Rechtsprechungsdatenbank

II ZR 81/63 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Entscheidungsdatum: 23.06.1966
Aktenzeichen: II ZR 81/63
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Zur Frage der Fahruntüchtigkeit eines Kahnes, dessen Durchlaßöffnungen in den Schotten wegen Verschmutzung durch die Kleppen (Schieber) nicht dicht verschlossen werden können.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 23. Juni 1966

II ZR 81/63

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort/Rheinschiffahrtsobergericht Köln).

Zum Tatbestand:

Die Klägerin als Ladungsversicherin macht die Beklagte zu 1 als Eignerin und den Beklagten zu 2 als Schiffsführer des Kahnes F für Schäden an versicherten Gütern verantwortlich, die in verschiedenen Laderäumen dieses Schiffes mit wegen einer Lekkage eingedrungenem Wasser in Berührung gekommen waren. Das Schiff hatte unterhalb der Bonn-Beueler Brücke bei einem Köln-Pegel von 0,69 m gerakt und im Raum 4 ein Leck erhalten. Darauf setzte der Beklagte zu 2 das Schiff, um ein Absinken zu vermeiden, auf Grund.
Die Klägerin behauptet, daß das Eindringen des Wassers in die Räume 1-3 und 5-10 darauf zurückzuführen sei, daß die Schotten zwischen den einzelnen Räumen undicht gewesen seien und insbesondere die Kleppen (Schieber) an den Schotten offengestanden oder wegen Verschmutzung geklemmt hätten. Weil dem Beklagten zu 2 diese Mängel bekannt gewesen seien, habe er das Schiff auf Grund gesetzt, was allein wegen des Leckes in Raum 4 nicht erforderlich gewesen sei.
Die Beklagten bestreiten diese Behauptungen. Die Schotten hätten gemäß dem 1950 ausgestellten Schiffsattest nicht dicht und nicht lenzbar zu sein brauchen. Sie seien aber kurz vorher überprüft und in Ordnung befunden worden. Anschließend habe die Prüfstelle „Unitas" ein Tauglichkeitsattest ausgestellt. Wasser sei deswegen in den Schiffskörper und aus Raum 4 in die anderen Räume eingedrungen, weil sich beim Aufgrundsetzen des Kahnes die Bodenkanten verkantet und sich die Nieten gelöst hätten. Außerdem berufen sich die Beklagten auf die Freizeichnung im Konnossement des Frachtführers.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Rheinschiffahrtsobergericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach dem klaren Wortlaut des Art. 53 Nr. 1 UO kann keine Befreiung von der in Art. 21 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VO enthaltenen Bestimmung erteilt werden, wonach Fahrzeuge aus Metall mit wasserdichten Querwänden (Schotten) versehen sein müssen.
Von diesen Erfordernissen befreit das Schiffsattest den Kahn nicht. Das mußte auch den in Antwerpen ansässigen Beklagten klar sein; es kann ihnen nicht abgenommen werden, daß sie den Vermerk auf dem Schiffsattest nicht richtig verstanden haben. Schotten, die nicht wasserdicht sind, erfüllen nicht den Zweck des Gesetzes, die in nicht leck gewordenen Räumen befindliche Ladung vor Beschädigung zu schützen und das Schiff vor dem Sinken zu bewahren.
Nach der in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts ist die Verwringung, auf die die Revision eine Loslösung der Schotten vom Schiffsrumpf stützen will, erst eingetreten, als das Wasser in die übrigen Räume eingedrungen war und das Schiff sich infolgedessen der Flugsohle angepaßt hatte. Einen Rechtsfehler läßt die Feststellung nicht erkennen.
