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III ZR 41/60 - Bundesgerichtshof (-)
Entscheidungsdatum: 24.01.1961
Aktenzeichen: III ZR 41/60
Entscheidungsart: Urteil
Sprache: Deutsch
Gericht: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Abteilung: -

Leitsatz:

Zur Rechtsstellung der Lotsen nach dem Gesetz über das Seelotswesen.

 

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 24. April 1961

III ZR 41/60

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Reichsgericht (RGZ 86, 117; 87, 347; 111, 375) hat die Haftung des Reiches für schuldhafte Pflichtverletzungen beamteter Zwangslotsen im Kaiser-Wilhelm-¬Kanal bejaht, weil die dienstliche Aufgabe der Lotsen, die verantwortliche Führung eines Schiffes durch den Kanal, auch Amtspflichten gegenüber anderen den Kanal benutzenden Fahrzeuge begründe. Die Voraussetzungen, von denen das Reichsgericht bei diesen Entscheidungen ausging, treffen heute nicht mehr zu, nachdem die Rechtsstellung der Lotsen durch das Gesetz über das Seelotswesen vom 13. Oktober 1954 (BGBI II 1035), das auch für den Nord-Ostsee-Kanal gilt (§ 1 Abs. 2), neu geregelt worden ist. Die Lotsen, die in den beiden Revieren des Nord-Ostsee-Kanals tätig sind (vgl. § 2 der Allgem. Lotsenordnung und Lotsensignalordnung vom 20. September 1955 - BGBI II 881), sind nicht Bedienstete des Bundes, sie sind keine Zwangslotsen, ihnen obliegt nicht die verantwortliche Führung des Schiffes.

a) Das Gesetz vom 13. Oktober 1954 unterscheidet Reviere, in denen noch Bedienstete des Bundes als Seelotsen eingesetzt sind, von den Revieren, für die das nicht zutrifft (§ 5 SeelotsG). Im Nord-Ostsee-Kanal sind keine beamteten Lotsen tätig; vielmehr wurde dort die Lotsung schon nach der Polizeiverordnung betreffend den Lotsendienst auf dem Kaiser-Wilhelm-Kanal vom 5. Mai 1924 (abgedruckt bei Schaps, Seerecht, 2. Aufl. Bd. II S. 671) von „selbständigen Lotsen", die zur Ausübung ihres Gewerbes einer besonderen Genehmigung der Kanalpolizeibehörde bedurften (§ 1), ausgeübt (vgl. Bundestagsdrucksache 2. Wahlperiode Nr. 393 S. 10). Nach dem Seelotsen-Gesetz üben die Lotsen am Nord-Ostsee-Kanal ihre Tätigkeit jetzt als freien, nichtgewerblichen Beruf aus, sie führen die Lotsung in eigener Verantwortung - unter Aufsicht nach Maßgabe des Gesetzes - durch (§ 25 SeelotsG). Wenn das Reichsgericht noch in seinem Urteil vom 27. Mai 1933 (RGZ 140, 420, 422) den Lotsenbetrieb auf dem Kanal als „eine öffentlich-rechtliche Veranstaltung, die unterhalten wird einerseits durch die Zurverfügungstellung der beweglichen und unbeweglichen Einrichtungen der Kanalverwaltung, andererseits durch die Beschäftigung selbständiger (nicht beamteter) Lotsen" bezeichnet hat, so entspricht dies auch der heutigen Auffassung, daß die Bundesverwaltung durch die Einrichtung eines geordneten Seelotsenwesens ihrer - hier öffentlich-rechtlich geordneten - Verkehrssicherungspflicht diene (Bundestagsdruchsache Nr. 393 S. 10 und 15). Jedoch bezieht sich dies nur auf die Einrichtung und Unterhaltung eines leistungsfähigen Seelotsbetriebes im Ganzen. Denn in § 3 SeelotsG ist auf den Revieren dem Bund neben der Aufsicht nur die Einrichtung und die Unterhaltung des Seelotswesens, d. h. lediglich die allgemeine Vorsorge für einen leistungsfähigen Lotsbetrieb als Aufgabe zugewiesen (Ausschußbericht Bundestagsdrucksache Nr. 762 S. 1). Die Lotsung des einzelnen Schiffes durch den Kanal ist - das erklärt sich aus dem Wandel der Aufgabe des Kanals - nicht Aufgabe des Bundes. Demgemäß führt der Lotse die Lotsung in eigener Verantwortung durch (§ 25 Abs 2 SeelotsG), wenn auch unter der allgemeinen Aufsicht der Lotsenbrüderschaft und der Aufsichtsbehörde.
b) Entfallen ist auch die weitere Voraussetzung der reichsgerichtlichen Rechtsprechung: Zwangslotsen im Sinne des § 737 HGB gibt es gegenwärtig nicht (Schlegelberger-Liesecke, Seehandelsrecht 1959 zu § 737). Der Seelotse - auch der Kanallotse - berät den Kapitän bei der Führung des Schiffes, er führt das Schiff aber nicht, sondern der Kapitän bleibt verantwortlich (§ 27 SeelotsG). Wenn § 16 der Kanalbetriebsordnung Schiffe bestimmter Größe zur Annahme eines Kanallotsen verpflichtet, so ist dies nicht ein Zwangslotse, sondern ein Pflicht-Beratungslotse (Kallus, Hansa, 1954 S. 1965 ff, 1967); die Verantwortlichkeit für die Führung des Schiffes bleibt dem Kapitän (§ 27 Abs. 2 SeelotsG). Dementsprechend sagt § 21 der Betriebsordnung für den Nord-Ostsee-Kanal, der Kanallotse werde mit Antritt seines Dienstes der Berater des Fahrzeugführers, er stelle seine Erfahrungen und Sonderkenntnisse zur Verfügung, während die verantwortliche Führung dem Fahrzeugführer verbleibe. Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen dem Lotsen und dem Schiff ist ein Vertrag des Privatrechts (vgl. BGHZ 27, 79, 81; Kallus aaO, 1967), der allerdings durch Bestimmungen ergänzt wird, die ihren Grund im öffentlichen Recht haben (vgl. §§ 6, 8, 28 SeelotsG; §§ 20-23 der Betriebsordnung).