Banque de données de juriprudence

II ZR 6/75 - Bundesgerichtshof (-)
Date du jugement: 27.01.1977
Numéro de référence: II ZR 6/75
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Juridiction: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Section: -

Leitsatz:

Zur Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers für den Ladeplatz von Schiffen, die zur Abfuhr von Aushubmaterial bei einer Hafenverarbeitung eingesetzt werden.


Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 27. Januar 1977

(Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schifffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Die bei der Klägerin versicherte Motorschute „D" geriet, als sie von der mit Aushubarbeiten im Hafen Gelsenkirchen beauftragten Beklagten beladen wurde, gegen ein unter Wasser befindliches Spundwandstück und wurde beschädigt. Die Spundwand verlief unter Wasser in schräger Richtung etwa 15-16 m - davon auf den letzten 12,8 m ohne Abdeckplatten und daher scharfkantig - quer in den Rhein-Herne-Kanal. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz des erstatteten Schadens von ca. 47 900,- DM, weil das Spundwandstück nicht als Gefahrenquelle gekennzeichnet gewesen sei, zumal die Leute der Beklagten den fehlenden Teil der Spundwandabdeckung selbst abgerissen hätten. Ihr Vorarbeiter habe dem Schiffsführer von „D" fälschlich erklärt, die Spundwand sei auch unter Wasser mit Abdeckplatten versehen, so dass das Schiff unbedenklich gegen die Spundwand gelegt werden könne.
Die Beklagte bestreitet diese Behauptungen. Der Schiffer sei darauf hingewiesen, dass sich die Spundwand unter Wasser fortsetze; er habe es aber unterlassen, sich genauer zu orientieren und habe das Spundwandstück unter Wasser nur mit dem Fliegerhaken abgetastet. Schifffahrts- und Schifffahrtsobergericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

Aus den Entscheidungsgründen:


Allerdings trifft es nicht zu, dass der Klage schon aufgrund der Vorschrift des § 27 BSchG stattzugeben sein. Die Vorschrift gehört zu den Bestimmungen, welche die frachtrechtlichen Beziehungen zwischen Absender und Frachtführer regeln. Sie sieht, soweit das hier interessiert, vor, dass der Frachtführer das Schiff zur Einnahme der Ladung an dem ihm von dem Absender angewiesenen Platz hinzulegen hat (Absatz 1), jedoch der Absender sein Weisungsrecht verliert, falls er dem Frachtführer trotz Aufforderung keinen geeigneten Ladeplatz bezeichnet (Absatz 2 Satz 1); auch muss er diesem, sofern dadurch die Ladezeit überschritten wird, Liegegeld bezahlen (vgl. Vortisch/Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht 3. Aufl. BSchG § 27 Anm. 5 b). Das alles hat aber nichts mit der zwischen den Parteien streitigen Frage zu tun, ob oder unter welchen Voraussetzungen der Absender Ersatz zu leisten hat, wenn das Schiff infolge der Beschaffenheit des Ladeplatzes beschädigt worden ist. Vielmehr ist diese Frage nach allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden.
Nach diesen Grundsätzen ist für die sichere Beschaffenheit eines Ladeplatzes derjenige verantwortlich, der den Platz für den Verkehr freigegeben hat (Vortisch-Zschucke a.a.O.). Das war, was den Ladeplatz der Schute „D" angeht, nicht die Beklagte. Dieser Platz lag - jedenfalls während der Beladung zum Unfallzeitpunkt - innerhalb des Rhein-Herne-Kanals, somit in einer von der Bundesrepublik Deutschland für den Schiffsverkehr freigegebenen Bundeswasserstraße. Für sie war (und ist) demnach die letztere verkehrssicherungspflichtig. Das schließt allerdings nicht aus, dass auch die Beklagte
aufgrund besonderer Umstände Sicherungspflichten für den Ladeplatz der Schute haben konnte.
Sicher ist es richtig, dass derjenige, der eine Baustelle betreibt, für die Sicherheit des von ihm auf der Baustelle zugelassenen Verkehrs zu sorgen hat. Allein daraus folgt aber nicht, dass sich diese Verantwortung auch auf die Beschaffenheit eines unmittelbar neben der Baustelle gelegenen öffentlichen Verkehrsweges erstreckt. Ferner genügt hierfür nicht, dass der Bauunternehmer von der Baustelle aus Fahrzeuge, die sich auf dem öffentlichen Verkehrsweg befinden, be- oder entladen lässt. Das hat nichts mit der sicheren Beschaffenheit dieses Wegs für die Ladefahrzeuge und der Verantwortlichkeit hierfür zu tun. Anders liegt es erst dann, wenn der Bauunternehmer seinerseits in die Beschaffenheit des Wegs eingreift und dadurch eine Gefahrenlage für den Verkehr schafft. Dann muss er die notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen; auch wird er, sofern er das schuldhaft unterlässt, einem dadurch Geschädigten ersatzpflichtig. Ebenso erweitert sich sein Verantwortungsbereich, wenn ein Teil des Wegs in die Baustelle selbst einbezogen wird. Denn nunmehr gehört dieser Teil zu dem örtlichen Bereich, für dessen Sicherheit er als Bauunternehmer zu sorgen hat.
Die Klägerin hat behauptet, dass der gefahrvolle Zustand des unter Wasser verlaufenden Spundwandstücks erst durch die Tätigkeit der Beklagten entstanden sei; diese habe beim Abtragen des Erdreichs die - fehlende - Abdeckung des Stücks mit dem Bagger weggerissen. Das Berufungsgericht ist dieser - wie noch näher auszuführen sein wird - für den Ausgang des Rechtsstreits erheblichen Behauptung nicht weiter nachgegangen, weil der von der Klägerin für deren Richtigkeit angetretene Sachverständigenbeweis hierfür ungeeignet sei. Insoweit liegt jedoch ein Irrtum des Berufungsgerichts vor. Die Klägerin hat für ihre Behauptung keinen Sachverständigen-, sondern Zeugenbeweis angetreten. Mit Grund rügt daher die Revision, dass das Berufungsgericht durch Nichterheben dieses Beweises § 286 ZPO verletzt hat.
Hat aber die Beklagte bei den Aushubarbeiten die Abdeckplatten von dem unter Wasser befindlichen Spundwandstück abgerissen - was wegen des aufgezeigten Verfahrensverstoßes für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist -, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass sie den Interessenten der Schute „D" für den Leckschaden nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig ist. Denn er beruht sodann auf einer von der Beklagten geschaffenen und nicht beseitigten besonderen Gefahrenlage.
Bei Aushubarbeiten im unmittelbaren Bereich der Spundwand mussten die Ladefahrzeuge diesen, der Baustelle selbst zuzurechnenden Bereich aufsuchen. Dort konnten sie jedoch durch den unter Wasser verlaufenden Teil der Spundwand beschädigt werden, insbesondere wenn dessen Oberseite nicht mit Abdeckplatten versehen war. Zu den Sicherungspflichten der Beklagten als Betreiber der Baustelle gehörte es deshalb, eine solche Gefahr zu vermeiden. Dieser Pflicht kam sie aber erst dann hinreichend nach, wenn sie Verlauf und Abdeckung des unter Wasser befindlichen und insoweit für die Ladefahrzeuge nicht sichtbaren Spundwandstücks sorgfältig überprüfte und, soweit dabei Gefahren für die Ladefahrzeuge erkennbar waren, sie beseitigte. Das ist unstreitig nicht geschehen. Auch entlastet es die Beklagte, wie das Berufungsgericht offenbar meint, insoweit nicht, dass sie die Spundwand nicht errichtet hatte. Denn das berührt ihre Verantwortung für die Sicherheit der von ihr betriebenen Baustelle nicht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts spielt in diesem Zusammenhang auch die nautische Seite des Ladevorgangs keine Rolle. Dieser Gesichtspunkt kann für die Frage eines Mitverschuldens des Schiffsführers der Schute an der Havarie seines Fahrzeugs von Bedeutung sein; für die Beurteilung der Pflichten und des Verhaltens der Beklagten ist er jedenfalls ohne Belang. Da die Sache aus den vorstehend dargelegten Gründen weiterer tatsächlicher Prüfung bedarf, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es war deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte dieses nach erneuter Prüfung eine Schadensersatzpflicht der Beklagten bejahen, so wird sich auch die Mitverschuldensfrage stellen.
Dürfte es in diesem Zusammenhang von Gewicht sein, dass es, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, in den nautischen Verantwortungsbereich eines Schiffsführers fällt, wenn er - wie hier - anscheinend bewusst das Risiko der Berührung mit einem unter Wasser befindlichen Spundwandstück eingegangen ist, dessen Beschaffenheit er noch nicht einmal genau gekannt hat. Ebenso dürfte es für die Mitverschuldensfrage nicht unerheblich sein, ob der Schiffer der Schute bei dem von ihm vorgenommenen Abtasten der Spundwand mit dem Fliegerhaken das Fehlen von Abdeckplatten hätte erkennen können, sofern er mit der hier gebotenen besonderen Sorgfalt gehandelt hätte."