Nach der ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellung des Berufungsgerichts beruhte der Zufluß des Wassers durch die Öffnungen nicht darauf, daß der Schiffer die Kleppen nicht geschlossen hat (insoweit ist das Berufungsgericht dem Vortrag der Beklagten gefolgt), sondern darauf, daß die Kleppen die Öffnungen wegen Verschmutzung nicht genügend verschließen konnten, Diese Feststellung führt - von der Frage der Freizeichnung zunächst abgesehen - zur Haftung der Beklagten. Denn die Beschädigung der Ladungen beruht auf einem rechtswidrigen Unterlassen, da die Beklagten ihre Pflicht, die von ihnen in Obhut genommene Ware vor Beschädigung zu schützen, verletzt haben. Ein Fahrzeug aus Metall, dessen Durchlaßöffnungen in den Schotten von Deck aus nicht zuverlässig wasserdicht abgesperrt werden können, ist fahruntüchtig; denn die Leckage eines Raumes kann dann nicht nur die Beschädigung der Güter in den anderen Räumen herbeiführen, sondern sogar zum Untergang des Schiffes führen. Da sich die Kleppen des Kahnes unter der Strau befinden, hätte der unter der Strau angesammelte Schmutz vor Antritt der Reise beseitigt werden müssen, um zu verhindern, daß sich der Schmutz in den Kleppen, insbesondere in deren Führungsschienen, festsetzte. Dafür war der Beklagte zu 2 nach §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 BSchG verantwortlich. Die Beklagte zu 1 haftet als Schiffseignerin persönlich den Ladungsbeteiligten für die Fahrtüchtigkeit des Kahnes bei Antritt der Reise (§ 8 Abs. 4 BSchG).
Die Beklagten haben schuldhaft gehandelt. Wie bereits ausgeführt, können sie sich auf den Vermerk im Schiffsattest zu ihrer Entlastung nicht berufen. Ebensowenig entlasten die Beklagten das Tauglichkeitszeugnis der Unitas vom 25. Oktober 1955. Der Beklagte zu 2 wußte, wie das Berufungsgericht feststellt, daß die Kleppen ihre Funktion, die Durchlaßöffnungen wasserdicht zu verschließen, nicht erfüllten. Die Beklagte zu 1 hat es unterlassen, bei der letzten Reparatur für die Reinigung des Schiffes zu sorgen, und kann daher nicht geltend machen, sie sei durch das Zeugnis der Unitas wegen solcher Mängel gedeckt, die auf den Schmutz unter der Strau zurückzuführen sind.
Die Berufung des beklagten Schiffsführers auf die Freizeichnung von seiner Haftung wegen Fahruntüchtigkeit des Kahnes gemäß §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 BSchG ist von vornherein ausgeschlossen. Denn der Beklagte wußte, daß die Kleppen nicht dicht hielten. Er hat mindestens bedingt vorsätzlich seine Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Fahrtüchtigkeit des Schiffes verletzt. Die Haftung für Vorsatz kann aber weder nach deutschem Recht (§ 276 Abs. 2 BGB) noch nach schweizerischem Recht (Art. 100 Abs. 1 Schw. Obligationenrecht) im voraus erlassen werden.
Die Revision rügt die beklagte Schiffseignerin, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Frage des Haftungsverzichtes nicht nach deutschem, sondern nach schweizerischem Recht zu entscheiden sei; das Berufungsgericht hätte daher den Wegfall des Haftungsausschlusses für ungenügende Fahrtüchtigkeit des Kahnes nicht auf das deutsche Recht stützen dürfen, sondern hätte prüfen müssen, ob der Haftungsausschluf3 nach Schweizer Recht Bestand hat.
Die Rüge ist nicht begründet.
Nach § 1 Konnossementsbedingungen (K. B.) unterwerfen sich die Absender den KB und, wo diese schweigen, den Bestimmungen des deutschen Binnenschiffahrtsgesetzes; im übrigen gilt das schweizerische Recht. Die Haftung der Beklagten zu 2 für ungenügende Fahrtüchtigkeit gründet sich auf § 8 Abs. 4 BSchG, dessen Anwendung in den KB vereinbart ist. Es fragt sich, ob diese Haftung nach §§ 16 bis 18 KB ausgeschlossen werden kann. Die Frage ist aus denselben Gründen, die der Bundesgerichtshof für die Freizeichnung von der Haftung für verschuldete Seeuntüchtigkeit in NJW 1956, 1965, 1966 f dargelegt hat, zu verneinen, da es sich bei der Stellung eines fahrtüchtigen Schiffes um eine Kardinalpflicht des Schiffseigners und des Frachtführers handelt, die aus schiffahrtstechnischen Gründen nicht wegbedungen werden kann. Die in § 1 subsidiär vereinbarte Geltung des schweizerischen Rechts kommt hier nicht zum Zuge, da nach der Vereinbarung das deutsche Binnenschiffahrtsgesetz vor dem schweizerischen Recht anzuwenden ist."