungen könnte die Klägerin, auch wenn sie als Spediteur tätig gewesen wäre, Fautfracht in Höhe der Hälfte der Kontraktfracht geltend machen, so daß es nicht entscheidend darauf ankommt, ob zwischen den Parteien ein Fracht- oder ein Speditionsvertrag geschlossen worden ist.
Es liegt eine „nicht genügende Vertragserfüllung" im Sinne des § 9 der Konnossementsbedingungen vor, die die Klägerin zur Geltendmachung von Fautfrachtansprüchen in Höhe der Hälfte der Kontraktfracht (abweichend von § 34 BSchG: „ein Drittel der bedungenen Fracht") berechtigt.
Der Kleinwasserzuschlag gehört zu dem Transportsatz i. S. des § 21 BSchVerkG, unterliegt also der unabdingbaren Festsetzung. Er darf nur gefordert werden, wenn tatsächlich „Kleinwasser" vorliegt, also der vorgesehene Pegelstand unterschritten ist (Kählitz, BSchVerkG § 21 Anm. 5). Da die Frachtreise nicht ausgeführt ist, kann er nicht als Fautfracht gefordert werden; denn die „bedungene Fracht" (§ 34 BSchG) oder die „Kontraktfracht" (§ 9 der Konnossementsbedingungen) darf nicht den gesetzlich zulässigen Frachtsätzen widersprechen. Dagegen ist der Revisionsangriff hinsichtlich des Betrages von 1,08 DM für Binnenumschlag nicht gerechtfertigt.
Zwar mögen die Frachtenausschüsse nicht für die Festsetzung von Umschlagsentgelten zuständig sein (Kählitz, BSchVerkG § 21 Anm. 13). Damit ist aber noch nicht gesagt, daß diese Entgelte nicht zur Kontraktfracht im Sinne des § 9 der Konnossementsbedingungen (entsprechend der bedungenen Fracht nach § 34 BSchG) gehören. Ob dies der Fall ist, kann nur den Vereinbarungen im Zusammenhang mit den Vorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes entnommen werden. Nach § 41 BSchG hat der Absender in Ermangelung einer besonderen Vereinbarung lose Güter in das Schiff zu liefern (vgl. dazu Mittelstein, Das Recht der Binnenschiffahrt, S. 183); nach § 8 der Konnossementsbedingungen wird die Fracht mangels besonderer Vereinbarungen nach dem Tarif und den dafür bestehenden Bestimmungen berechnet, der Frachtsatz versteht sich, sofern nichts anderes vereinbart, ab und bis Rheinschiff, wobei nach § 2 der Absender die Güter frei verstaut ins Schiff zu laden hat. Wenn auf Grund besonderer, sowohl im Gesetz als auch in den Konnossementsbedingungen vorbehaltener Vereinbarung der Frachtführer die Beladung, hier den direkten Bord/Bordumschlag, übernimmt, so geschieht das im Rahmen des Frachtvertrages und wird durch den „Übernahmesatz", der der abweichend vereinbarte „Frachtsatz" i. S. des § 8 ist, abgegolten. Auch § 66 BSchG, der die Abgeltung der Leistungen des Frachtführers durch die bedungene Fracht in einzelnen Punkten regelt, läßt ausdrücklich abweichende Vereinbarungen zu; auch die vereinbarten erweiterten Pflichten des Frachtführers werden durch die „Kontraktfracht" vergütet. Für den Fautfrachtanspruch ist es gleichgültig, ob der Frachtführer eine solche erweiterte Tätigkeit tatsächlich ausgeführt hat. Die in §§ 34, 36 BSchG als Entschädigung bezeichnete Fautfracht ist (an Stelle der § 649 BGB genannten Vergütung) die Abstandssumme, die der Absender für seine Loslösung vom Frachtvertrag an den Frachtführer zu zahlen hat (RGZ 169, 203, 212); sie umfaßt grundsätzlich einen Bruchteil der ganzen Vergütung, die dem Frachtführer für die Erfüllung seiner Pflichten aus dem Frachtvertrag zusteht. Es geht nicht an, diesen Vergütungsanspruch im vorliegenden Fall in zwei Teile zu spalten, einen für die reine Beförderung und den anderen für Umschlag an der Unterweser, und dem Frachtführer hinsichtlich des ersten Teils einen Fautfrachtanspruch, hinsichtlich des zweiten Teils einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zuzubilligen (vgl. Pappenheim, Handbuch des Seerechts III S. 612 Fußnote 1; Vortisch-Zschucke § 34 Anm. 2 c). Dem Berufungsgericht ist deshalb darin beizutreten, daß das Umschlagsentgelt zur Kontrakt¬fracht gehört, nach der die Fautfracht zu berechnen ist.