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II ZR 69/89 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 09.07.1990
Aktenzeichen: II ZR 69/89
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsätze:

Widersprechen im Prüfungsbericht eines seerechtlichen Verteilungsverfahrens mehrere Beteiligte einem angemeldeten Anspruch, so muß sich die Feststellungsklage des Gläubigers (§ 19 Abs. 3 SeeVertO, § 146 Abs. 2 KO) nicht zugleich gegen alle Widersprechenden richten.
Auf die Ausschlußfrist des § 612 HGB ist § 208 BGB nicht entsprechend anwendbar.

Urteil des Bundesgerichtshofs

vom 9. Juli 1990

II ZR 69/89

(Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Landgericht Hamburg)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin hatte den Transport mehrerer Partien Rohkaffee von Vera Cruz (Mexiko) nach Hamburg versichert. Die Beförderung der Partien ist im Dezember 1985/Januar 1986 mit dem MS „J" der Reederei A. erfolgt. Verfrachter war die damalige Zeitcharterin des Schiffes, die Deutsche K. Linie. Bei der Ankunft des MS „J" in Hamburg wies der Rohkaffee Nässeschäden auf.   Zu deren Ausgleich hat die Klägerin an ihre Versicherungsnehmerin, die Konnossementsempfängerin der Güter, 775 269,63 DM gezahlt. Diesen Betrag hat sie mit einer im Februar 1987 erhobenen Klage gegen die Zeitcharterin des Schiffes geltend gemacht. Ferner hat sie mit der Reederei über die Zahlung des genannten Betrages verhandelt. Die Reederei hat der Klägerin die Klagefrist des § 612 HGB bis zum 19. August 1987 verlängert und ihr mit Anwaltsschreiben vom 22. April 1987 — ausgehend von einem Haftungsfonds von 380 000 DM — die vergleichsweise Zahlung von 2000(X) DM angeboten, „um eine komplizierte und langwierige Abwicklung der verschiedenen Schadensersatzansprüche zu vermeiden", wobei es in dem Schreiben abschließend heißt: „Wir haben Ihr Verständnis, daß dieses ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage geschieht". Die Klägerin hat das Angebot mit Anwaltsschreiben vom 4. Juni 1987 abgelehnt, da nach ihr vorliegenden Informationen die Reederei ihre Haftung nicht beschränken könne. Darauf hat die Reederei die Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens durch das Amtsgericht Hamburg am 28. Juli 1987 erwirkt. Dieses hat die Haftungssumme auf 397 259,20 DM festgesetzt und den Beklagten zum Sachwalter bestellt. Die Klägerin hat ihre Forderung von 775 269,63 DM am 15. Oktober 1987 in dem Verfahren angemeldet. Im Prüfungstermin haben der Beklagte und die Reederei das Recht der Klägerin auf Teilnahme an dem Verfahren anerkannt, die Forderung selbst aber nach Grund und Höhe bestritten. Mit der lediglich gegen den Beklagten erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt festzustellen, daß ihr die in dem seerechtlichen Verteilungsverfahren angemeldete Forderung zustehe und sie wegen der Forderung zur Teilnahme an diesem Verfahren berechtigt sei.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:


„Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in TranspR 1989, 448 ff. abgedruckt ist, hat, wie schon das Landgericht, die Auffassung vertreten, daß die Klägerin den Anspruch wegen Beschädigung des Rohkaffees nicht innerhalb der Ausschlußfrist des § 612 HGB gerichtlich geltend gemacht habe und schon deshalb die Klage abzuweisen sei. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Die Klage ist nicht, wie die Revisionserwiderung meint, unzulässig, weil die Klägerin diese allein gegen den Sachwalter erhoben hat und nicht auch gegen die Reederei.
