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II ZR 57/59 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Schiffahrt)
Entscheidungsdatum: 07.07.1960
Aktenzeichen: II ZR 57/59
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Schiffahrt

Leitsatz:

Werden gelegentlich der Ausführung von Kollisionsreparaturen andere Arbeiten am Schiff ausgeführt, so kommt bei der Berechnung des Nutzungsverlustes nach den Grundsätzen der Vorteilausgleichung eine Aufteilung der für sämtliche Reparaturen gemeinsamen Werftliegezeit in Betracht. Es gibt kein Gewohnheitsrecht, nach dem die Umlegung des Nutzungsverlustes im Verhältnis der für die verschiedenen Reparaturen aufgewendeten Kosten erfolgen muß. Eine etwaige Übung der Versicherer hat keine rechtliche Wirkung für das unmittelbare Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 7. Juli 1960

II ZR 57/59

 

Zum Tatbestand:

Der Kläger ließ während einer Werftliegezeit von insgesamt 24 Tagen Schäden an seinem Motorschiff A ausbessern, den dieses bei 2 Kollisionen, und zwar mit dem Motorschiff B der Beklagten und mit dem Dampfer C erlitten hatte. Außerdem ließ der Kläger während dieser Zeit eine Maschinenreparatur vornehmen. Die Gesamtrechnung der Werft betrug über 150000 DM; auf den Sachschaden durch die Kollision mit Motorschiff B entfielen nur rund 7000 DM.
Die Parteien streiten darum, für welchen Teil der Werftliegezeit, während der dem Kläger täglich ein Nutzungsverlust von über 5000 DM entstanden ist, die Beklagte den entgangenen Gewinn zu ersetzen hat. Der Kläger verlangt Nutzungsverlust für 5 Tage, da durch die Reparatur wegen dieser Schäden die Werftliegezeit um 5 Tage verlängert sei. Die Beklagte meint, der infolge der gesamten Werftliegezeit erwachsene Nutzungsverlust müsse auf die einzelnen Schadensfälle im Verhältnis der durch sie verursachten Kosten verteilt werden. Auf den Schaden aus der Kollision zwischen den Motorschiffen A und B entfielen nur 4,630/0 der gesamten Werftkosten.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ihre Revision war gleichfalls erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Läßt der Reeder bei Gelegenheit der Ausführung der Kollisionsreparaturen mit diesen in der gleichen Arbeitszeit auf der Werft andere Arbeiten am Schiff ausführen, z. B. Überholungsarbeiten, so kann der Grundsatz der Vorteilsausgleichung dahin führen, daß der Nutzungsverlust durch die für sämtliche Reparaturen gemeinsame Werftliegezeit zwischen den Schädigern und dem Reeder angemessen aufgeteilt wird (z. B. OLG Hamburg, HansRGZ 1941 B Nr. 99; auch HansGZ 1928 B Nr. 298). Hier hat der Kläger die Maschinenreparaturen in der Werftliegezeit von 24 Tagen mit einer Reihe von Reparaturen am Schiffskörper, darunter von Schäden aus der Kollision mit „B" der Beklagten und von Schäden aus einer weiteren Kollision mit dem Dampfer „C", ausführen lassen. Das Berufungsgericht stellt fest, daß es möglich war, die Maschinenreparaturen in einer wesentlich kürzeren Zeit als den 24 Tagen fertigzustellen, die für die Schiffskörperreparaturen nötig waren. Die Arbeitskräfte hierfür hätten jederzeit zur Verfügung gestanden. War es möglich, die Maschinenarbeiten in derjenigen Zeit zu erledigen, für die der Reeder den erforderlichen Zeitaufwand trägt, so fehlt es an einem Vorteil, der den Schädigern gutzubringen wäre. Der Reeder hat dann nur eine ihm ohnedies zur Last fallende Werftliegezeit doppelt ausgenutzt und, was die Maschinenreparaturen angeht, keinen Vorteil gehabt, den er nicht auch sonst durch Zusammenlegung der nötigen Reparaturen gehabt hätte.
