Banque de données de juriprudence

3 U 142/78 - Oberlandesgericht (Rheinschiffahrtsobergericht)
Date du jugement: 03.04.1979
Numéro de référence: 3 U 142/78
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Oberlandesgericht Köln
Section: Rheinschiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Zur Frage der Ausgleichsansprüche zwischen Schubboot und Schubleichtern des gleichen Schubverbandes im Falle ihrer gesamtschuldnerischen Haftung.
2) Zur Haftung einzelner Schubleichter im Schubverband für Drittschäden.

Urteil des Oberlandesgerichts in Köln - Rheinschifffahrtsobergericht

vom 3. April 1979

 3 U 142/78

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Rechtskräftig

Zum Tatbestand:

Als das Schubboot G den beladenen Schubleichter E der Beklagten vom Duisburger Hafenbecken "B" zum Hafenkanal verbrachte, sprang plötzlich im Hafenkanal am Steuerbordachterschiff des Leichters ein beim Ankoppeln nicht richtig festgemachter Koppeldraht vom Polier ab, worauf der Leichter nach Backbord ausscherte und gegen die südliche Spundwand des Hafenkanals stieß. Die Klägerin als Versicherin des Schubbootes hat den Schaden an der Spundwand in Höhe von 70000,- DM ersetzt.

Sie verlangt von der Beklagten Erstattung des halben Betrages mit der Begründung, daß Boots- und Leichtereigner gesamtschuldnerisch hafteten und beide daher im Innenverhältnis zu gleichen Teilen verpflichtet seien.

Die Beklagte beruft sich auf das Schubabkommen fast sämtlicher Schubschiffahrttreibender vom 16. 6. 1970, dem sich Boots- und Leichtereigner unterworfen hätten und nach welchem das Boot für alle Schäden sowohl am Leichter als auch bei Drittschäden aufzukommen habe. Außerdem habe allein die Besatzung des Schubbootes wegen nicht ordnungsmäßiger Ankopplung des Leichters den Schaden verschuldet.

Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage abgewiesen, da das Boot verpflichtet gewesen sei, den Leichter ohne Drittschaden zu befördern und der Schubbooteigner im Innenverhältnis sowohl aufgrund des Schubvertrages - dies in Übereinstimmung mit Herber (ZfB 1978, S. 211, 218) - als auch aufgrund des Schubabkommens etwaige Drittschäden zu tragen und bei ihrem Eintritt für eine Freistellung des Leichtereigners zu sorgen habe.