a) Vorliegend ist noch die Seerechtliche Verteilungsordnung vom 27. Juni 1972 — BGBl. I 953 (SeeVertO 1972) anzuwenden . . . Die Schadensreise, aus der die Klägerin den streitigen Anspruch herleitet, hat bereits im Dezember 1985/Januar 1986 stattgefunden. b) Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 SeeVert 0 1972, der dem § 146 Abs. 1 Satz 1 KO nachgebildet ist (vgl. BT.-Drucks. V1/2226 S. 24), „bleibt es den Gläubigern streitig gebliebener Ansprüche überlassen, die Feststellung derselben gegen den Bestreitenden zu betreiben". Insoweit gelten nach § 19 Abs. 3 Satz 2, SeeVertO 1972, „die Vorschriften des 1 146 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 7, der 1/ 147, 148 der Konkursordnung sinngemäß". Von ihnen sieht § 146 Abs. 2 Satz 1 KO vor, daß auf die Feststellung im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben ist. Die genannten konkursrechtlichen Vorschriften regeln allerdings nicht ausdrücklich die Frage, ob sich bei mehreren Widersprechenden die Feststellungsklage des Gläubigers gegen alle richten muß oder ob er sie auch einzeln verklagen kann. Hierzu vertritt das neuere konkursrechtliehe und zivilprozessuale Schrifttum die Auffassung, daß die Einzelklage zulässig ist (Jaeger/ Weber, KO 8. Aufl. § 146 Anm. 7 bis 10; Kuhn/Uhlenbruck, KO 10. Aufl. § 146 Rn. 3a; Kilger, KO 15. Aufl. § 146 Anm. 2 h; liess/ Kropshofer, KO 3. Aufl. § 146 Rn. 6; Rosenberg/ Schwab, Zivilprozeßrecht 14. Aufl. § 50 II 2 b S. 287; Stein/Jonas/Leipold, ZPO 20. Aufl. § 62 Rn. 4 und 6; Zöller/Vollkommer, ZPO 15. Aufl. § 62 Rn. 4 und 6; vgl. ferner RGZ 51, 94, 95). Der Grund hierfür liegt darin, daß mehrere Widersprechende nach dem materiellen Recht nicht zusammen verklagt werden müssen, sie also nicht lediglich in ihrer Gesamtheit sachlich legitimiert sind (vgl. Jaeger/ Weber a.a.O. Rn. 7). Zwischen ihnen besteht nur eine sogenannte besondere Streitgenossenschaft im Sinne der 1. Alternative des § 62 Abs. 1 ZPO wegen der Rechtskrafterstreckung des § 147 Satz 1 KO. Diese nötigt zu einer einheitlichen Entscheidung, wenn mehrere Prozesse gleichzeitig anhängig sind oder wenn in einem Prozeß auf der beklagten Seite mehrere Widersprechende beteiligt sind (vgl. BGHZ 30, 195, 199; 92, 351, 353 f.). Entsprechendes gilt beim seerechtlichen Verteilungsverfahren. Hier sind, wie schon erwähnt, auf die Feststellung streitig gebliebener und noch in keinem Rechtsstreit anhängiger Ansprüche § 146 Abs. 2, § 147 Satz 1 KO sinngemäß anzuwenden (1 19 Abs. 3 SeevertO 1972; ebenso 19 Abs. 3 SeeVertO 1986). Keinen Unterschied macht es, daß im Verteilungsverfahren im Gegensatz zu § 144 Abs. 1 und 2 KO der Widerspruch des oder der Schuldner die Feststellung des streitigen Anspruchs hindert (1 19 Abs. 1 SeeVertO 1972; ebenso § 19 Abs. 2 SeeVertO 1986). Daraus folgt nicht, daß bei dem Widerspruch des Sachwalters und des oder der Schuldner alle aus materiell-rechtlichen Gründen zusammen verklagt werden müssen. Zudem hängt die verschiedene Wirkung des Schuldner-Widerspruchs im Konkurs- und im Verteilungsverfahren offensichtlich damit zusammen, daß das Verteilungsverfahren der Haftungsbeschränkung des Reeders und der ihm gleich behandelten Personen (§§ 486, 487 HGB a.F.; § 486 HGB n.F. in Verbindung mit Art. 1 des Übereinkommens vom 19. November 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderung — BGBl. 1986 II 786) dient, wogegen das Konkursverfahren keine Haftungsbeschränkung des Gemeinschuldners bezweckt. Vielmehr können gegen ihn die nicht befriedigenden Konkursgläubiger ihre Forderungen nach der Aufhebung des Verfahren unbeschränkt geltend machen (§ 164 Abs. 1 und 2 KO).
