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149 C - 3/83 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 23.02.1983
Numéro de référence: 149 C - 3/83
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsätze:

1) Wird in Rheinschiffahrtssachen von beiden Parteien Berufung eingelegt, und zwar von einer bei der Berufungskammer der Rheinzentralkommission, von der anderen bei der innerstaatlichen Berufungsinstanz, so gilt der Grundsatz des Art. 37 M.A., daß das zuerst angerufene Gericht zuständig ist, nur dann, wenn der Gegenstand des Rechtsstreits identisch ist.

2) Der Präfekt des Departements Bas-Rhin ist zur Erhebung einer Klage und zur Vertretung des Departements im Prozeß gesetzlich ermächtigt.

3) Schiffsunfall infolge Anfahrung einer Fähre durch einen Schubverband bei Nacht.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt

vom 23. Februar 1983

(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg vom 14.6.1982 - 3 C 4/80 -)

Tatbestand und Verfahren:

Am 5. Februar 1979, um 2 Uhr 35, fuhr der Schubverband bestehend aus dem Tankmotorschiff "W", das an der Spitze den Tankleichter "SB" und seitwärts das Tankmotorschiff "C" gekuppelt mit sich führte, im Oberwasser der Schleusen Iffezheim. Um 4 Uhr, als Herr M. den Schubverband anstelle von Kapitän S. am Ruder der "W" führte, rammte der Verband die dem Departement gehörende Fähre "D" mit dem Vordersteven der "SB". Anschließend fuhr das Achterschiff der "W" auf das linke Ufer auf. Nachdem es dem Schubverband gelungen war, sich ohne fremde Hilfe freizufahren, setzte er seine Fahrt nach Gambsheim fort. Der Unfall wurde von Herrn Do., Zollbeamter in Drusenheim, beobachtet. Die Besatzung des Schubverbandes leugnet die Anfahrung der Fähre.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 1980, registriert bei der Kanzlei am 30. Dezember, hat der Präfekt des Bas-Rhin, der im Namen und für Rechnung des Departements handelt, beim Rheinschifffahrtsgericht Strassburg Klage gegen die Herren M. et S. sowie gegen die Reederei L. auf Zahlung eines Betrags von 37.735,52 Francs, nebst Kosten, in Wiedergutmachung der Schäden erhoben, die beim Zusammenstoss vom 5. Februar 1979 auf dem Rhein in der Gemeinde Drusenheim entstanden sind, bei dem die Fähre "D" und deren Zufahrtsanlagen beschädigt wurden. Er hat die vorläufige Vollstreckung dieses Antrags gefordert.
 
Zur Begründung hat das DEPARTEMENT BAS-RHIN ausgeführt, Kapitän M. von der "C" und Kapitän S. von der "W" hätten die Schäden schuldhaft verursacht; die Verantwortung der Reederei L. AG sei auf Grund von Art. 3 des Gesetzes vom 15. Juni 1895 über die privatrechtlichen Beziehungen in der Binnenschifffahrt gegeben (Binnenschifffahrtsgesetz).

Die Beklagten beantragen die Unzulässigkeit, hilfsweise die Unbegründetheit der Klage, die Verurteilung des Departements zur Zahlung des Betrags von 5.000,- frs in Erstattung der Auslagen und, falls die Klage für zulässig erklärt wird, die Verurteilung des Departements zur Zahlung eines "Betrags von 1.835,85 Schweizer Franken in Erstattung der am 6. August 1980 fälligen Kosten der Sicherheitsleistung.

