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512 Z - 4/17 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 05.12.2017
Numéro de référence: 512 Z - 4/17
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt 

vom 5. Dezember 2017

- 512 Z - 4/17 -

(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom 2. März 2017 - 4 C 1/16 BSchRh -)

hinterlegt bei der Gerichtskanzlei am 5. Dezember 2017

Im Rechtsstreit

1.    K. AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch seinen Vorsitzenden, R.

Klägerin und Berufungsklägerin

 Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

2.     V. AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch seinen Vorsitzenden, V.

Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

3.                                  W. AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden, L.

Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

4.     M. AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden, H.

Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

5.     C. AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden, B.

Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

6.     M. 

Widerbeklagter zu 1

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

7.     F. 

Widerbeklagter zu 2 und Berufungskläger

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

8.     H. S.à.r.l., vertreten durch den Geschäftsführer, K.

Widerbeklagte zu 3 und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte N.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA J.

gegen

1.    S. AG, vertreten durch den Präsidenten, S.

Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte K.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA M.

2.     G.

Beklagter und Berufungsbeklagter

Prozessbevollmächtigte:          Rechtsanwälte K.

Plädierender Rechtsanwalt:      RA M.

hat die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt in Straßburg nach öffentlicher Verhandlung vom 7. November 2017, an welcher teilgenommen haben die Richter Frau STAMM (Vorsitzende), die Herren BALL, DE BAETS, DE SAVORNIN LOHMAN, WOEHRLING und in Anwesenheit der Gerichtskanzlerin, Frau BRAAT, gestützt auf Art. 37 und 45bis der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.1868 in der Fassung vom 20.11.1963 sowie des Art. III ihres Zusatzprotokolls Nr. 3 vom 17.10.1979, folgendes Urteil gefällt:

 

Es wird Bezug genommen auf:

1.    das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar vom 2. März 2017, das den Klägerinnen und den Widerbeklagten am 9. März 2017 und den Beklagten am 10. März 2017 zugestellt worden ist;

2.    die Berufungsschrift der Klägerinnen und der Widerbeklagten zu 2 und 3 vom 7. April 2017, eingegangen bei Gericht am 10. April 2017

3.    die Berufungsbegründungsschrift der Klägerinnen und der Widerbeklagten zu 2 und 3 vom 5. Mai 2017, eingegangen bei Gericht am 10. Mai 2017;                       

4.    die Berufungserwiderung der Beklagten vom 12. Juni 2017, eingegangen bei Gericht am 16. Juni 2017;                   

5.    die Akten 4 C 1/16 BSchRh des Rheinschifffahrtsgerichts St. Goar;

6.    die Akten 2040 Js 76143/14 der Staatsanwaltschaft Koblenz.

Die genannten Akten haben der Berufungskammer vorgelegen.

Zum Tatbestand: 

Die Parteien streiten über die Verantwortlichkeit für eine Schiffskollision, die sich am 17. Oktober 2014 gegen 18.45 Uhr auf dem Rhein in der Ortslage Koblenz etwa bei Rheinkilometer 591,5 im linksrheinischen Teil der Fahrrinne zwischen dem Tankmotorschiff (TMS) „E.“ und dem Fahrgastkabinenschiff (FGKS) „S.“ ereignet hat.

Die Klägerinnen sind die Schiffsversicherer des TMS „E.“, die dessen Eigner und Ausrüster Deckung gewährt und den durch die Kollision entstandenen Schaden im Umfang ihrer jeweiligen Deckungspflicht reguliert haben.

Der Widerbeklagte zu 1 war zum Unfallzeitpunkt verantwortlicher Schiffsführer des TMS „E.“. Gesteuert wurde das Schiff von dem Widerbeklagten zu 2 als Steuermann mit dem erforderlichen Patent. Die Widerbeklagte zu 3 ist Ausrüsterin des TMS „E.“.

Die Beklagte zu 1 und Widerklägerin ist Eignerin des FGKS „S.“, das zum Unfallzeitpunkt von dem Beklagten zu 2 verantwortlich geführt wurde.

TMS „E.“ (98,98 m lang, 10,10 m breit, Tragfähigkeit 1.609 t bei einem Tiefgang von 2,68 m, Hauptmaschine 1.520 PS, Bugstrahlruder 380 PS) befand sich zur Unfallzeit, beladen mit 1.279 t heißem Bitumen, auf der Bergfahrt nach Ludwigshafen.

FGKS „S.“ (135 m lang, 11,40 m breit, Tiefgang 1,56 m, zwei Hauptmaschinen von je 1.150 PS, Bugstrahlruder 435 PS) befuhr zur gleichen Zeit mit 17 Fahrgästen und 43 Besatzungsmitgliedern den Rhein zu Tal nach Amsterdam.

Gegen 18.30 Uhr des Unfalltages fuhr TMS „E.“ bei Rheinkilometer 594 (Ortslage Wallersheim) linksrheinisch mit einer Geschwindigkeit von etwa 11,5 km/h über Grund zu Berg. Zur gleichen Zeit befand sich FGKS „S.“ in der Talfahrt kurz oberhalb der Pfaffendorfer Brücke (Rheinkilometer 509,9). Der Beklagte zu 2 beabsichtigte, über Backbord aufzudrehen und am linksrheinischen Ufer oberhalb der Moselmündung am Steiger der Köln-Düsseldorfer Schifffahrt anzulegen. Wie oft und mit welchem Wortlaut der Beklagte zu 2 dieses Manöver über UKW-Kanal 10 ankündigte, ist streitig. Jedenfalls drehte FGKS „S.“ über Backbord auf, während TMS „E.“ sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit von etwa 11 km/h über Grund linksrheinisch in der Bergfahrt näherte. In der Folge kollidierten die Fahrzeuge im linksrheinischen Teil der Fahrrinne dergestalt, dass TMS „E.“ mit dem Backbordbug gegen das Steuerbordheck des FGKS „S.“ stieß. An beiden Fahrzeugen entstand erheblicher Sachschaden.