Richtig ist, daß nach der in BGHZ 76, 206 ff. abgedruckten Senatsentscheidung ein durch die Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens unterbrochener Rechtsstreit (1 8 Abs. 2 SeeVertO 1972; vgl. auch § 8 Abs. 3 SeeVertO 1986) bei mehreren Widersprüchen im Prüfungstermin gegen den Anspruch, der Gegenstand des Rechtsstreits ist, von dem Gläubiger nach § 19 Abs. 3 SeeVertO 1972, 146 Abs. 3 KO nur gegen alle Widersprechenden aufgenommen werden kann (vgl. auch Kuhn/Uhlenbruck a.a.O. § 146 Rn. 16 a). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung stützt diese Entscheidung aber nicht ihre Ansicht, daß die vorliegende Klage unzulässig ist, weil sie allein gegen den Sachwalter und nicht auch gegen die (widersprechende) Reederei erhoben worden ist. Der Senat hat die Notwendigkeit der Wiederaufnahme des Rechtsstreits gegenüber allen Widersprechenden aus der Sonderregelung des § 146 Abs. 3 KO für die zur Zeit des Konkursverfahrens in einem Rechtsstreit bereits anhängigen Forderungen hergeleitet, die Zeit und Kosten sparen sowie den Rechtsstreit rasch zu Ende bringen soll. Durch sie soll „die Gunst und Ungunst der bisherigen Prozeßlage festgehalten werden" (Jaeger/ Weber a.a.O. § 146 Anm. 23). Das erfordert die Fortsetzung des Rechtsstreits hinsichtlich der streitigen Forderung gegen sämtliche Widersprechende. Hingegen spielt dieser Gesichtspunkt im Rahmen des § 146 Abs. 2 KO, der die Feststellung von Forderungen betrifft, die noch nicht Gegenstand eines Rechtsstreits sind, keine Rolle.
2. Nach § 612 HGB a.F. wurde der Verfrachter von jeder Haftung für Beschädigungen der Güter frei, wenn der Anspruch nicht innerhalb eines Jahres seit der Auslieferung der Güter „gerichtlich geltend" gemacht (vgl. hierzu Senatsurt. v. 26. Januar 1970 — II ZR 70/68, VersR 1970, 363, 364) worden ist. Diese Regelung ergibt sich nunmehr aus Absatz 1 Satz 1 des § 612 HGB n.F., der mit Wirkung vom 31. Juli 1986 an die Stelle der alten Fassung dieser Vorschrift getreten ist (vgl. Ar. 1 Nr. 5, Art. 11 Abs. 1 und 2 des Zweiten Seerechtsänderungsgesetzes vom 25. Juli 1986 — BGBl. 11120). Die Jahresfrist ist eine von Amts wegen zu beachtende gesetzliche Ausschlußfrist (vgl. Senatsurt. v. 25. Februar 1960 — II ZR 144/58, LM § 612 BGB Nr. 3). Sie gilt im Hinblick auf § 485 Satz 2 HGB auch zwischen dem Reeder und den Ladungsbeteiligten (vgl. Senatsurt. v. 9. Juli 1973 — II ZR 86/71, LM § 612 HGB Nr. 4). Unbestritten ist, daß die Jahresfrist von den Parteien verlängert werden kann (vgl. Senatsurt. v. 26. Januar 1970 — II ZR 70/68, VersR 1970, 363, 364 sowie v.17. Januar 1974 — II ZR 103/72, VersR 1974, 590; vgl. ferner Prüßmann/ Rabe, Seehandelsrecht 2. Aufl. § 612 Anm. E 2; Schaps/Abraham, Seehandelsrecht 4. Aufl. § 612 Rn. 10; Schlegelberger/Liesekke, Seehandelsrecht 2. Aufl. § 612 Rn. 7). Insoweit sieht § 612 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. nunmehrausdrücklich vor, daß die Frist durch eine zwischen den Parteien nach dem Ereignis, aus dem der Anspruch entstanden ist, getroffene Vereinbarung verlängert werden kann.