Zur Begründung ihrer Anträge haben die Beklagten geltend gemacht:

- das Gericht sei mit der Klageschrift vom 29. Dezember 1980 nicht ordnungsgemäß angerufen worden, denn die Klage konnte nicht ohne vorherige Entscheidung des Generalrats eingelegt werden. Hilfsweise der Direktor der "Affaires Departementales et des Finances" habe den Präfekten außerdem auch nicht rechtmäßig vertreten können, so dass die Klage nichtig sei,

- die Beklagten hätten eine Bankkaution hinterlegt, deren Provision am 6. August 1981 1.835,85 Schweizer Franken betrage,

- das Departement müsse die fälligen Beträge nach diesem Datum bezahlen, und sie hätten die Absicht, die Rückstellung dieser Beträge zu fordern,

- hilfsweise zur Sache und ohne auf die erhobene Einrede zu verzichten, möchten sie darauf hinweisen, dass sie nicht zur Wiedergutmachung der Schäden verpflichtet werden könnten, da sie nicht die Urheber des Unfalls seien. Falls aber aus einem unerklärlichen Grund das Gericht eine gegenteilige Auffassung vertreten sollte, wäre der Staat gehalten, die Zinsen der geforderten und dem Departement zu Unrecht gewährten Sicherheitsleistung zu erstatten, sofern sie den Betrag  der Forderung von 37.735,52 Francs zu den angewandten Zinsen überschreiten.

Am 14. Juni 1982 hat das Rheinschifffahrtsgericht, indem es den Anträgen der Beklagten im wesentlichen stattgab,  folgendes Urteil gefällt:

Das Gericht

- erklärt die Klage des DEPARTEMENTS BAS-RHIN für unzulässig und weist sie ab,

- verurteilt das Departement Bas-Rhin, an den Beklagten in Anwendung von Art. 700 der Neuen Zivilprozessordnung den Betrag von 1.000,- Francs zu zahlen,

- verurteilt es darüber hinaus zu den Gerichtskosten.

Die Entscheidungsgründe des Erstrichters können wie folgt zusammengefasst werden:

Die Commission Departementale sei keinesfalls zur Genehmigung des Verfahrens befugt gewesen. Hierzu hätte es einer Sonderberatung des Generalrats bedurft. Der Generalrat hätte die Commission Departementale nur zur Vertretung des Departements vor den Verwaltungs- und Zivilgerichten - Bestellung der Rechtsanwälte, soweit erforderlich - ermächtigt, nicht aber dazu, im Namen des Departements Klage bei Gericht einzuleiten. Der Wortlaut der Ermächtigung lasse nicht erkennen, dass der- Conseil General außer dem einfachen Vertretungsmandat noch andere Befugnisse übertragen wollte. Ein solches Mandat - im Grunde ein Mandat ad litem - befuge nur dazu, alle für die Prozessabwicklung erforderlichen Verfahrenshandlungen durchzuführen, nicht aber dazu, Klagen im Namen des Departements einzulegen oder zu unterstützen. Da die Klage ohne ordnungsgemäße  Erteilung der Rechtsfähigkeit eingelegt worden sei, müsse sie für unzulässig erklärt werden.

Der Vorderrichter führt weiter aus, dass im vorliegenden Fall die Ermächtigung der Commission Departementale auch nicht mit dem Argument der Dringlichkeit zu rechtfertigen sei, denn das Departement sei durchaus in der Lage gewesen, sich über den Sachverhalt zu informieren und über die Zweckmäßigkeit einer Klage zu entscheiden, die Klage einzureichen oder sie vor Ablauf der Verjährungsfrist anzustrengen. Da schließlich die Gerichtskosten von der unterlegenen Partei zu tragen sind, gebiete es nach Ansicht des Erstrichters die Gerechtigkeit, dass ein Teil der Auslagen der Beklagten dem Departement auferlegt wird.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 1982, der dem Rheinschifffahrtsgericht Strassburg am 23. Juni zugestellt wurde, hat das Departement Bas-Rhin Berufung gegen das vorgenannte Urteil vom 14. Juni 1982 eingelegt, und dabei ausdrücklich erklärt, die Berufung bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt anzubringen. Das Departement. Bas-Rhin, das seine Berufung bereits in seiner Berufungserklärung begründet hat, erläutert seine Gründe für die Berufung in zweiter Instanz in mehreren nachgereichten Berufungsschriften, insbesondere vom 26. Juli und 11. August 1982.