Die Klägerinnen beziffern den Sachschaden an TMS „E.“ auf 41.209 €, den Ausfallschaden auf 36.040 € und die Sachverständigenkosten auf 4.236 €. Von dem so errechneten Gesamtschaden von 81.485 € machen die Klägerinnen – teils aus übergegangenem, teils aus abgetretenem Recht – wegen eines möglichen Mitverschuldens der Schiffsführung des TMS „E.“ mit der Klage 80 % geltend.

Die Beklagten stellen eine (Mit-)Verantwortlichkeit für die Kollision in Abrede und treten der Klage entgegen. Die Beklagte zu 1 verlangt widerklagend Ersatz ihres der Höhe nach unstreitigen Schadens von 14.033,50 € zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 995 €.

Die Klägerinnen und die Widerbeklagten haben vorgetragen:

TMS „E.“ sei linksrheinisch in Höhe des Deutschen Ecks mit ca. 12 km/h zu Berg gefahren, als sich das talfahrende FGKS „S.“ in einer Entfernung von etwa 400 m in unklarer Weise langsam talwärts bewegt habe. Dies habe den Widerbeklagten zu 2 veranlasst, die Geschwindigkeit des TMS „E.“ etwas zu reduzieren. Als die Schiffe sich auf etwa 200 m genähert hätten, habe der Widerbeklagte zu 2 den Talfahrer über Funk angesprochen und gefragt, was dieser vorhabe. Der Talfahrer habe geantwortet, er wolle aufdrehen und an der Koblenzer Reede anlegen. In diesem Moment habe er auch schon das Aufdrehmanöver eingeleitet. Trotz sofortigen Aufstoppens mittels Gegenkraft auf Hauptmaschine und Bugstrahlruder habe die Kollision nicht mehr verhindert werden können. Zwar habe TMS „E.“ noch ständig gemacht werden können, die „S.“ habe sich aber während des Aufdrehens weiter talwärts bewegt und sei durch die Drehbewegung mit dem Steuerbordheck gegen den Backbordbug des TMS „E.“ gedrückt worden. Der Beklagte zu 2 habe mit seinem Manöver grob gegen § 6.13 RheinSchPV und zugleich gegen § 1.04 RheinSchPV verstoßen. Obwohl dem Beklagten zu 2 hätte klar sein müssen, dass er sein Manöver nicht ohne Unterstützung von TMS „E.“ habe durchführen können, habe er weder gemäß § 6.13 Abs. 2b RheinSchPV das erforderliche Schallzeichen gegeben noch sich in anderer Weise, zum Beispiel über Funk, vergewissert, dass die Bergfahrt seine beabsichtigte Fahrt erkannt habe und unterstützen werde. Sein Hinweis per Funk unmittelbar vor seinem Manöver sei zu kurzfristig und nicht geeignet gewesen, den Unfall zu vermeiden. Nur wegen eines nicht auszuschließenden geringfügigen Mitverschuldens der Schiffsführung von TMS „E.“ würden vorsorglich nur 80 % des Schadens geltend gemacht. Weit überwiegend verantwortlich sei der Beklagte zu 2, denn er hätte sich hinsichtlich seines angeblich bereits früher abgesetzten Funkspruchs vor Einleitung des Wendemanövers vergewissern müssen, dass die Bergfahrt das Manöver unterstütze. Für den Bergfahrer sei es nicht möglich gewesen, früher auf das Aufdrehmanöver zu reagieren.

Die Klägerinnen haben beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 49.965 €, an die Klägerin zu 2 6.089,25 €, an die Klägerin zu 3 3.653,50 €, an die Klägerin zu 4 3.653,50 € und an die Klägerin zu 5 1.826,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2015 und an die Klägerin zu 1 weiterhin 1.892 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen:

Der Beklagte zu 2 als Schiffsführer des zu Tal fahrenden FGKS „S.“ sei für das Unfallereignis nicht verantwortlich. Er habe sich vor dem Aufdrehen zweimal über Funk gemeldet und „E.“ darauf hingewiesen, dass die „S.“ über Backbord aufdrehen wolle, um an das linke Ufer zu gehen. Bei dem zweiten Funkspruch unmittelbar vor Einleitung des Wendemanövers sei der Bergfahrer noch etwa einen Kilometer entfernt gewesen. Damit sei ausreichend Platz für ein Wendemanöver vorhanden gewesen, ohne „E.“ in irgendeiner Form zu behindern. Erst während des Aufdrehens des FGKS „S.“ habe die Schiffsführung des TMS „E.“ über Funk angefragt, was die „S.“ vorhabe, worauf der Beklagte zu 2 geantwortet habe, er drehe auf, um ans linke Ufer zu gehen. Darauf habe der Bergfahrer aber überhaupt nicht reagiert. Statt auszuweichen, sei er mit unverminderter Fahrt weiter am linksrheinischen Ufer zu Berg gefahren und habe dadurch ohne Not eine Kollision verursacht. Der Bergfahrer sei mit seinem Backbordbug gegen das Steuerbordheck des der „S.“ gestoßen. Demnach spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Schiffsführers des auffahrenden Fahrzeugs. Die Schiffsführung des TMS „E.“ sei schlichtweg unaufmerksam gewesen und habe viel zu spät versucht, die Kollision abzuwenden. Der Vorwurf, gegen § 6.13 RheinSchPV verstoßen zu haben, treffe mithin die Widerbeklagten, denn die durchgehende Schifffahrt müsse ein zulässiges Wendemanöver unterstützen und Kurs und Geschwindigkeit so einrichten, dass das Aufdrehen ohne Gefahr erfolgen könne. Zudem liege ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1.04 RheinSchPV vor.

Die Beklagte zu 1 hat widerklagend beantragt, die Widerbeklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 14.033,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2015 und die Widerbeklagte zu 3 zur Zahlung weiterer 995 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juli 2016 zu verurteilen.

Die Widerbeklagten haben beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, die Widerklage sei als isolierte Drittwiderklage unzulässig und nur zu dem Zweck erhoben worden, die Besatzungsmitglieder des TMS „E.“ als Zeugen auszuschalten und die Klägerinnen dadurch in Beweisnot zu bringen.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat zur Klärung des Unfallhergangs die Schiffsführer der unfallbeteiligten Fahrzeuge angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen sowie durch die Auswertung der Tresco-Aufzeichnungen des FGKS „S.“ und der beigezogenen Ermittlungsakten 2040 Js 76143/14 der Staatsanwaltschaft Koblenz.