Die Beklagte, die sich auf die Vorteilsausgleichung berufen hat, mußte, da es sich um einen Einwand handelt (Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 17 II i b), dessen Voraussetzungen behaupten und gegebenenfalls beweisen (RG JW 1909, 455). Der Kläger hat, ohne daß die Beklagte dem substantiiert entgegengetreten ist, angegeben, daß er die Kosten der Werftliegezeit von 20 Tagen selbst getragen habe.
Die Beklagte hat demgegenüber nichts dafür vorgebracht und keinen Beweis dafür angetreten, daß die Arbeiten an der Maschine nicht in der dem Kläger zur Last fallenden Werftliegezeit hätten erledigt werden können. Es fehlt somit an der Darlegung eines durch die Maschinenreparaturen entstandenen ausgleichspflichtigen Vorteils des Klägers.
Die schiffbaulichen Reparaturen, auf die hiernach der Nutzungsverlust aufzuteilen ist, sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gleichzeitig an den mehreren Schadensstellen ausgeführt worden. Sie sind in verschiedene Arbeitsvorgänge zerlegt worden, und zwar in der Art, daß jeweils nur an einer Schadensstelle gearbeitet worden ist. Die Arbeitszeiten, in denen am Steven wegen der von der Beklagten zu ersetzenden Schäden gearbeitet worden ist, sind also nicht auch für Arbeiten ausgenutzt worden, die dem Kläger zur Last fallen. Es fehlt nur an Aufzeichnungen über die Reparaturzeiten an den verschiedenen Schadensstellen, die nacheinander von den verschiedenen Spezialarbeitern aufgesucht worden sind, und damit an einer Möglichkeit, die Werftliegezeit auf die einzelnen Schadensstellen genau aufzuteilen.
Die Revision ist aber der Ansicht, daß leitender Gesichtspunkt für diese Aufteilung ein für die Vorteilsausgleichung bei gleichzeitig ausgeführten Reparaturen festzustellendes Gewohnheitsrecht sein müsse, nach dem die Umlegung des Nutzungsverlustes auf den Reeder und den Schädiger (gegebenenfalls mehrere Schädiger) im Verhältnis der für die verschiedenen Reparaturen aufgewendeten Kosten erfolgen müsse. Die Beklagte hatte gemeint, aus einer behaupteten Übung der Seeversicherer, den Nutzungsverlust bei Sammelreparaturen in einer Werftliegezeit nach dem Verhältnis der Kosten zu regulieren, auf ein Gewohnheitsrecht für die Bemessung des nach §§ 735 ff. HGB zu ersetzenden Schadens schliefen zu können. Jedoch hat es das Berufungsgericht mit Recht abgelehnt, der Beklagten hierbei zu folgen, weil eine Übung der Versicherer, die aus praktischen Gründen getroffen sein mag, keine verbindliche rechtliche Wirkung für das unmittelbare Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger haben könne.
Das Berufungsgericht durfte daher bei der Beurteilung von dem Verhältnis der Reparaturzeiten ausgehen. Zutreffend hat das Berufungsgericht wegen des Fehlens von Aufzeichnungen der Werft die Aufteilung der Reparaturzeiten im Wege der Schätzung vorgenommen und den auf die Kollisionsschäden am Steven entfallenden Teil der Werftliegezeit nach eingehender Würdigung der Aussage des sachverständigen Zeugen D auf fünf Tage geschätzt.
Die Revision meint noch, daß das Schiff infolge der Verbindung der mehreren Ausbesserungen nur einmal zur Werft und ins Dock gekommen sei. Dieser Vorteil müsse den Schädigern gutgebracht werden. Das habe das Berufungsgericht verkannt. Die Rüge ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, daß der Zeuge D unter Berücksichtigung der Sammelreparaturen auf eine Arbeitszeit von fünf Tagen zu Lasten der Beklagten gekommen ist. Die Schätzung zieht also die für alle Reparaturen gemeinsame Zeit des Ein- und Ausdockens (1 bis 2 Tage) in Rechnung.