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II ZR 104/72 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Date du jugement: 16.05.1974
Numéro de référence: II ZR 104/72
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Der Miteigentümer eines Binnenschiffes kann - wie ein Nichteigentümer - Ausrüster dieses Fahrzeugs sein. Alsdann steht ihm, wenn er das Fahrzeug selbst führt, die Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 2 Satz 1 BinnSchG zu (Ergänzung zu BGHZ 33, 234).

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16. Mai 1974 

II ZR 104/72

(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim; Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)

Zum Tatbestand:

Das beladene TMS M der Klägerin stieß auf der Talfahrt in Höhe der Neckarmündung mit dem leer zu Berg fahrenden MS U, das dem Beklagten und dessen Ehefrau je zur Hälfte gehört, zusammen und sank.

Die Klägerin verlangt wegen nautischen Fehlverhaltens des Beklagten Ersatz der Schäden an dem gesunkenen und später gehobenen Schiff in Höhe von ca. 311 000 fl. und 131 000,- DM. Der Beklagte bestreitet ein Verschulden, hat aber im Berufungsrechtszug ca. 140 000,- DM gezahlt mit dem Hinweis, daß er in jedem Falle nur bis zu diesem Wert des MS U hafte. Die Klägerin verlangt weiterhin volle Bezahlung und Duldung der Zwangsvollstreckung in dieses Schiff.

Rheinschiffahrts- und Rheinschiffahrtsobergericht haben die Beschränkung der Haftung auf den Wert des Schiffes angenommen. Die darüber hinausgehenden Ansprüche wurden nicht für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Berufungsurteil blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG haftet der Schiffseigner, der sein Fahrzeug selbst führt, für nautisches Verschulden nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht, es sei denn – was hier nicht weiter interessiert -, daß ihm „bösliche Handlungsweise" zu Last fällt. Jedoch gilt diese Bestimmung nach der in BGHZ 33, 234 ff. abgedruckten Entscheidung des Senats nicht für einen Schiffer, der lediglich Miteigentümer des von ihm geführten Fahrzeugs ist (vgl. auch Liesecke, Anm. zu LM § 4 BinnSchG Nr. 6). Deshalb kann sich der Beklagte in seiner Eigenschaft als Miteigentümer des MS „Ulma" nicht auf die Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG berufen.

Nun gilt § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG nicht nur für den Eigner, sondern auch für den Ausrüster eines Binnenschiffes (§ 2 Abs. 1 BinnSchG). Als solcher wird allerdings in § 2 Abs. 1 BinnSchG nur derjenige bezeichnet, „der ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschifahrt verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut". Es kann deshalb zweifelhaft sein, ob auch der Miteigentümer eines Schiffes, das somit diesem teilweise gehört, Ausrüster im Sinne des § 2 Abs. 1 BinnSchG sein kann. Die Frage ist zu bejahen.