Mit Urteil vom 2. März 2017 hat das Rheinschifffahrtsgericht die Klage und die Widerklage gegen den Widerbeklagten zu 1 abgewiesen und der Widerklage im Übrigen stattgegeben.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klage sei unbegründet. Unter Berücksichtigung des vorgetragenen Sach- und Streitstands und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Widerbeklagte zu 2 als Steuermann des TMS „E.“ für das Unfallgeschehen im Ergebnis alleine verantwortlich sei. Die Unfallschilderung der Klägerin habe sich nicht bestätigt.

Der Vortrag in der Klageschrift, die „S.“ habe das Aufdrehmanöver über Backbord eingeleitet, als die Schiffe sich bereits auf eine Distanz von 200 m genähert gehabt hätten, sei mit den Tresco-Aufzeichnungen des FGKS „S.“ nicht zu vereinbaren. Aus diesen werde deutlich, dass der Talfahrer mit dem Aufdrehen bereits bei Rheinkilometer 591,4 begonnen habe, als sich TMS „E.“ noch bei Rheinkilometer 592,3, also einen Kilometer entfernt, befunden habe. Das entspreche auch in etwa den Angaben des Beklagten zu 2 bei seiner Anhörung, er habe den Drehvorgang begonnen, als „E.“ noch etwa 800 m entfernt – genau im Bereich der Moselmündung – gewesen sei. Dementsprechend sei mit den Tresco-Aufzeichnungen auch nicht die Erläuterung des Widerbeklagten zu 2 in Einklang zu bringen, die „S.“ habe den Drehvorgang eingeleitet, als er etwa 300 m von dem Talfahrer entfernt gewesen sei. Dass dies nicht zutreffe, habe auch der Zeuge Q. bestätigt, der früher selbst Binnenschiffer gewesen sei und eine nachvollziehbare Einschätzung zur Unfallursache habe abgeben können. Der Zeuge Q. habe bestätigt, dass die „S.“ aufgedreht habe, als sie unterhalb der Pfaffendorfer Brücke gewesen sei; seiner Einschätzung nach sei „E.“ zu diesem Zeitpunkt noch auf der Höhe von Neuendorf beziehungsweise unterhalb des Campingplatzes von Lützel (bei Rheinkilometer 592,3) gewesen. Diese Aussage sei mit den Tresco-Aufzeichnungen eher in Einklang zu bringen als die Angabe des Zeugen X., der die Entfernung zwischen den Schiffen bei Einleitung des Drehvorgangs auf 500 bis 600 m geschätzt habe. Auch nach der Aussage des Polizeibeamten I., er habe die Einleitung des Drehmanövers unterhalb der Pfaffendorfer Brücke gesehen, als sich der Bergfahrer auf der Höhe des Deutschen Ecks befunden habe, ergebe sich aus dem Bild mit der Zeitangabe 39.06 der Tresco-Aufzeichnungen eine Entfernung von 700 m.

Unzutreffend sei ferner die Behauptung der Klägerinnen, der Beklagte zu 2 habe als Schiffsführer des FGKS „S.“ das Wendemanöver nicht rechtzeitig und auch nicht genau genug über Funk angekündigt. Entgegen den Angaben in der Klageschrift habe der Widerbeklagte zu 2 bestätigt, dass er den Funkspruch der „S.“, sie beabsichtige, unterhalb der Brücke zu drehen, gehört habe. Die Zeugen X. und Y. hätten dies im Wesentlichen bestätigt. Danach habe „E.“ schon von dem Wendemanöver erfahren, als sich das Schiff im Bereich der Moselmündung – nach den Tresco-Aufzeichnungen in einer Entfernung von 800 bis 1.000 m – befunden habe.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Widerbeklagte zu 2 nicht nur gewusst, dass die „S.“ unterhalb der Pfaffendorfer Brücke aufdrehen wolle, sondern auch, dass sie an einem Steiger am linken Ufer anlegen wolle. Bereits in der Klageschrift heiße es dazu, der Talfahrer habe sich gemeldet uns angegeben, dass er aufdrehen und an der Koblenzer Reede anlegen wolle. Bestätigt werde dies durch die Aussage des Zeugen Y. und die Angaben des Zeugen Z. gegenüber den Beamten der Wasserschutzpolizei. Dem nach dem Klägervortrag sehr erfahrenen Widerbeklagten zu 2 hätte zudem bekannt sein müssen, dass zu Tal fahrende Fahrgastschiffe überwiegend an den Steigern der Großstadt Koblenz anlegten. Dies hätte er zumindest aufgrund seiner Erfahrung und des Umstands, dass ein zu Tal fahrendes Fahrgastkabinenschiff drehen will, mit einkalkulieren müssen.

Bei dieser Sachlage habe sich nicht der Beklagte zu 2, sondern allein der Widerbeklagte zu 2 im Hinblick auf die Vorschrift des § 6.13 RheinSchPV pflichtwidrig verhalten. Bei Einleitung des Wendemanövers habe zwischen den Schiffen noch ein Abstand von 800 bis 1.000 m bestanden. Die Sicht sei klar gewesen, die sich nähernden Schiffe seien nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen Q. und I. in der Dämmerung noch gut zu erkennen gewesen. Nach den Tresco-Aufzeichnungen habe sich kein weiterer zu berücksichtigender Verkehr auf dem Wasser befunden. In dieser Situation habe der Beklagte zu 2 den beabsichtigten Wendevorgang also gefahrlos einleiten können. Der Widerbeklagte zu 2 sei nach § 6.13 Nr. 3 RheinSchPV verpflichtet gewesen, das Wendemanöver zu unterstützen und Geschwindigkeit und Kurs darauf einzurichten. Dem sei er nicht nachgekommen, sondern unbeirrt mit gleichbleibender Geschwindigkeit weiter linksrheinisch zu Berg gefahren.