Hier ist eine Fristverlängerung zwischen der Reederei und Klägerin bis zum 19. August 1987 abgesprochen worden. Jedoch hat die Klägerin den streitigen Anspruch gegen die Reederei bis zum Ablauf dieser Frist nicht gerichtlich geltend gemacht. Das ist erst mit der Anmeldung des Anspruchs am 15. Oktober 1987 seitens der Klägerin in dem seerechtlichen Verteilungsverfahren geschehen (vgl. § 209 Abs. 2 Nr. 2 BGB in der Fassung des Art. 4 Nr. 1 des auch insoweit nach seinem Art. 11 Abs. 1 und 2 am 31. Juli 1986 in Kraft getretenen Zweiten Seerechtsänderungsgesetzes; vgl. weiter Prüßmann/Rabe a.a.O. § 612 Anm. C 3 c; Schaps/Abraham a.a.O. § 612 Rn. 6; Schlegelberger/ Liesecke a.a.O. Rn. 4; Gramm, Das neue Deutsche Seefrachtrecht 1938 § 612 Anm. 13). Dennoch, so meint die Klägerin, habe sie die Ausschlußfrist des § 612 BGB nicht versäumt, weil die Reederei mit Anwaltsschreiben vom 22. April 1987, worin sie die vergleichsweise Zahlung von 300000 DM angeboten hat, den Anspruch der Klägerin dem Grunde nach anerkannt habe, wodurch der Lauf der Ausschlußfrist in sinngemäßer Anwendung des § 208 BGB unterbrochen worden sei. Demgegenüber sind beide Vorinstanzen der Ansicht, daß es schon zweifelhaft sei, ob die Vorschriften über die Unterbrechung von Verjährungsfristen auf die Ausschlußfrist des § 612 HGB entsprechend angewendet werden könnten. Dem brauche jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, weil jedenfalls das Vergleichsangebot vom 22. April 1987 kein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB darstelle. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision scheitern insgesamt daran, daß eine Unterbrechung der Ausschlußfrist des § 612 BGB durch ein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGit nicht in Betracht kommt.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung — im Gegensatz zu älteren Entscheidungen (vgl. BGHZ 33, 353, 363 m.w.N.) und zur Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGZ 158, 137, 140) — die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, wie der §§ 203, 206, 207 BGB, auf Ausschlußfristen für zulässig erachtet, wobei er auf die Umstände des Einzelfalls sowie den Sinn und Zweck der in Betracht kommenden Ausschlußfrist abgestellt hat (BGHZ 43, 235, 237; 53, 270, 272 ff.; 73, 99, 102 f.; 79, 1, 2 ff.). Diese Auffassung wird auch teilweise in den Kommentaren zum Bürgerlichen Gesetzbuch vertreten (BGB-RGRK, 12. Aufl. Vor § 194 Rn. 7; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. Vorb. zu § 194 Rn. 10; Soergel/ Walter, BGB 12. Aufl. Vor § 194 Rn. 12). Allerdings gibt es auch Kommentatoren, die meinen, daß auf Ausschlußfristen die für die Verjährung geltenden Vorschriften über Hemmung und Unterbrechung nur entsprechende Anwendung finden können, wenn dies im Gesetz besonders angeordnet ist (Erman/Brox, BGB 8. Aufl. Vor § 186 Rn. 2; MünchKomm v. Feldmann, BGB 2. Aufl. § 208 Rn. 1; BGBRGRK, 12. Aufl. Vor § 186 Rn. 4; Palandt, BGB 49. Aufl. § 208 Anm. 1). Im seerechtlichen Schrifttum selbst lehnt Wüstendörfer, Neuzeitliches Seerecht 2. Aufl. S. 293, hinsichtlich der Ausschlußfrist des § 612 HGB grundsätzlich eine Anwendung der Verjährungsvorschriften