Die Berufung ist vom Rheinschiffahrtsobergericht zurückgewiesen worden.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Ausgleichsanspruch zu. Er entfällt allerdings nicht deshalb, weil im Innenverhältnis stets der Bootseigner einen vom Schubverband verschuldeten Drittschaden zu tragen hätte. Eine entsprechende Gesetzesvorschrift gibt es nicht. Aus den „Allgemeinen Bedingungen für Verträge über die Mitnahme fremder Schubleichter durch Schubboote" (Schubabkommen) vom 16. 6. 1970 läßt sich das ebenfalls nicht herleiten. Das Abkommen regelt lediglich die Haftung für eine Beschädigung' der zum Schubverband gehörenden Fahrzeuge, vornehmlich der Leichter, sowie für einen von der Besatzung verschuldeten Ladungsschaden. Zur Haftung für einen durch den Schubverband verschuldeten Drittschaden der hier in Rede stehenden Art besagte es nichts. Drittschäden sind mit Ausnahme des Ladungsschadens in dem Abkommen überhaupt nicht erwähnt. Die mit ihnen zusammenhängenden Haftungsfragen sind ganz offensichtlich bewußt ausgeklammert worden. Andernfalls hätte es nämlich nahegelegen, sie ebenso oder in ähnlicher Weise wie in dem früheren Abkommen vom 1. 7. 1963 (ZfB 1968, 289) zu regeln. Unter diesen Umständen kann dem Schubabkommen vom 16. 6. 1970 weder unmittelbar noch im Wege des Umkehrschlusses entnommen werden, daß letztlich allein der Bootseigner für vom Schubverband verursachte Drittschäden einzustehen hat.
...
Zur Haftung des Leichtereigners für ein Besatzungsverschulden hat der erkennende Senat bereits Stellung genommen (Urteil vom 22. 10. 1976 - 3 U 56/76 - VersR 1977, 276, 277). Danach ist beim Schubverband die Besatzung des Schubbootes zugleich die Besatzung der Leichter. Für einen infolge eines Besatzungsverschuldens verursachten Drittschaden haften deshalb Boots- und Leichtereigner gesamtschuldnerisch, und zwar in entsprechender Anwendung der §§ 3, 4 BSchG auch dann, wenn Boot und Leichter verschiedenen Eigentümern gehören. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofes (VersR 1978, 226, 227) steht dem nicht entgegen.
Die Besatzung des Schubbootes wird allerdings erst dann zur Besatzung des Gesamtverbandes und damit auch zur Besatzung der einzelnen Leichter, wenn Boot und Leichter zu einem Verband zusammengestellt sind. Solange das nicht geschehen ist und ein Verband als solcher noch nicht existiert, kann es keine Besatzung desselben geben. Gleiches gilt für die Besatzungsaufgaben. Für den Verband können Besatzungsaufgaben nur wahrgenommen werden, wenn er besteht. Erst dann sind die einzelnen Fahrzeuge zu einer nautischen Einheit zusammengefügt und müssen die auf dem Verband anfallenden Besatzungsaufgaben von der Schubbootbesatzung wahrgenommen werden, indem sie nunmehr für den gesamten Verband und damit zugleich für Boot und Leichter tätig wird. Für eine mögliche Mithaftung des Leichtereigners für ein Besatzungsverschulden ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, von welchem Zeitpunkt an der Schubverband als solcher existiert. Die Antwort darauf ergibt sich aus den Begriffsbestimmungen des § 1.01 RhSchPVO. Nach dessen Ziffer d) ist ein Schubverband eine starre Verbindung von Fahrzeugen, von denen sich mindestens eines von dem Fahrzeug mit Maschinenantrieb befindet. Diese Definition rechtfertgt die Annahme, daß ein Schubverband erst existent ist, wenn die einzelnen Fahrzeuge fest zu einer starren Einheit verbunden sind. Gestützt wird diese Auffassung durch die Vorschrift des § 8.04 e RhSchPVO, die einen Leichter als außerhalb eines Schubverbandes bezeichnet, wenn er zum Zwecke der Zusammenstellung oder Auflösung des Verbandes fortbewegt wird.
Aus Vorstehendem folgt, daß die Schubbootbesatzung bei der Ankoppelung des Leichters nicht als Besatzung des Schubverbandes, sondern ausschließlich als Besatzung des Bootes gehandelt hat. Durch das Aneinanderkoppeln der beiden Fahrzeuge wurde nämlich der Verband erst geschaffen. Erst nach Abschluß der verschiedenen Kopplungsmaßnahmen war die starre Verbindung zwischen Leichter und Boot hergestellt, die sie zu einem Schubverband im Sinne von § 1.01 RhSchPVO machte. Der der Schubbootbesatzung bei der Ankoppelung des Leichters unterlaufene Fehler ist deshalb der Beklagten nicht zuzurechnen. Das gilt auch für das unterbliebene Nachspannen der Koppeldrähte unmittelbar nach der Fahrtaufnahme. Dabei geht der Senat mit der Klägerin davon aus, daß die Matrosen nach dem Ankoppeln bei den Koppelungsdrähten stehenzubleiben pflegen, um diese unmittelbar nach Fahrtaufnahme zu überprüfen und erforderlichenfalls nachzuspannen.

Das diesbezügliche Versäumnis der Besatzung ist der Beklagten ebenfalls nicht zuzurechnen, weil ein notwendiges Nachspannen der Koppelungsdrähte nach Aufnahme des Leichters und unmittelbar danach erfolgter Fahrtaufnahme noch zum eigentlichen Ankoppeln gehört. Das geschilderte Nachspannen stellt gleichsam den letzten Akt des Aneinanderkoppelns dar.