In diesem Zusammenhang sei auch von Bedeutung, dass es nach dem Vermerk des Polizeihauptkommissars I. von der Wasserschutzpolizeistation Koblenz vom 17. Oktober 2014 in dieser Situation auf dem Rhein im Bereich der Koblenzer Anlegestellen schifffahrtsüblich sei, in der Bergfahrt den Übergang zum rechtsrheinischen Ufer zu machen, um dem aufdrehenden Talfahrer den Raum zum Drehen freizumachen. Unerfindlich sei, warum der Widerbeklagte zu 2, der angeblich sehr erfahren sei und jede Situation auf dem Rhein seit mehr als zehn Jahren ausreichend kenne, dies nicht getan habe, denn genau diese Fahrweise entspreche § 6.13 Nr. 3 RheinSchPV. Genauso habe es der in Schifffahrtssachen erfahrene Zeuge Q. gesehen, der gemeint habe, „E.“ hätte noch genügend Zeit gehabt, um auf den Drehvorgang zu reagieren, selbst wenn dieser nicht über Funk angekündigt gewesen sein sollte; der Abstand sei noch groß genug gewesen, um nach Backbord auszuweichen und zum rechten Ufer zu wechseln. Zumindest hätte der Widerbeklagte zu 2 TMS „E.“ bei aufmerksamer und sorgfältiger Fahrweise noch rechtzeitig zum Stillstand bringen können. Nach der Aussage des Zeugen Q., die der Zeuge Z. bei seiner polizeilichen Vernehmung bestätigt habe, hätte eine überschaubare Strecke von 500 bis 600 m durchaus ausgereicht, um mit TMS „E.“ noch vor der wendenden „S.“ zum Stillstand zu kommen.

Der Widerbeklagte zu 2 habe auch nicht davon ausgehen dürfen, dass FGKS „S.“ nach dem Drehvorgang etwa flussmittig liegen bleiben und ihm noch die Passage am linken Ufer ermöglichen würde. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung sei dazu nichts abgesprochen gewesen. Der Beklagte zu 2 habe vielmehr ausdrücklich erwähnt, dass er nicht nur drehen, sondern auch an einem Landesteg am linksrheinischen Ufer anlegen wolle. In dieser Situation sei es unverantwortlich, an einem Schiff, das vor Einleitung des Anlegemanövers auf dem Fluss ständig gemacht habe, noch vor Einleitung des Anlegemanövers an der Steuerbordseite vorbeizufahren. Nach den Tresco-Aufzeichnungen habe die „S.“ sich nach dem Wendemanöver mehr im linksrheinischen Fahrwasser befunden. Noch deutlicher ergebe sich das aus den Radaraufzeichnungen in der Ermittlungsakte, die zeigten, wie nahe die „S.“ am linken Ufer gelegen habe. Der Beklagte zu 2 habe den Abstand zu den Pontons und Stegen vor Einleitung des Anlegemanövers auf etwa 20 m geschätzt. Dies entspreche auch der Schätzung des Gerichts aufgrund der Tresco-Auszeichnungen. Eine Durchfahrt durch einen derart engen Zwischenraum mit einem 10 m breiten Tankschiff entspreche nicht dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot nach § 1.04 RheinSchPV, zumal links von der „S.“ schätzungsweise noch mehr als 100 m Flussbreite zur Vorbeifahrt zur Verfügung gestanden hätten. Eine derartige Fahrweise entspreche auch nicht § 6.13 Nr. 1 und Nr. 3 RheinSchPV.

Bei dieser Sachlage komme auch keine Mithaftung der Beklagten nach § 6.13 Nr. 2 RheinSchPV im Hinblick darauf in Betracht, dass der Beklagte zu 2 kein Schallsignal abgegeben habe. Denn es habe keine gefährliche Situation vorgelegen und der Beklagte zu 2 habe sein beabsichtigtes Wendemanöver ausdrücklich und wiederholt über Funk angekündigt. Es entspreche der heutigen Rechtsprechung im Hinblick auf den obligatorischen Einsatz von gut funktionierenden Funkgeräten, dass einem Schallsignal bei ausreichender Funkinformation nur noch eine untergeordnete, wenn nicht sogar obsolete Rolle zukomme.

Die Widerklage sei zulässig. Zwar werde eine isolierte Drittwiderklage, die sich gegen einen bisher nicht am Prozess beteiligten Dritten richte, in Rechtsprechung und Literatur für unzulässig gehalten. Hier sei sie indessen zulässig. Dafür spreche schon der prozessökonomische Zweck der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung eines einheitlichen Lebenssachverhalts in mehreren Prozessen zu vermeiden und eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung zusammengehöriger Ansprüche zu ermöglichen. Das gelte erst recht, wenn ein Unfallbeteiligter – wie hier die Widerbeklagte zu 3 – seine eigene Forderung an den Kläger des Verfahrens abgetreten habe. Wenn dies zulässig sei, müsse es der beklagten Partei aus Gründen der Waffengleichheit ebenfalls möglich sein, ihre Ansprüche gegen den Zedenten in den Prozess einzubringen. Dass dem Zedenten dadurch die Möglichkeit einer Zeugenstellung genommen werde, sei nicht unbillig, weil er diese Stellung ohne die Zession in einem eigenen Prozess ebenfalls nicht gehabt hätte. Im Übrigen müsse das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO Aussagen von Prozessbeteiligten ohnehin unabhängig von ihrer Rolle im Prozess bewerten, so dass der Aussagewert der Anhörung oder Vernehmung einer Partei dem einer Zeugenaussage gleichwertig sein könne.

Die Widerklage sei unbegründet, soweit sie sich gegen den Widerbeklagten zu 1 richte, dem ein Verschulden nicht angelastet werden könne. Die Widerklage gegen die Widerbeklagten zu 2 und 3 sei aus den zur Unbegründetheit der Klage dargelegten Gründen in vollem Umfang begründet.

Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen sowie die Widerbeklagten zu 2 und 3 form- und fristgerecht Berufung mit dem Antrag auf Entscheidung durch die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt eingelegt und das Rechtsmittel sodann form- und fristgerecht begründet.

