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326 Z - 2/95 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 10.05.1995
Numéro de référence: 326 Z - 2/95
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Verbleibt einem Talfahrer im Bereich der nach § 9.02 RheinSchPVO vorgeschriebenen geregelten Begegnung hinreichender Raum für eine gefahrlose Backbordbegegnung, kann dem Bergfahrer nicht vorgeworfen werden, daß er etwa 100 bis 120 m aus dem linken Ufer und nicht weiter linksrheinisch gefahren ist.

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

vom 10.5.1995

- 326 Z-2/95 - 

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 16.11.1991 gegen 15.00 Uhr bei dichtem Nebel auf dem Rheinstrom bei km 829,1 - Ortslage Vynen - ereignet hat.
 
Die Klägerin ist Eignerin des Schubbootes P, das zur Zeit nachbeschriebener Ereignisse von Schiffsführer B verantwortlich geführt worden ist. Die Beklagte zu 1 ist Eignerin des TMS R, das der Beklagte zu 2 zur Unfallzeit geführt hat.
 
Zu der angegebenen Zeit fuhr der Schubverband P bestehend aus dem gleichnamigen Schubboot und 4 vorgespannten beladenen Schubleichtern linksrheinisch mit Radar zu Berg. Dem Schubverband folgten MS T und MS I. Im Bereich von Rheinstromkilometer 829 lagen linksrheinisch der polnische Schubverband B und das MS F still. Zur gleichen Zeit fuhr TMS R mit Radar zu Tal. Im Bereich von Rheinstromkilometer 829,1 kam es zur Kollision des Schubverbandes P mit dem Tankmotorschiff, wobei dieses und der Steuerbordkopfleichter des Schubverbandes, SL N, beschädigt wurden.
 
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Schadensersatzklage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
 

Aus den Entscheidungsgründen:
 
"Das Rheinschiffahrtsgericht hat mit Recht der Klage nach den §§ 3,4,92,92 b, 114 BinSchG; §§ 1.04, 9.02 Nr. 2 RheinSchPV; §§ 823, 249 BGB stattgegeben. Denn die Kollision des Schubverbandes P mit dem TMS R beruht auf einem Verschulden des Beklagten zu 2, der als Schiffsführer des zu Tal fahrenden TMS R infolge fehlerhafter Auswertung seines Radarbildes den zu Berg kommenden Schubverband für einen Stillieger gehalten hat und beim Begegnen seinen Kurs nicht so weit nach Steuerbord gerichtet hat, daß die Vorbeifahrt der Schiffe ohne Gefahr Backbord an Backbord erfolgen konnte. Hingegen trägt die Besatzung des Schubbootes P kein Verschulden.
 
1. Der Beklagte zu 2 hat bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren angegeben, er habe auf den Schubverband bewußt geachtet, als er etwa 800 m oberhalb von ihm gewesen sei. Sein Echo habe sich etwa 30 bis 40 m aus dem rechtsrheinischen Ufer befunden und sich nicht bewegt. Er habe dieses Echo für einen Stillieger gehalten. Er habe einige Bergfahrer im Bild gehabt, die als solche auch klar und deutlich erkennbar gewesen seien. Diese Bergfahrer seien linksrheinisch gefahren. Als er erkannt habe, daß es sich um ein Fahrzeug in Fahrt gehandelt habe, habe man noch etwa 150 m Abstand gehabt.
 
In seiner Skizze, die der Beklagte zu 2 bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren zu den Akten gereicht hat, hat er den Seitenabstand des TMS R zum rechten Rheinufer mit ca. 50 m und den des Schubverbandes P mit ca. 40 m angegeben. Der Zeuge S, der Steuermann auf TMS R gewesen ist, hat die Angaben seines Schiffsführers bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren im wesentlichen bestätigt.
 
Die Wahrnehmungen des Beklagten zu 2 und seines Steuermannes über die Annäherung der Fahrzeuge, wie sie von beiden wiedergegeben worden sind, sind objektiv unrichtig, wie auch das Rheinschiffahrtsgericht mit Recht angenommen hat. Weder hat der Schubverband P bei der Annäherung der Fahrzeuge stillgelegen, noch ist dieser Schubverband rechtsrheinisch gefahren.
 
Das der Schubverband P mit einer Geschwindigkeit von 6 - 7 km/h zu Berg gefahren ist, was der üblichen Geschwindigkeit eines solchen Verbandes in der Bergfahrt entspricht, folgt aus den Bekundungen des Schiffsführers B im Verklarungsverfahren. Auch aus den Bekundungen der Zeugen F und Z , die Besatzungsmitglieder des Schubverbandes gewesen sind, ergibt sich, daß der Schubverband in Fahrt gewesen ist und nicht stillgelegen hat. Bestätigt werden diese Angaben zur Überzeugung der Berufungskammer, durch die der unbeteiligten Zeugen L und W. L ist mit seinem MS T und W mit MS I dem Schubverband in Kiellinie gefolgt. Diese Zeugen haben detailreich die Fahrt bei der Annäherung an die Unfallstelle geschildert. Danach hat P sich mehrfach als Bergfahrer gemeldet und von der Talfahrt eine Begegnung Backbord an Backbord verlangt. MS I habe langsamer gemacht, um P ein Überholmanöver zu erleichtern. Danach habe auch MS T MS I überholt.
 