Ein die Mithaftung der Beklagten begründendes Besatzungsverschulden kann schließlich auch nicht darin gesehen werden, daß die Koppelungsdrähte während der Fahrt vom Hafenbecken B in den Hafenkanal nicht überprüft worden sind. Normalerweise müssen zwar die Kuppelungen der Schubverbände während der Fahrt regelmäßig kontrolliert werden. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 8.05 RSchPVO. Hier bestand aber wegen der Kürze der Fahrstrecke eine solche Kontrollpflicht nicht. Der Verband hatte bis zu seinem Bestimmungsort nur etwa 1,5 km zurückzulegen. Auf einer so kurzen Fahrstrecke pflegen sich die' Kupplungen eines Schubverbandes erfahrungsgemäß nicht in einer Weise zu verändern, daß sie überprüft werden müssen.

Aus den dargelegten Gründen mußte es im Ergebnis bei dem angefochtenen Urteil verbleiben.
„...

Anmerkung:


Dütemeyer, ZfB 1979, S. 460

Zur Haftung einzelner Schubleichter im Schubverband für Drittschäden.
Zur Frage der Ausgleichsansprüche zwischen Schubboot und Schubleichtern des gleichen Schubverbandes im Falle ihrer gesamtschuldnerischen Haftung.


Urteil des Oberlandesgerichts in Köln - Rheinschifffahrtsobergericht

vom 3. April 1979 - 3 U 142/78

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort) - Rechtskräftig -

Der Klägerin kann attestiert werden, daß sie mit anzuerkennender letzter Konsequenz eine sich anbahnende Rechtsprechung, u. a. in den Urteilen der Berufungskammer der Rheinzentralkommission vom 14. 6. 1973 (s. ZfBuW 1974, S. 275 ff.) und des Rheinschiffahrtsobergerichts vom 18. 5. 1976 - 3 U 156/75 - (s. ZfBuW 1976, S. 363), zu ihren Gunsten benutzt. Damit versucht sie die verschiedentlich vertretene Auffassung, daß die Besatzung des Schubbootes zugleich die Besatzung des oder der Schubleichter sei und daher der nicht mit dem Schubbooteigner identische Leichtereigner neben dem Eigentümer des Schubbootes gesamtschuldnerisch für ein Verschulden der Besatzung bei der Verursachung von Drittschäden durch den Schubverband hafte, auch in den weiteren Folgen des gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruchs zu zementieren. Es wäre wünschenswert, wenn der BGH zu dieser Frage alsbald klärend Stellung nehmen würde, da das Urteil des BGH vom 19. 12. 1977 - II ZR 148/76 - (s. ZfBuW 1978, S. 89 ff.) - einen Sonderfall betraf und keine endgültige Entscheidung des eigentlichen Problems darstellt. Die verschiedenen Ansichten zu der zugrundeliegenden Rechtsfrage dürften hinreichend bekannt sein; auf die von Pabst in ZfBuW 1975, S. 206, gegebenen Literaturhinweise sowie neuere Stellungnahmen in ZfBuW 1976, S. 401; 1978, S. 90; 1978, S. 218 wird verwiesen.

An dem oben auszugsweise veröffentlichten neuen Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichts vom 3. 4. 1979 - 3 U 142/78 - ist aber bemerkenswert, wie sehr man jetzt schon die äußersten Konsequenzen der oben bezeichneten und in dieser Zeitschrift wiederholt kritisierten Rechtsauffassung zu vermeiden sucht. Insofern ist es erfreulich, daß sowohl das Rheinschiffahrtsobergericht als auch in der gleichen Sache als 1. Instanz das Rheinschiffahrtsgericht die vertraglichen Verpflichtungen der Beteiligten im Verhältnis Boot-Leichter geprüft haben, daß das Schubboot die vertragliche Verpflichtung übernimmt, den Leichter gefahrlos und in ordnungsmäßiger Weise von A nach B zu befördern. Das schließt selbstverständlich die Verpflichtung ein, den Verband so zu steuern, daß keine Drittschäden entstehen. Nicht mehr und nicht weniger! Folgerichtig kommt bereits das Rheinschiffahrtsgericht zu dem Schluß, daß aufgrund des Schubvertrages stets der Schubbooteigner zur Übernahme entstandener Drittschäden und zur Freistellung des Leichtereigners von solchen Schäden im Innenverhältnis verpflichtet sei - eine Auffassung, die auch Herber vertritt (s. ZfBuW 1978, S. 218).