Die Klägerinnen und die Widerbeklagten zu 2 und 3 wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügen die Verfahrensweise des Rheinschifffahrtsgerichts und dessen Beweiswürdigung. Dazu tragen sie im Wesentlichen vor:

Das Rheinschifffahrtsgericht habe die Widerklage zu Unrecht als zulässig behandelt. Die von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen, für die eine isolierte Drittwiderklage ausnahmsweise als zulässig angesehen werde, seien hier – jedenfalls für die Widerklage gegen die Widerbeklagten zu 1 und 2 – nicht einschlägig. Das Rheinschifffahrtsgericht hätte deshalb die Drittwiderklage gemäß § 145 Absatz 2 ZPO abtrennen und gesondert behandeln müssen. Bei korrekter Verfahrensweise hätten somit die Widerbeklagten zu 1 und 2 als Zeugen vernommen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, leide die Entscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts an einem schweren Verfahrensfehler.

Die Beweiswürdigung des Rheinschifffahrtsgerichts sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Das Rheinschifffahrtsgericht entnehme den Tresco-Aufzeichnungen, dass FGKS „S.“ das Aufdrehmanöver bei Rheinkilometer 591,4 eingeleitet habe, weil dessen Antenne dort nicht mehr eindeutig talwärts, sondern nach Backbord gewiesen habe. FGKS „S.“ sei aber schon oberhalb von Rheinkilometer 591,4 in Schräglage geführt worden sei, ohne dass es aufgedreht habe. Dies gehe aus der Tresco-Aufzeichnung mit der Zeitangabe 36.20 und insbesondere aus den ECDIS-Aufnahmen von MS „Marajo“ hervor, die dem Rheinschifffahrtsgericht als Bestandteil der Ermittlungsakte vorgelegen hätten. Aus den Aufzeichnungen Blatt 44 bis 55 der Ermittlungsakte sei erkennbar, dass „S.“ zunächst über mehrere hundert Meter in Backbordschräglage und anschließend kurze Zeit in Steuerbordschräglage (Blatt 57 bis 59 der Ermittlungsakte) geführt worden sei, bevor über Backbord ausgedreht worden sei. Angesichts dieser Fahrweise der „S.“ sei die Annahme des Rheinschifffahrtsgerichts falsch, der Widerbeklagte zu 2 hätte das Wendemanöver erkennen können, als FGKS „S.“ sich bei Rheinkilometer 591,4 befunden habe. Der Widerbeklagte zu 2 sei auf Sicht gefahren; die Annahmen des Rheinschifffahrtsgerichts, was er auf dem AIS hätte erkennen können, seien spekulativ. Ferner lasse das Rheinschifffahrtsgericht die Widersprüchlichkeit der Entfernungsangaben des Beklagten zu 2 außer Betracht, der die Entfernung zu TMS „E.“ bei Einleitung des Wendemanövers zunächst mit 500, später dann aber mit 800 m angegeben habe. Der Aussage des Zeugen Q. hierzu habe das Rheinschifffahrtsgericht zu Unrecht besonderes Gewicht beigelegt und ihn nachgerade wie einen sachverständigen Zeugen vernommen, ohne ihn nach der Art seiner früheren, schon 18 Jahre zurückliegenden Tätigkeit in der Schifffahrt zu befragen. Demgegenüber habe der Zeuge X., ein aktiver Steuermann, die Entfernung mit 500 bis 600 m angegeben.

Rechtsfehlerhaft sei die Auffassung des Rheinschifffahrtsgerichts, der Beklagte zu 2 habe sein Wendemanöver rechtzeitig und ordnungsgemäß angekündigt. Gemäß § 6.13 RheinSchPV müsse sich ein Schiffsführer, bevor er mit seinem Fahrzeug wende, vergewissert haben, dass der übrige Verkehr dies zulasse. Das Gesetz verlange nicht nur ein Ankündigen; vielmehr müsse für den Schiffsführer des wendenden Schiffs klar sein, dass die übrige Schifffahrt im Revier das angekündigte Wendemanöver erkannt habe und ihre Fahrt darauf einstelle. Bei einer Kommunikation per Funk sei somit eine Bestätigung erforderlich. Daran habe es hier gefehlt; der Beklagte zu 2 habe keine Kenntnis davon gehabt, was von seinem Funkspruch angekommen und wie er aufgenommen worden sei.

Entgegen der Annahme des Rheinschifffahrtsgerichts habe der Beklagte zu 2 jedenfalls bei dem ersten vom Widerbeklagten zu 2 vernommen Funkspruch seine Absicht, an den linksrheinischen Steigern anzulegen, nicht kundgetan. Er habe nur ausgesagt, dass er das Wendemanöver angekündigt habe, nicht, dass er linksrheinisch anlegen wolle. Lediglich ein als Zeuge vernommenes Besatzungsmitglied von „S.“ wolle gehört haben, dass auch das Anlegen angekündigt worden sei. Solchermaßen könne aber nicht eine klare Aussage desjenigen ergänzt werden, von dem die Mitteilung selbst stamme.

Bei seinem Wendemanöver hätte der Beklagte zu 2 die Bewegung von „E.“ beachten müssen und nicht zugleich in das Anlegemanöver übergehen dürfen, zumal er nach der Aussage des Zeugen I. ausreichend Raum gehabt habe, vor der Annäherung an das linksrheinische Ufer „E.“ zunächst noch an seiner Steuerbordseite passieren zu lassen (vorsorglich Beweis Sachverständigengutachten). Stattdessen habe der Beklagte zu 2 erwartet, dass TMS „E.“ ins rechtrheinische Fahrwasser wechseln werde, weil dies an dieser Stelle schifffahrtsüblich sei. Schifffahrtsübliche Kurse seien heutzutage aber nur noch in – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen maßgebend. Der Beklagte zu 2 hätte sich daher nicht auf einen angeblich schifffahrtsüblichen Kurswechsel von „E.“ verlassen dürfen, zumal „E.“ eine Begegnung Backbord an Backbord vorgegeben habe.