Das Departement Bas-Rhin, das seinen Vortrag aus dem ersten Rechtszug wiederholt, bittet die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt:

1) seine Berufung für zulässig zu erklären,

2) das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts vom 14.Juni 1982 aufzuheben,

3) die Reederei L. sowie die Streitgenossen M. und S. zu verurteilen, an das Departement Schadenersatz in Höhe von 37.750,52 Francs, nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 30. Dezember 1980, 
 
Zur Begründung seiner Anträge macht das Departement Bas-Rhin zunächst geltend. Gemäß Gesetz vom 10. August 1871 bedürften gerichtliche Klagen des Departements zwar der Genehmigung des Conseil General, doch könne dieser die Commission Departementale zur Vertretung des Departements vor Gericht ermächtigen, und diese Ermächtigung befuge die Commission Departementale, über die Einlegung gerichtlicher Klagen im Namen des Departements zu entscheiden. Der Präfekt sei für die Durchführung der verschiedenen Prozesshandlungen zuständig, d.h. für die Vertretung des Departements bei der Verhandlung. Diese Unterscheidung ergebe sich aus dem Gesetz vom 10. August 1871, das für gerichtliche Klagen eine regelrechte Befugnistrennung vorsehe. Wie der Erstrichter zu behaupten, dass der Conseil General der Commission Departementale die Prozessführung übertragen habe, wäre eine Verkennung dieser Aufgabenteilung, hilfsweise die Ermächtigung der Commission Departementale sei im vorliegenden Fall durch die Dringlichkeit der Angelegenheit gerechtfertigt. Wenn schließlich die Klageschrift von Herrn Vogel, Directeur des Affaires financieres et departementales, in Vertretung des Präfekten unterzeichnet worden sei, so sei er dazu in Abwesenheit des Generalsekretärs aufgrund von Artikel 7 des Dekrets vom 15. März 1964 befugt gewesen, wonach der Präfekt hohe Beamte der Präfekfuren zur Unterzeichnung an seiner Stelle ermächtigen könne. Zur Sache gehe aus den Protokollen der Wasserschutzpolizei eindeutig hervor, dass es zu dem Unfall gekommen sei, weil die verantwortlichen Führer des Schubverbandes der REEDEREI L. die Gewalt über die Fahrzeuge verloren hätten.

In Ihrer Berufungserwiderung führen die Beklagten M., S. und die REEDEREI L. aus, dass sie mit Schriftsatz vom 16. Juni 1982 Berufung vor dem Rheinschifffahrtsobergericht Colmar eingelegt haben, so dass die Zentralkommission sich für unzuständig erklären und den Rechtsstreit gemäß Art. 37 bis Mannheimer Akte an dieses Gericht zurückweisen. Hilfswelse fordern die Beklagten die Bestätigung des angefochtenen Urteils aus den vom Vorderrichter anerkannten Gründen, die sie ausdrücklich wiederholen, sowie aus den in ihren erstinstanzlichen Anträgen vom 6. November 1981 und 15. Februar 1982 dargelegten Gründen, die sie vor der Zentralkommission der Rheinschifffahrt ausdrücklich wiederholen. Im übrigen machen die Beklagten, ohne auf ihre Berufung zu verzichten, weiter geltend, dass die vom Vorderrichter gemäß Art. 700 der Neuen Zivilprozessordnung festgesetzte Summe unzureichend sei und nicht den Auslagen entspreche, die sie wegen des Umfangs des Rechtsstreites hätten,, Sie vertreten schließlich die Auffassung, dass gemäß Art. 37 Mannheimer Akte die nach Ablauf der 4-wöchigen Berufungsfrist eingereichten Berufungsschriften der Berufungskläger für die Verhandlung nicht berücksichtigt werden sollten, insbesondere die Anträge vom 26. Juli 1982.