ab. Demgegenüber wollen Gramm a.a.O., Schlegelberger/Liesecke a.a.O. Rn. 3 und Schaps/Abraham a.a.O. Rn. 4 einzelne Verjährungsvorschriften, vor allem § 203 BGB, im Rahmen des § 612 HGB entsprechend heranziehen. Lediglich Prüßmann/ Rabe a.a.O. Anm. C 1 meinen, daß die Vorschriften über die Verjährung, insbesondere die §§ 194 bis 225 BGB grundsätzlich anzuwenden sind, weil die Ausschlußfrist (des § 612 HGB) nicht wie sonst regelmäßig ein Gestaltungsrecht, sondern einen Anspruch betreffe. Sieht man von dieser vereinzelt gebliebenen Meinung ab, so findet sich, soweit ersichtlich, in Rechtsprechung und Schrifttum keine Stimme, die eine entsprechende Anwendung des § 208 BGB auf Ausschlußfristen bejaht. Auch der Senat ist für die hier zu entdoch der Gedanke, daß die Frage, ob der Anspruch rechtzeitig, also innerhalb eines Jahres geltend gemacht worden ist, wegen des Fehlens jeglicher weiteren Regelung in beiden scheidende Frage, ob § 208 BGB im Rahmen des § 612 HGB analog anwendbar ist, der Auffassung, daß das zu verneinen ist.
Dies folgt allerdings nicht schon aus den Haager Regeln vom 25. August 1924 — RGBI. 1939 II 1049, auf deren Art. 3 § 6 Abs. 4 die Vorschrift des § 612 HGB a.F. zurückgeht, oder aus den diese Regeln teilweise modifizierenden Visby-Rules vom 23. Februar 1968, deren Art. 1 Nr. 2 und 3 zu der teilweisen Neufassung des § 612 HGB durch Art. 1 Nr. 5 des Zweiten Seerechtsänderungsgesetzes geführt hat (Herber, Das neue Haftungsrecht der Schiffahrt, 1989 S. 202). Beide übereinkommen sehen nicht vor, daß bestimmte Ereignisse den Lauf der Jahresfrist (. . . „unless suit is brought within one year" . . .) hemmen oder unterbrechen. Das hat zwar vereinzelt zu der Auffassung geführt, daß die Frist ohne jede Einschränkung läuft (vgl. Götz, Das Seefrachtrecht der Haager Regeln nach anglo-amerikanischer Praxis, 1960 S. 206). Näher liegt jeÜbereinkommen anhand des jeweiligen nationalen Rechts zu beurteilen ist (vgl. Senatsurt. v. 26. Januar 1970 — II ZR 70/68, VersR 1970, 363, 364). Demgemäß ist hier auf die oben dargelegten Grundsätze, insbesondere den Sinn und Zweck der Ausschlußfrist des § 612 HGB zurückzugreifen. Diese bestehen darin, daß der Verfrachter nur zeitlich begrenzt soll in Anspruch genommen werden können, weil die Aufklärung des Sachverhalts bei länger zurückliegenden Vorgängen schwierig ist und eine Beweisnot eintreten kann, zumal der Verfrachter den Entlastungsbeweis (vgl. § 606 Satz 2 HGB) führen muß (Senatsurt. v. 9. Juli 1973 — II ZR 86/71, LM § 612 HGB Nr. 4)„ Mit dieser Zielsetzung, die auch einer alsbaldigen Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten dient, läßt sich aber die sinngemäße Heranziehung einer die Ausschlußfrist durch Handlungen des Verpflichteten verlängernden Verjährungsregelung, wie § 208 BGB sie vorsieht, nicht vereinbaren, zumal die Regelung des § 612 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. deutlich macht, daß eine Fristverlängerung in den Händen beider Parteien liegen soll und sie demgemäß durch eine zwischen ihnen zu treffende Vereinbarung zu erfolgen hat."

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.4 (Sammlung Seite 1308 ff.); ZfB 1991, 1308 ff.