Für seine Auffassung, der Widerbeklagte zu 2 habe noch genügend Zeit gehabt, auf den Drehvorgang zu reagieren, stütze sich das Rheinschifffahrtsgericht verfahrensfehlerhaft auf die Aussage des Zeugen Q., den es für in Schifffahrtssachen erfahren halte, ohne den Zeugen befragt zu haben, welche Kenntnisse der Zeuge jemals gehabt und nach 18 Jahren noch habe. Zu Meinungen und Mutmaßungen hätte das Rheinschifffahrtsgericht den Zeugen ohnehin nicht befragen und derartige Angaben nicht verwerten dürfen.

Die Klägerinnen beantragen, das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgericht – St. Goar vom 2. März 2017 – Az. 4 C 1/16 BSchRh – zu ändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 49.965 €, an die Klägerin zu 2 6.089,25 €, an die Klägerin zu 3 3.653,50 €, an die Klägerin zu 4 3.653,50 € und an die Klägerin zu 5 1.826,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Februar 2015 und an die Klägerin zu 1 weiterhin 1.892 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Widerbeklagten zu 2 und 3 beantragen, das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgericht – St. Goar vom 2. März 2017 – Az. 4 C 1/16 BSchRh – zu ändern und die Widerklage gegen die Widerbeklagten zu 2 und 3 abzuweisen.

Die Beklagte zu 1 und Widerklägerin und der Beklagte zu 2 beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Rheinschifffahrtsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen und der Widerklage gegen die Widerbeklagten zu 2 und 3 stattgegeben.

I.

Eine Ersatzpflicht der Beklagten für den an TMS „E.“ entstandenen Schaden setzt gemäß § 823 Abs. 1, 2 BGB, §§ 3, 92 ff. BinSchG ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu 2 als Schiffsführer des FGKS „S.“ voraus, das für die Kollision der beiden Schiffe ursächlich war. Daran fehlt es. Das Rheinschifffahrtsgericht ist mit überzeugenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kollision zwischen FGKS „S.“ und TMS „E.“ auf das alleinige Verschulden des Widerbeklagten zu 2 als Schiffsführer des TMS „E.“ zurückzuführen ist. Ein Mitverschulden ist dem Beklagten zu 2 als Schiffsführer des FGKS „S.“ unter Zugrundelegung der tatsächlichen Angaben der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme des Rheinschifffahrtsgerichts nicht anzulasten.

Das Rheinschifffahrtsgericht hat den Aussagen der zum Hergang der Kollision vernommenen Zeugen Q., I., X. und Y., den Angaben des Zeugen Z. gegenüber den Beamten der Wasserschutzpolizei St. Goar und der Auswertung der Tresco-Aufzeichnungen des FGKS „S.“ entnommen, dass der Abstand zwischen den unfallbeteiligten Fahrzeugen bei Einleitung des Wendemanövers des FGKS „S.“ noch so groß war, dass das Wendemanöver ohne Gefährdung des übrigen Schiffsverkehrs eingeleitet werden konnte. Diese Einschätzung teilt die Berufungskammer. Wie insbesondere aus den Screenshots der Tresco-Aufzeichnungen des FGKS „S.“ hervorgeht, setzte die Kursänderung des FGKS „S.“ nach Backbord bei gleichzeitiger Reduzierung der Geschwindigkeit bei Rheinkilometer 591,3 ein (Anlage B 1.2, Blatt 136 der Gerichtsakte). Danach änderten sich der Kurs und die Geschwindigkeit der „S.“ ab Rheinkilometer 591,0 wie folgt:

Rheinkilometer 591,0:     Kurs 21.0°   Geschwindigkeit 11,1 km/h (Anlage B 1.1, Bl. 135)

Rheinkilometer 591,3:     Kurs 4,5°     Geschwindigkeit 7,8 km/h (Anlage B 1.2, Bl. 136)

Rheinkilometer 591,4:     Kurs 320.8° Geschwindigkeit 5,4 km/h (Anlage B 1.3, Bl. 137)

Rheinkilometer 591,5:     Kurs 252.4° Geschwindigkeit 2,4 km/h (Anlage B 1.4, Bl. 138)

Rheinkilometer 591,5:     Kurs 213.3° Geschwindigkeit 3,1 km/h (Anlage B 1.5, Bl. 139).

Aus diesem Kursverlauf in Verbindung mit der kontinuierlichen und deutlichen Verringerung der Geschwindigkeit ergibt sich, dass FGKS „S.“ zwischen Rheinkilometer 591,0 und 591,5 den Kurs um 192° geändert, mithin über Backbord gewendet hat.

Bei Einleitung des Wendemanövers der „S.“ auf der Höhe von Rheinkilometer 591,3 befand sich TMS „E.“ im Bereich der Moselmündung bei Rheinkilometer 592,3 (Anlage B 1.2, Bl. 136 d. A.), somit in einer Entfernung von rund einem Kilometer. Dass dieser Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen für TMS „E.“ zu gering gewesen wäre, um Kurs und Geschwindigkeit so einzurichten, dass eine Kollision vermeidbar gewesen wäre, machen die Klägerinnen und die Widerbeklagten – zu Recht – nicht geltend. Sie haben vielmehr behauptet, der Beklagte zu 2 habe das Wendemanöver erst eingeleitet, als die beiden Schiffe sich bereits bis auf 300 oder gar 200 m genähert gehabt hätten. Dieser Behauptung ist das Rheinschifffahrtsgericht zu Recht nicht gefolgt. Sie steht nicht nur in unlösbarem Widerspruch zu den Angaben sämtlicher Zeugen, sondern wird auch durch die erwähnten Tresco-Aufzeichnungen eindeutig widerlegt.

Bei einem Abstand von rund einem Kilometer zur Bergfahrt bei Einleitung des Wendemanövers der „S.“ war dieses Manöver nach § 6.13 Nr. 1 RheinSchPV zulässig. Hiernach dürfen Fahrzeuge nur wenden, wenn sie sich vergewissert haben, dass der übrige Verkehr unter Berücksichtigung der Nummern 2 und 3 dies ohne Gefahr zulässt und andere Fahrzeuge nicht gezwungen werden, unvermittelt ihren Kurs oder ihre Geschwindigkeit zu ändern. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Angesichts des großen Abstands von rund einem Kilometer war eine Gefährdung der Bergfahrt ebenso ausgeschlossen wie die Notwendigkeit, Kurs oder Geschwindigkeit des TMS „E.“ unvermittelt zu ändern.