Die Beklagten beantragen daher bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt,

- den Rechtsstreit an das Rheinschifffahrtsberufungsgericht Colmar zurückzuverweisen,

- das Departement zu sämtlichen Gerichtskosten und hilfsweise in der Sache zu verurteilen,

- das angefochtene Urteil zu bestätigen und auf die Berufung hin, die nicht die Rücknahme der vor dem Berufungsgerichtshof Colmar eingelegten Berufung bedeutet,

- das mit Berufung belegte Urteil abzuändern,

- das Departement Bas-Rhin zu verurteilen, an die Antragstellerin die Summe von 37.755,52 Francs nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 14. Juni 1982 zu zahlen,

- das Departement zu sämtlichen Kosten zu verurteilen.

Entscheidungsgründe:

Es wird auf die Prozessakten, die ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung übermittelten und beigebrachten Unterlagen, auf das angefochtene Urteil und die Schriftsätze der Parteien, auf die die Berufungskammer im Bedarfsfall für eine ausführliche Darstellung des Sachverhalts und der Rechtsgründe Bezug nimmt, verwiesen.

Die Berufung des Departements Bas-Rhin und die von den Beklagten M. und S. und der REEDEREI L. eingelegte Berufung sind formgerecht und gemäß der Mannheimer Akte erhoben worden.

- Zulässigkeit der Berufungskammer

Artikel 37bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte bestimmt: "Haben in einem Rechtsstreit sowohl der Kläger als auch der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt, und zwar der eine bei der Zentralkommission und der andere bei der innerstaatlichen Berufungsinstanz, so entscheidet das zuerst angerufene Gericht über beide Berufungen".

Diese Bestimmung gilt nur für den Fall, dass der Gegenstand des Rechtsstreites identisch ist. Sie regelt demnach nicht -den Fall, dass eine der Parteien -und zwar diejenige, die im Rechtsstreit mit allen Anträgen Erfolg gehabt hat- das nationale Obergericht anruft, nur um eine Erhöhung des nach Art. 700 der Neuen Zivilprozessordnung zugestandenen Betrags durchzusetzen, während die andere - unterlegene Partei- Berufung bei der Zentralkommission eingelegt hat, um den Rechtsstreit insgesamt prüfen zu lassen. Urteile, die in solchen Fällen gefällt werden können, sind durchaus vollstreckbar (sehen sich nicht der Unmöglichkeit der Vollstreckung ausgesetzt) zumal sie unterschiedliche, wenn auch zusammenhängende Streitgegenstände betreffen. Eine solche Lösung ist zulässig, dies wird nicht nur in der Doktrin (Repertoire de Droit commercial, 2. Auflage, Encyclopedie Dalloz V° Navigation Rhenane et Mosellane n° 440 und folgende; Henri Walther," La-Revision de la Convention de Mannheim pour La Navigation du Rhin in Annuaire Francais de Droit international 1965, Seite 816), sondern auch in den Entscheidungen der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt erkennbar, die in zwar unterschiedlichen, aber doch ähnlichen Fällen anerkannt hat, dass in demselben Rechtsstreit das nationale Obergericht und die Zentralkommission gleichzeitig angerufen werden können, vorausge¬setzt der Streitgegenstand ist nicht identisch(Urteil vom 23.6.1970 -4 Z-1/70- BECKER ./. TIEDTKE, Urteil vom 4.5.1974 -26 Z-4/74- Fa.DAMCO SCHEEPVAART-MAATSCHAPPIJ N.V. ./. DUISBURG-RUHRORTER-HAFEN-AG . ).

Im vorliegenden Fall hat das Rheinschifffahrtsobergericht Colmar als zuerst angerufenes Gericht nur über die gemäß Art. 700 der Neuen Zivilprozessordnung geforderte Summen zu entscheiden, wohingegen die Berufungskammer sich über die Zulässigkeit der Klage und das Haftungsprinzip auszusprechen hat. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass das Rheinschifffahrtsgericht sämtlichen Anträgen der Beklagten, mit Ausnahme der Erstattung eines Teils der ihnen entstandenen und nicht in den Gerichtskosten enthaltenen Unkosten, stattgegeben hat.