Das Rheinschiffahrtsobergericht hat diese Version zwar nicht ausdrücklich übernommen, kommt aber über einen etwas merkwürdigen Umweg zum gleichen Ergebnis, daß sich nämlich der Leichtereigner „das Verschulden der Besatzung beim Ankoppeln des Leichters nicht zurechnen lassen muß". Für diese Feststellung gibt es rechtlich keine Grundlage, es sei denn in Ansehung eines etwaigen vertraglichen Anspruches. Auch das Rheinschiffahrtsobergericht wird niemals um die Tatsache herumkommen, daß ein Leichtereigner aus Vertrag den Anspruch auf richtige Ankopplung an das Schubboot hat.

Demgegenüber bedeutet der Ausgangspunkt des Senats, daß der Schubverband seit Antritt der Fahrt bis zum Zeitpunkt des Unfalls - immerhin etwa 2 km auf einer stark befahrenen Wasserstraße! - noch nicht existent gewesen sei, eine Verlegenheitskonstruktion, die man schnellstens wieder vergessen sollte. Welche Unsicherheiten der Rechtslage andernfalls auftreten werden, braucht kaum im einzelnen dargelegt zu werden. Wie wäre es z. B. zu entscheiden, wenn die Besatzung des Bootes 4 Leichter ankoppelt, davon drei richtig, einen dagegen unordentlich mit der gleichen Folge wie im vorliegenden Fall? Soll dann die Besatzung des Schubbootes nach der Auffassung des Kölner Senats zugleich die Besatzung der 3 Leichter, nicht aber des 4. Le,ichters sein? Wenn es so wäre, würden die 3 Leichtereigner also gesamtschuldnerisch mithaften, obwohl sie genau so wenig - weder unmittelbar noch mittelbar - an der Ankopplung beteiligt waren und genau so wenig auf die ordnungsmäßige Ausführung Einfluß ausüben konnten wie der Eigentümer des 4. losgelösten Schubleichters? Wie wäre die Rechtslage, wenn ein Schubverband, bestehend aus Schubboot und 1 Leichter, schon mehrere Stunden gefahren ist, während der Fahrt durch unerlaubt herbeigeführten Wellenschlag Drittschäden an Stilliegern verursacht hat und sich der Schubleichter nach 100 km Fahrt plötzlich löst, weil nachweislich bei seiner Ankopplung die Drähte nicht richtig festgemacht worden sind? Ist der Schubverband dann auch nicht existent gewesen? Wo liegen die Grenzen? Man geriete - im wahrsten Sinne des Wortes - ins Schwimmen! Der Senat verkennt, daß der Begriff der „starren Verbindung" relative Aspekte hat, da es eine echte starre Verbindung zwischen 2 und mehr Schiffskörpern, etwa wie - rein theoretisch gedacht - durch Zusammenschweißen oder durch automatisches Einrasten von Verschlußstücken oder dergl., bisher nicht gibt und im Prinzip nur die Möglichkeit der Verbindung durch Drähte besteht. Gleichgültig, ob beim Ankoppeln erkennbare oder nicht erkennbare Fehler mit späteren Schadensfolgen gemacht werden, sollte aber kein Zweifel aufkommen, daß die „starre Verbindung" und damit ein Schubverband existent sind, wenn vor Aufnahme der Fahrt zwischen Schubboot und einem oder mehreren Leichtern bzw. zwischen letzteren zwecks Bildung einer nautischen Einheit und zur Verhinderung selbständiger Bewegungen der einzelnen Bestandteile des Verbandes Verbindungsdrähte gelegt worden sind. Ob diese Verbindung ordnungsmäßig hergestellt ist, berührt lediglich die Verschuldensfrage für etwaige Folgeschäden, nicht aber den Charakter des Schubverbandes als solchen.

Aber solche Schönheitsfehler in der Beurteilung des Begriffes „Schubverband" können ausgemerzt werden. Wesentlich ist, daß man sich auf die vertragliche Obhutspflicht eines Schubbootes besinnt und danach die Schuldfrage beurteilt. Ein erfreulicher Anfang ist gemacht, da man allein auf diesem Wege das seit Jahren umstrittene Problem der Haftung einzelner Leichter im Schubverband für Drittschäden einer befriedigenden und hinsichtlich der Abgrenzbarkeit brauchbaren Lösung zuführen wird. Um so bedauerlicher ist es, daß die vom Berufungsgericht ausdrücklich zugelassene Revision vom Kläger nicht eingelegt worden ist.

Dütemeyer