Die Klägerinnen und die Widerbeklagten wollen einen Verstoß gegen § 6.13 Nr. 1 RheinSchPV damit begründen, dass der Beklagte zu 2 es versäumt habe, sich durch Anforderung einer Bestätigung über Sprechfunk zu vergewissern, ob die Bergfahrt die Ankündigung des Wendemanövers über Sprechfunk zur Kenntnis genommen habe und bereit sei, das Manöver zu unterstützen. Dem ist nicht zu folgen. Das „sich vergewissern“ im Sinne von § 6.13 Nr. 1 RheinSchPV erfordert nicht generell eine Absprache des Wendemanövers oder das Abwarten einer akustischen Bestätigung der Ankündigung eines solchen, wie aus § 6.13 Nr. 2 RheinSchPV hervorgeht. Nach dieser Bestimmung ist lediglich die rechtzeitige Ankündigung des beabsichtigten Manövers durch Schallzeichen des Schiffs, das zu wenden beabsichtigt, erforderlich, und auch dies nur, sofern das beabsichtigte Manöver andere Fahrzeuge dazu zwingt oder zwingen kann, von ihrem Kurs abzuweichen oder ihre Geschwindigkeit zu ändern. Bei einem – wie hier – großen Abstand zu einem in der Bergfahrt entgegenkommenden Fahrzeug genügt es für das „sich vergewissern“, dass der Schiffsführer sich vor der Einleitung des Wendemanövers durch Beobachtung des Reviers Klarheit darüber verschafft, dass andere Fahrzeuge nicht gefährdet und nicht zur unvermittelten Änderung von Kurs oder Geschwindigkeit gezwungen werden.

Der Beklagte zu 2 hat das beabsichtigte Wendemanöver allerdings nicht durch Abgabe des Schallzeichens nach § 6.13 Nr. 2 Buchstabe b RheinSchPV angekündigt. Dieses Unterlassen war indessen für die spätere Kollision mit TMS „E.“ nicht ursächlich, weil der Beklagte zu 2 seine Absicht, unterhalb der Pfaffendorfer Brücke über Backbord zu wenden, in Höhe der Brücke über Sprechfunk angekündigt und der Widerbeklagte zu 2, der TMS „E.“ zu Berg führte, diese Funkdurchsage nach eigenen Angaben zur Kenntnis genommen hat. Ein zusätzliches Schallsignal hätte unter diesen Umständen keinen darüber hinausgehenden Informationswert gehabt. Das Rheinschifffahrtsgericht hat daher im Ergebnis mit Recht aus dem Unterbleiben des Schallsignals kein für die Kollision kausales Mitverschulden des Beklagten zu 2 hergeleitet.

Ein Mitverschulden ist dem Beklagten zu 2 auch nicht deswegen anzulasten, weil er unmittelbar vor dem Zusammenstoß zum Anlegen an einem der linksrheinischen Steiger ansetzte und dadurch TMS „E.“ für eine Vorbeifahrt an der Steuerbordseite des ständig gemachten Fahrgastschiffs keinen Raum ließ. Denn der Beklagte zu 2 konnte nicht damit rechnen, dass der Widerbeklagte zu 2 beabsichtigte, die „S.“ an deren Steuerbordseite zu passieren. Der Widerbeklagte zu 2 wusste, dass FGKS „S.“ nicht nur wenden, sondern auch linksrheinisch anlegen wollte. Denn dies hatte der Beklagte zu 2 über Sprechfunk angekündigt. Soweit die Klägerinnen dies nunmehr bestreiten wollen, setzen sie sich, wie auch das Rheinschifffahrtsgericht zutreffend festgestellt hat, in Widerspruch zu ihrem eigenen Sachvortrag in der Klageschrift. Im Übrigen haben die Zeugen Y. und Z. bestätigt, dass der Schiffsführer der „S.“ über Funk angekündigt hat, dass er über Backbord aufdrehen wolle, um am linksrheinischen Steiger anzulegen. Dass der Beklagte zu 2 letzteres bei seiner Anhörung durch das Rheinschifffahrtsgericht nicht erwähnt hat, schmälert den Wert dieser Zeugenaussagen nicht. Aber selbst wenn der Beklagte zu 2 seine Absicht, linksrheinisch anzulegen, nicht ausdrücklich mitgeteilt hätte, hätte der Widerbeklagte zu 2 zumindest mit einer solchen Absicht rechnen müssen. Denn für den nach den Angaben der Klägerinnen und der Widerbeklagten langjährig reviererfahrenen Widerbeklagten zu 2 musste sich die Überlegung geradezu aufdrängen, dass ein Fahrgastkabinenschiff, mit dem Flusskreuzfahrten auf dem Rhein unternommen werden, in der Talfahrt nicht im Bereich der Anlegestellen in der Ortslage Koblenz über Backbord wendet, ohne dort anzulegen.

II.

Die Widerklage ist zulässig. Zwar ist nach dem deutschen Zivilprozessrecht eine Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen am Prozess bislang nicht beteiligten Dritten richtet (isolierte Drittwiderklage), grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., z. B. BGH NJW 2014, 1670 Rn. 14 mit weiteren Nachweisen). Die Rechtsprechung nimmt jedoch für bestimmte Fallgestaltungen Ausnahmen hiervon an (BGH aaO Rn. 15 mit weiteren Nachweisen), die darauf beruhen, dass durch das Rechtsinstitut der Widerklage die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden soll. Zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können. Ausschlaggebend ist, dass die Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch seine Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden (BGH aaO Rn. 16 mit weiteren Nachweisen).