Die Berufung der Beklagten betrifft mithin einen durchaus unbedeutenden Aspekt, der mit dem eigentlichen Rechtsstreit zwischen den Parteien nichts zu tun hat, weil die Festsetzung der Entschädigung gemäß Art. 700 der Neuen Zivilprozessordnung völlig unabhängig ist von der Frage der Zulässigkeit oder der Begründetheit der Klage des Departements Bas-Rhin.

Im Übrigen wäre es auch schwer begreiflich, dass die Partei, für die wichtige Interessen auf dem Spiel stehen, wegen einer Berufung in einem so nebensächlichen und speziellen Punkt das Recht auf Anrufung ihres gesetzlichen Richters versagt werden soll.

Das Gegenteil hieße, die unterlegene Partei um ihr Recht bringen, zwischen zwei Berufungsinstanzen zu wählen und dies zum Vorteil der Partei, die in allen Punkten obsiegt und nur in einem nebensächlichen und ganz speziellen Punkt, der mit dem eigentlichen Rechtsstreit zwischen den beiden Parteien nichts zu tun hat, Berufung eingelegt hat.

Unter diesen Umständen ist die Berufung des Departements Bas-Rhin bei der Zentralkommission für zulässig zu erklären, da diese für die Prüfung des Rechtsstreits zuständig ist. Die Rechtssache ist mithin nicht an das Rheinschifffahrtsberufungsgericht Colmar zurückzuweisen.
 
- Zulässigkeit des vom Departement Bas-Rhin eingeleiteten Verfahrens

Nach dem Gesetz vom 10. August 1871 werden gerichtliche Klagen des Departements vom Conseil General genehmigt. Diese Genehmigung kann aber auch von der Commission Departementale erteilt werden, wenn diese vom Conseil General hierzu ermächtigt worden ist oder wenn dringende Umstände vorliegen.

Im vorliegenden Fall hatte der Conseil General des Bas-Rhin die Commission Departementale mit Beschluss vom 27. Oktober 1980 zur Vertretung des Departements in Verfahren vor Verwaltungs- und Zivilgerichten ermächtigt. Aufgrund dieser Ermächtigung war die Commission Departementale zu der Entscheidung befugt, Klage im Namen des Departements einzulegen, wie dies übrigens erneut vom Conseil General des Bas-Rhin bestätigt wurde, der in seiner Sitzung vom 18. Oktober 1982 bekräftigt hat, dass die am 27. Oktober 1980 erteilte Ermächtigung die Entscheidung über die Erhebung von Klagen im Namen des Departements einschließe.

Das Gesetz vom 10. August 1871 hat für gerichtliche Klagen des Departements eine Befugnistrennung vorgesehen: die Genehmigung der Klagen ist Sache des Conseil General, es sei denn, dieser hat die Commission Departementale hierzu ermächtigt, der Präfekt ist nach dem Gesetz für die verschiedenen Verfahrenshandlungen zuständig, d.h. er vertritt das Departement bei der Verhandlung. Nimmt man wie der Erstrichter an, dass der Conseil General der Commission Departementale die Leitung des Verfahrens und die Durchführung der für den Prozessablauf erforderlichen Handlungen übertragen hat, verkennt  man aber gerade diese Aufgabenteilung.

Wenn nämlich die Ermächtigung nur als eine Erlaubnis zur Durchführung der verschiedenen Verfahrensformalitäten zu sehen wäre, hätte sie weder Sinn noch Bedeutung.

Daraus lässt sich schließen, dass der Conseil General, indem er die Commission Departementale zur Vertretung des Departements vor Gericht ermächtigt hat, nur die Entscheidung über die Anrufung der Gerichte gemeint haben kann.