Hiernach kann kein Zweifel bestehen, daß der Schubverband P in Fahrt gewesen ist. Wenn der Beklagte zu 2 ihn bei der Annäherung bis auf einen Abstand von 150 m als Stillieger angesehen hat, kann das nur auf mangelnder Aufmerksamkeit oder fehlerhafter Auswertung seines Radarbildes beruhen.
 
Daß der Schubverband P nicht rechtsrheinisch, sondern linksrheinisch gefahren ist, wie Schiffsführer B weiter angegeben hat, haben ebenfalls die unbeteiligten Zeugen L und W bestätigt.
Demgegenüber glauben die Beklagten aus den Aussagen des Zeugen H entnehmen zu können, daß der Schubverband P nahe dem rechten Ufer gefahren ist. Dieser Zeuge hat aber die Annäherung der Fahrzeuge an die Unfallstelle überhaupt nicht wahrgenommen .Soweit H zu dem Abstand des Schubverbandes aus dem linken Ufer Angaben gemacht hat, sind diese Angaben ungenau und zur Tatsachenfeststellung ungeeignet......
 
Das aus dem nach der Kollision durchgeführten Aufdrehmanöver des TMS R keine sicheren Rückschlüsse auf den Kurs des Schubverbandes P vor dem Unfall möglich sind, entnimmt die Berufungskammer den Bewegungen der unfallbeteiligten Schiffe unmittelbar vor dem Zusammenstoß und im Anschluß daran, die der Zeuge H nicht einmal wahrgenommen hat. Unmittelbar vor dem Unfall hat TMS R Backbordkurs genommen und ist damit vor den Kopf des Schubverband P gefahren und wurde von dem Steuerbordkopfleichter des Schubverbandes erfaßt, obwohl der Schubverband nach Angaben von Schiffsführer B noch zurückgeschlagen hat. TMS R rutschte dann mit seiner gesamten Steuerbordseite, wie die Beklagten selbst vorgetragen haben, entlang des Leichters, wobei die Bordwand von Raum 2 - 4 auf 20 m großflächig aufgerissen wurde. Ferner wurde auch die Außenhaut bei Tank 5,6 und 7 im oberen Bereich deformiert und scharfkantig gerieft. Schiffsführer B hat dann nach seinen Bekundungen im Verklarungsverfahren, um ein Durchbrechen des Tankers zu vermeiden, den Kopf seines Schubverbandes nach Backbord genommen, damit TMS R freikommen und durchrutschen konnte. Sein Verband sei deshalb, so hat B weiter bekundet, etwa 80 m von den Stilliegern abgekommen. Die Richtigkeit dieser Darstellung des Zeugen B wird durch die Bekundungen des Zeugen Sch bestätigt...... 
 
Bei Würdigung aller Umstände sieht die Berufungskammer als erwiesen an, daß sich der Zusammenstoß der Fahrzeuge linksrheinisch etwa 100 - 120 m aus dem linken Ufer, also im Fahrwasser der Bergfahrt, ereignet hat. Als Talfahrer mußte der Beklagte zu 2 dem zu Berg fahrenden Schubverband P diesen Teil des Fahrwassers für die gefahrlose Begegnung freilassen. Ihm blieb rechtsrheinisch hinreichender Raum für eine gefahrlose Begegnung.
Indem er bei der Annäherung der Fahrzeuge mit Backbordkurs in das Fahrwasser der Bergfahrt fuhr, wie das die Zeugen B und F übereinstimmend bekundet haben, hat er der Bergfahrt den Weg verlegt und hierdurch den Unfall verschuldet.
 
2. Ein mitwirkendes Verschulden an dem Unfall kann der Besatzung des Schubverbandes P nicht wegen ihres in der linksrheinischen Fahrwasserhälfte verlaufenden Kurses vorgeworfen werden.
 
Die von den Beklagten angeführten Grundsätze über die Begegnung bei unsichtigem Wetter, die der deutsche Bundesgerichtshof im Urteil vom 18.1 1.1991 - 11 ZR 36/91 - (ZfB 1992, 145 mit abl. Anmerkung Pabst) und die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt im Urteil vom 2.9.1992 - 258 Z - 7/92 - (ZfB 1992, 1354) zugrunde gelegt haben, rechtfertigen unter den hier gegebenen Umständen nicht die Annahme eines Fehlverhaltens der Besatzung des Schubverbandes. Hier hatte TMS R als Talfahrer hinreichend Raum für eine gefahrlose Backbordbegegnung.
Bei dieser Sachlage hätte Schiffsführer B den Unfall auch nicht mehr verhindern können, wenn er versucht hätte, weiter nach linksrheinisch an die dort liegenden Stillieger heranzufahren, als R für ihn nicht vorhersehbar plötzlich Backbordkurs nahm und seinen Kurs kreuzte. Ihm blieb in der gegebenen Situation nur die Möglichkeit, durch ein Achtungssignal auf die drohende Kollisionsgefahr hinzuweisen, um den Talfahrer zu veranlassen einen gefahrlosen Kurs zu steuern. Daß der Beklagte zu 2 auch dieses Schallsignal unbeachtet ließ, geht allein zu dessen Lasten…..“ 


Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1995 - Nr.10 (Sammlung Seite 1553 f.), ZfB 1995, 1553 f.