Nach diesen Grundsätzen ist die Widerklage im vorliegenden Fall zulässig. Die Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage sind tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft, denn sie beruhen beide auf der Schiffskollision vom 17. Oktober 2014. Schutzwürdige Belange der Klägerinnen oder der Widerbeklagten werden durch die Eibeziehung der Drittwiderbeklagten in den Rechtsstreit zwischen den Klägerinnen und den Beklagten nicht verletzt. Der Umstand, dass der Widerbeklagte zu 2, der das TMS „E.“ zum Zeitpunkt der Kollision eigenverantwortlich führte, wegen seiner Parteistellung nicht als Zeuge vernommen werden konnte, berührt schutzwürdige Belange der Klägerinnen und/oder der Widerbeklagten nicht. Das Rheinschifffahrtsgericht hat – wie es in Rheinschifffahrtssachen übliche Praxis ist – zur Aufklärung des Unfallhergangs nicht nur Zeugen vernommen, sondern auch die als Prozesspartei am Rechtsstreit beteiligten Besatzungsmitglieder angehört und deren Angaben in seine Überzeugungsbildung einfließen lassen. Dass es der Sachverhaltsschilderung des Widerbeklagten zu 2 – der Widerbeklagte zu 1 konnte zu den entscheidungserheblichen Umständen des Unfallhergangs ohnedies keine Angaben machen – in wesentlichen Punkten nicht gefolgt ist, hat seinen Grund nicht in der Parteistellung, sondern in der Tatsache, dass die Angaben des Widerbeklagten zu 2 in unüberbrückbarem Widerspruch zu den Aussagen sämtlicher Zeugen und zu den Tresco-Aufzeichnungen stehen und deshalb unglaubhaft sind. Dies wäre – auch nach der Überzeugung der Berufungskammer – auch dann nicht anders, wenn der Widerbeklagte zu 2 als Zeuge vernommen worden wäre.

III.

Die Widerklage ist auch begründet. Die Kollision zwischen FGKS „S.“ und TMS „E.“ ist, wie vorstehend bereits im Einzelnen dargelegt wurde, von dem Widerbeklagten zu 2 als verantwortlichem Schiffsführer des TMS „E.“ allein schuldhaft verursacht worden. Die Fahrweise des Widerbeklagten zu 2 stellt einen groben Verstoß gegen die in § 6.13 Nr. 3 RheinSchPV normierte Unterstützungspflicht und zugleich einen schwerwiegenden Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht nach § 1.04 RheinSchPV dar.

Nach § 6.13 Nr. 3 RheinSchPV müssen andere Fahrzeuge nach rechtzeitiger Ankündigung und zulässiger Einleitung eines Wendemanövers, sofern dies nötig und möglich ist, ihre Geschwindigkeit und ihren Kurs ändern, damit das Wenden ohne Gefahr geschehen kann. Dieser Verpflichtung ist der Widerbeklagte zu 2 nicht nachgekommen, sondern hat stattdessen in Kenntnis der Absicht der Schiffsführung des FGKS „S.“, über Backbord aufzudrehen und linksrheinisch anzulegen, TMS „E.“ mit unverminderter Geschwindigkeit linksrheinisch weiter zu Berg geführt. Nautisch völlig unverständlich und unverantwortlich war sein Versuch, das Fahrgastschiff, das linksrheinisch Kopf zu Berg ständig gemacht hatte und zum Anlegen an den linksrheinischen Steigern ansetzte, noch in dem relativ schmalen Zwischenraum an der Steuerbordseite zu passieren, anstatt durch eine mögliche und gebotene rechtzeitige Kursänderung nach Backbord das rund 100 m breite Fahrwasser an der Backbordseite des Fahrgastschiffs für die Vorbeifahrt zu nutzen.

Zu Unrecht wollen die Klägerinnen und die Widerbeklagten die Zulässigkeit der beabsichtigten Passage des TMS „E.“ an der Steuerbordseite der „S.“ aus dem Kursweisungsrecht des Bergfahrers herleiten. Das Kursweisungsrecht der Bergfahrt ist hier schon deswegen irrelevant, weil es nur für die Begegnung mit der Talfahrt, nicht jedoch für das Überholen in der Bergfahrt oder das Vorbeifahren an einem Kopf zu Berg ständig gemachten Fahrzeug gilt. Ohnedies hat der Bergfahrer gegenüber einem aufdrehenden Talfahrer kein Kursweisungsrecht (BGH VersR 1967, 154); dieser ist während des Wendemanövers kein Talfahrer (BGH VersR 1975, 252). Die von dem Widerbeklagten zu 2 beabsichtigte Durchfahrt zwischen der Steuerbordseite des FGKS „S.“ und den linksrheinischen Steigern war auch nicht als Überholmanöver zulässig. Gemäß § 6.03 Nr. 1 RheinSchPV ist das Überholen nur gestattet, wenn das Fahrwasser unter Berücksichtigung aller örtlichen Umstände und des übrigen Verkehrs hinreichenden Raum für die Vorbeifahrt gewährt. Das war nicht der Fall, weil der Abstand des FGKS „S.“ zu den linksrheinischen Steigern nach den Feststellungen des Rheinschifffahrtsgerichts, die von der Berufung nicht angegriffen worden sind, nur rund 20 m betrug.

Nach § 6.09 Nr. 1 RheinSchPV ist zudem das Überholen nur gestattet, nachdem sich der Überholende vergewissert hat, dass dieses Manöver ohne Gefahr ausgeführt werden kann. Hiernach wäre ein Vorbeifahren an der Steuerbordseite der „S.“ allenfalls dann als zulässig anzusehen, wenn der Widerbeklagte zu 2 dies mit der Schiffsführung des Fahrgastschiffs abgesprochen oder seine Absicht wenigstens über Sprechfunk angekündigt hätte. Dass dies geschehen wäre, haben die Klägerinnen und die Widerbeklagten nicht vorgetragen.

Der Höhe nach ist die Entscheidung des Rheinschifffahrtsgerichts über die Widerklage nicht angegriffen worden.

IV.

Aus den dargelegten Gründen wird daher für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerinnen und der Widerbeklagten zu 2 und zu 3 gegen das Urteil des Amtsgerichts – Rheinschifffahrtsgericht – St. Goar vom 2. März 2017 – 4 C 1/16 BSchRh – wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1 63 %, die Klägerin zu 2 8 %, die Klägerinnen zu 3 und 4 jeweils 5 %, die Klägerin zu 5 2 % und die Widerbeklagten als Gesamtschuldner 17 % zu tragen.

Die Gerichtskanzlerin:                                                             Die Vorsitzende:

(gez.) B. Braat                                                                         (gez.) M.L. Stamm