Die Beklagten, die ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug wiederholen, machen weiter geltend, dass zum einen die Klageschrift des Departements verspätet eingereicht worden sei, denn der Beschluss der Commission Departementaler  der den Präfekten zur Einleitung des Verfahrens ermächtigt, sei während des Verfahrens und nach Ablauf der Verjährungsfrist ergangen. Zum anderen sei die Klageschrift von Herrn VOGEL, Directeur de Prefecture, unterzeichnet worden, obwohl dieser hierzu nicht ordnungsgemäß ermächtigt worden sei.

Ständige Rechtsprechung ist diesbezüglich, dass der Beschluss des Conseil General oder der Commission Departementale nach der Hinterlegung der Klageschrift und solange das Gericht noch nicht entschieden hat, gefasst werden kann und dann das Verfahren regularisiert. Bis zu diesem Beschluss ist das vom Präfekten eingeleitete Verfahren als vorsorgliche Maßnahme zu betrachten, die zu den Befugnissen des Präfekten gehört. Wenn der  Präfekt vor Ablauf der Verjährungsfrist Klage erheben muss, damit diese zulässig ist, so braucht die regularisierende Genehmigung des Conseil General oder der Commission Departementale nicht innerhalb dieser Frist erteilt zu werden.
 
Im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Klageschrift ist daran zu erinnern, dass Herr VOGEL, Directeur de Prefecture und Beamter des Cadre national des Prefectures durch Erlass des Präfekten vom 1. September 1978 ermächtigt worden ist, in Abwesenheit oder bei Verhinderung des Generalsekretärs dessen Aufgaben wahrzunehmen. Hierzu gehört die Verwaltung des Departements, was die Vertretung des Departements vor Gericht einschließt. Da der Generalsekretär am 30. Dezember 1980 verhindert war, hat selbstverständlich Herr VOGEL die Klageschrift unterzeichnet.

So bestimmt Art. 5 des Dekrets 64-250 vom 14. März 1964 über die Befugnisse der Präfekten, dass der Präfekt den Beamten des cadre national des Prefectures Befugnisse in den dem Innenministerium unterstehenden Angelegenheiten und den Dienststellenleitern des Departements Befugnisse in den übrigen Angelegenheiten übertragen kann.

Hierzu muss bemerkt werden, dass Rechtsstreite der lokalen Behörden zu dem Teil ihrer Tätigkeit gehören, der vom Innenminister kontrolliert wird, und somit Bestandteil der Angelegenheiten sind, die im Sinne von Art. 5 des Dekrets vom 14. März 1964 diesem Minister unterstehen. Demnach war Herr VOGEL durchaus befugt, in Vertretung des Präfekten die Klageschrift vom 30. Dezember 1980 zu unterzeichnen.

- Antrag der Beklagten (Schriftsatz vom 27. August 1982), die nach Ablauf der in Art. 37 Mannheimer Akte vorgesehenen Frist eingereichten Schriftsätze der Berufungsklägerin bei der mündlichen Verhandlung außer Betracht zu lassen.

Laut Art. 37 Mannheimer Akte wird die Befassung der Berufungs-kammer durch die Berufungsschrift, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung, bestimmt, mit anderen Worten, die Forderungen der Parteien, die den Streitgegenstand bestimmen, werden ausschließlich durch diese Schriftstücke festgelegt, es sei denn schwerwiegende Gründe oder neue Tatsachen, die eine Änderung des Urteils bewirken könnten, werden zur Begründung neuer Anträge geltend gemacht, über deren Zulässigkeit die Berufungskammer dann entscheiden würde.

Unbeschadet dieser vorstehend erwähnten Regeln steht es den Parteien jedoch frei, Schriftsätze auszutauschen und in das Verfahren Plädoyersaufzeichnungen oder sonstige Aktenstücke einzubringen; diese Unterlagen können die Übertragungswirkung der Berufung nicht beeinträchtigen, die ausschließlich durch die Berufungsschrift, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung bestimmt wird; demnach sind also Schriftsätze, die von der Klägerin nach Ablauf der nach Art. 37 vorgesehenen Frist eingereicht werden, nicht von der Verhandlung auszuschließen.
 