Das Binnenschiffahrtsgesetz hat für den Schiffseigner besondere, weitgehend aus den seerechtlichen Vorschriften übernommene Regelungen geschaffen, vor allem hinsichtlich der Haftung für Schäden, welche anderen Personen bei Ausübung der Schiffahrt zugefügt werden. Dabei versteht es unter einem Schiffseigner nicht jeden Schiffseigentümer, sondern nur denjenigen, der ein zur Schiffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern bestimmtes Schiff selbst hierzu verwendet (§ 1 BinnSchG), somit als Schiffahrtsunternehmer tätig ist (Mittelstein, Das Recht der Binnenschiffahrt 1918 S. 34). Lediglich ihn trifft eine besondere Verantwortung für schuldhaftes Verhalten der Besatzung in Ausführung von Dienstverrichtungen (§ 3 BinnSchG); allein seine Haftung ist unter bestimmten Voraussetzungen auf Schiff und Fracht beschränkt (§ 4 BinnSchG); nur ihm gegenüber wird dann dem Gläubiger als notwendiger Ausgleich hierfür ein gesetzliches Pfandrecht (Schiffsgläubigerrecht) an diesen Vermögensgegenständen gewährt (§ 102 Nr. 5 BinnSchG).Nun setzt die Tätigkeit des Schiffahrtsunternehmers nicht zwingend voraus, daß das von diesem verwendete Schiff ihm gehört. Vielmehr kann das Schiff auch im Eigentum oder Miteigentum eines Dritten stehen. Ein solcher Schiffahrtsunternehmer kann aber rechtlich nicht anders als ein Schiffseigner behandelt werden. Das liefe sonst nicht nur auf eine ungleiche Beurteilung praktisch gleicher Lebenssachverhalte hinaus. Vielmehr würde das auch zu dem nicht billigenswerten Ergebnis führen, daß die Haftung eines Schiffahrtsunternehmers für Schäden, welche anderen Personen bei der Ausübung der Schiffahrt zugefügt werden, allein wegen der - insoweit unwesentlichen - Eigentumsverhältnisse an dem von ihm verwendeten Schiff unterschiedlich ist. Insbesondere ein derartiges Ergebnis will die Bestimmung des § 2 Abs. 1 BinnSchG vermeiden, indem sie den Ausrüster eines Schiffes mit den Worten „wird Dritten gegenüber als Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes angesehen" hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten gegenüber dritten Personen dem Schiffseigner gleichgestellt (vgl. die Begründung zu § 2 des Entwurfes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, Nr. 81 der amtlichen Drucksachen des Reichstags 9. Legislaturperiode III. Session 1894/95). Eine solche Gleichstellung wäre aber unvollkommen, wenn sie den Fall des Miteigentümer-Ausrüsters nicht einbezogen hätte. Deshalb kann die Bestimmung des § 2 Abs. 1 BinnSchG sinngemäß nur dahin verstanden werden, daß sie alle diejenigen Schiffahrtsunternehmer umfaßt, die ein ihnen nicht allein gehöriges Schiff zur Schiffahrt verwenden.Daß nur diese Auslegung zutreffend sein kann, bestätigt auch die Geschichte des § 2 Abs. 1 BinnSchG. Diese Bestimmung ist nahezu wörtlich aus dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 477 Abs. 1: „Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerb durch Seefahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut, wird im Verhältnis zu Dritten als Reeder angesehen", vgl. nunmehr § 510 Abs. 1 HGB) übernommen worden (Begründung a.a.O.). Bei der Beratung des Art. 417 Abs. 1 ADHGB ist ausdrücklich abgelehnt worden, zwischen die Worte „nicht gehöriges" die Worte „ganz oder teilweise" einzuschalten, weil man „dafür hielt, daß, wenn schon derjenige, dem das Schiff gar nicht gehöre, in dem unterstellten Falle als Reeder betrachtet werde, kein Zweifel darüber bestehen könne, daß dies auch dann der Fall sei, wenn er einen Teil am Eigentum habe und dem Begriffe des eigentlichen Reeders um so viel näher komme" (Lutz, Protokolle zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs 1858 IV. Teil S. 1658; vgl. auch Boyens/Lewis, Das Deutsche Seerecht 1897 S. 303 Ziff. 5).Ist es demnach rechtlich möglich, daß nicht nur der Nichteigentümer, sondern auch der Miteigeintümer eines Binnenschiffes dessen Ausrüster ist, so hängt die Entscheidung des Rechtsstreits weiter davon ab, ob der Beklagte am Unfalltag Ausrüster des MS U war. Dabei kommt es auf die vom Berufungsgericht und von der Revision erörterte Frage, welche internen rechtlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau bestanden haben, nicht an. Denn die Frage, wer Ausrüster eines Schiffes ist, dieses somit zur Binnenschiffahrt verwendet, ist allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles zu entscheiden (Vortisch/Zschucke Binnenschiffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. § 2 BinnSchG Anm. 1 ; Mittelstein a.a.O. S. 36). Diese liegen hier aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts so, daß kein Zweifel an der Ausrüstereigenschaft des Beklagten bestehen kann.