- Unfall, bei dem die Fähre "D" angefahren und beschädigt wurde

Es ist unbestritten, dass die Motorfähre "D", die Eigentum des Departements Bas-Rhin ist und linksrheinisch (auf französischer Seite) bei Rhein-km 318,400 auf dem Grund und Boden der Gemeinde Drusenheim (Bas-Rhin) lag, am 5. Februar 1979 um 4 Uhr von einem zu Berg fahrenden Schubverband angefahren worden ist.

Die Fähre "D" wurde von hinten angefahren und dabei auf die Autozufahrtsrampe geschleudert. Sie geriet dadurch oberstromseits schräg auf die Betonzufahrtsrampe, während der Achterteil weiter auf dem Wasser schwamm.

Einziger Zeuge dieses nächtlichen Unfalls war Herr Do. Jacques, Zollbeamter und Leiter der Zollstelle, der in seiner Dienstwohnung am Drusenheimer Brückenkopf von dem Aufprallgeräusch aufgeweckt wurde und aus einem Fenster, das direkt auf den Rhein zeigt, einen Tankschubverband beobachten konnte, der sich am linken Ufer des Stroms, unmittelbar unterhalb der Fähre "D" freifuhr.

Die vom Schifffahrtsdienst Strassburg benachrichtigte Wasserschutzpolizei Gambsheim begab sich unverzüglich an Ort und Stelle, um Ermittlungen anzustellen. Dabei stellte sie fest, dass die Fähre, ihrer Position nach zu schließen, nur von einem bergwärts fahrenden Schubverband ange¬fahren worden sein konnte.

Die Wasserschutzpolizei hatte nach rascher Kontrolle herausgefunden, dass ein einziger Tankverband zur Unfallzeit zwischen den Schleusen Iffezheim und Gambsheim verkehrte. Somit konnte es sich also nur um den Tankverband bestehend aus dem Schubmotorschiff "W", dem davor gekuppelten Tankleichter "SB" und dem backbord gekuppelten Motorschiff "C" handeln. Dieser Schubverband hatte die Schleusen Iffezheim um 2 Uhr 35 in Richtung Gambsheim verlassen. So konnte festgestellt werden, dass zwischen 23 Uhr 40 am Vortage(d.h. am 4.Februar 1979), der Ankunftszeit des vor dem besagten Schubverband in Iffezheim zuletzt durchgeschleusten Schiffes und um 2 Uhr 35, der Ausfahrtzeit dieses Verbandes aus den genannten Schleusen sich kein anderer zu Bergfahrender Tankfahrzeugverband in der Schleuse Iffezheim befand.

Nachdem die mutmaßlichen Urheber der Anfahrung der Fähre "D" ausgemacht worden sind, konnte die Wasserschutzpolizei Gambsheim den Vordersteven des an der Spitze des Schubverbands gekuppelten Leichters "SB" besichtigen und dabei feststellen, dass er zahlreiche Aufprallstellen aufwies. Eine dieser Stellen war frisch und lag genau auf der Höhe des Pfeilerkopfes der mobilen Rückwand der Fähre. Diese Aufprallsteile lag 1,64 m über der Wasseroberfläche und damit genau auf der Höhe des Pfeilerkopfes der mobilen Einschiffungswand, wenn die Fähre auf dem Wasser ist. Hierzu ist zu bemerken, dass diese Höhe stets unver¬ändert ist, da die Fähre nachts in Ruhestellung ist und die bewegliche Rückwand dabei aus Sicherheitsgründen in maximaler senkrechter Position ist. Schließlich werden diese Feststellungen der Wasserschutzpolizei Gambsheim durch Ingenieur Ro. bestätigt, der erklärt, er habe nach dem Unfall den Vordersteven des an der Schubverbandspitze gekuppelten Leichters "SB" kontrolliert und dabei Schäden festgestellt, die den Spuren an der Fähre "D" entsprachen.

Trotz dieser von der Wasserschutzpolizei zusammengetragenen Indizien, die zur Genüge bewiesen,   dass der Unfall von dem Schubverband bestehend aus "W", "SB" und "C" verursacht worden ist, leugnete die Besatzung des Schubverbands die Tatsachen.

Hierzu muss darauf hingewiesen werden, dass die Kapitäne M. und S. bei den Ermittlungen der Wasserschutzpolizei ein sehr merkwürdiges Benehmen zeigten. Sie haben es nicht nur unterlassen, Unfallmeldung zu machen,  sondern sich bei ihrer Vernehmung auch geweigert, die Bordpapiere vorzuzeigen. Kapitän S. hat übrigens erklärt: "Ich gebe zu, Ihnen am 5. Februar 1979 mein Bordbuch aus der Hand gerissen zu haben, als Sie es kontrollierten, weil es ein Lügenbuch ist, das es nicht geben sollte, und weil ich nervös war. Ich gebe also zu, dass ich die Beherrschung verloren und Sie gestoßen habe, um Ihnen die Papiere aus der Hand zu reißen. Ich gebe zu, zwei Gendarmen In den Raum neben dem Steuerhaus des Schiffes der Wasserschutzpolizei Gambsheim gestoßen zu haben."

Zur Schuldfrage ist zunächst zu sagen, dass Schiffsführer M. von der "C", der den Verband im Zeitpunkt des Unfalls am Ruder der "W" führte, einen schwerwiegenden Fehler begangen hat, als er in Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht den Damm und die Fähre "D" anfuhr. Der Schifffahrtsfehler des Kapitäns M. war umso schwerwiegender, als zur Unfallszeit ausgezeichnete Sicht herrschte, was übrigens auch von Herr DO. in seiner Aussage bestätigt wurde.

Im Übrigen hat Kapitän M. einen Fehler begangen, als er bei der Fahrt Radar benutzte, denn er besaß kein Radarschifferzeugnis.

Kapitän S. von der "W" handelte schuldhaft, weil er Kapitän M. die Führung seines Schiffes anvertraute und diesen die Radaranlage benutzen ließ, obwohl er genau wusste, dass er nicht Inhaber des Radarschifferzeugnisses ist. Dadurch hat der Kapitän einen schweren Fehler begangen, der ursächlich für den Unfall war.

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Ursache des Unfalls vom 5. Februar 1979 allein in dem schuldhaften Verhalten der Kapitäne M. und S. begründet ist.

Nach Art. 3 des Gesetzes vom 15. Juni 1895 haftet der Schiffseigner für Schäden, die die Besatzung des Schiffes andern schuldhaft zufügt.
 
Für die erwiesenen Fehler der Schiffsführer M. und S. sind demnach nicht nur diese  Schiffsführer selber, sondern auch der Reeder, REEDEREI L., verantwortlich.

Den Anträgen des Departements Bas-Rhin ist mithin  stattzugeben und die Beklagten zur Zahlung der geforderten Summen, die durch von den Parteien übrigens nicht bestrittenen Gutachten gerechtfertigt werden, zu verurteilen.

Schließlich tragen die in diesem Rechtsstreit unterliegenden Schiffsführer M. und S. sowie die REEDEREI L. sämtliche Kosten des Verfahrens.

Es wird deshalb für Recht erkannt:

-Die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt erklärt sich für die vom Departement Bas-Rhin bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegte Berufung für zuständig.

- Diese Berufung ist zulässig und begründet.

- Das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg vom 14. Juni 1982 wird abgeändert.

- Die Reederei L. und die Streitgenossen M. und S. werden verurteilt, an das Departement Bas-Rhin die Summe von 37.750,- Francs, nebst gesetzliche Zinsen seit dem 30. Dezember 1980, bezahlen.

- Die Beklagten und Berufungsbeklagten werden unter Abweisung ihrer Berufungsanträge zu sämtlichen Kosten des Verfahrens verurteilt.

- Die Kostenfeststellung erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg nach Art. 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.