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IV R 127/70 - Bundesfinanzhof (-)
Date du jugement: 05.11.1970
Numéro de référence: IV R 127/70
Type de décision: Urteil
Language: Allemande
Règle du droit: § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Juridiction: Bundesfinanzhof München
Section: -

Leitsatz:

Die Tätigkeit eines Schiffseichaufnehmers, die der eines Ingenieurs ähnlich ist, ist auch dann im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG freiberuflich, wenn seine Ausbildung nicht auf wissenschaftlicher Grundlage beruht.

Urteil des Bundesfinanzhofs

vom 5. November 1970

Zum Tatbestand:

In einer im zweiten Rechtszuge befindlichen Sache hatte das Finanzamt den Revisionsbeklagten (Steuerpflichtiger) wegen seiner Tätigkeit als Schiffseichaufnehmer zur Gewerbesteuer herangezogen, das Finanzgericht hat jedoch entschieden, dass es sich hierbei um eine freiberufliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handele. Bei der Entscheidung dieser Frage genügt es, wenn die Tätigkeit des Steuerpflichtigen dieselben charakteristischen Merkmale wie die in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Berufe aufweise. Allen als freiberuflich anerkannten Tätigkeiten sei eigen, dass zu ihrer Ausführung ein besonderes Maß an geistiger Fähigkeit erforderlich sei und der Einsatz körperlicher Kräfte oder Fertigkeiten demgegenüber zurücktrete. In dem zu dieser Frage abgegebenen Gutachten der zuständigen Industrie- und Handelskammer war hierzu u. a. folgendes ausgeführt:

Der Schiffseichaufnehmer ermittele anhand des Unterschiedes der Eintauchung des Schiffes vor der Entladung (bzw. Beladung) und der Eintauchung nach der Entladung (bzw. Beladung) das Gewicht der Schiffsladung und stelle darüber eine Bescheinigung aus. Die Eichaufnahme erfolge durch Abmessen des Unterschieds zwischen dem Wasserspiegel und den Eichplatten. Zur exakten Gewichtsfeststellung müssten alle die Lage und das Gewicht des Schiffes beeinflussenden Faktoren berücksichtigt werden, z. B. Bewegfang des Schiffes bei Wellengang, Strömung des Gewässers, Witterungsverhältnisse wie Wind und Regen, Grundberührung usw. Der Eichaufnehmer müsse auch über gute Materialkenntnisse verfügen, da sich das Gewicht der Ladung je nach Feuchtigkeit ändere, und mit Regenwasser gesättigte Kies- oder Kohleladungen hätten je nach Durchlässigkeit bzw. Aufnahmebereitschaft von Wasser ein verschiedenes Gewicht. Durch einen größeren Regenguss könne sich das Ladegewicht um 50 bis 80 Tonnen vergrößern. Der Eichaufnehmer vermerke auf der von ihm ausgestellten Bescheinigung u. a. das Ladungsgewicht. Die Berechnung dieses Gewichts erfolge anhand der im Eichschein enthaltenen Angaben über die Zunahme der Wasserverdrängung des Schiffes für Eintauchungen im Frischwasser. Diese Angaben träfen aber nicht zu auf solche Häfen, in denen das Wasser Salzgehalt habe. Hier müsse der Eichaufnehmer den Salzgehalt ermitteln und Ergänzungsberechnungen anstellen. Erst nach dieser Umrechnung könne das Ladungsgewicht ermittelt werden. Hierbei seien, wie bei allen anderen Eichaufnahmen auch die das Gewicht beeinträchtigenden Zuladungen wie z. B. 01, Wasser usw. genau zu erfassen und nach spezifischem Gewicht zu berechnen und bei der Feststellung des Ladungsgewichts zu berücksichtigen. Die Gewichtsfeststellung erfordere gute mathematische Kenntnisse, weil der Eichaufnehmer das Ladegewicht nur nach Vermessung des Rauminhalts und der anschließenden Berechnung der einzelnen nach ihrem spezifischen Gewicht verschiedenen Güter feststellen könne. Eine besondere Ausbildung oder Vorbildung für den Beruf des Eichaufnehmers sei nicht zwingend vorgeschrieben. Erforderlich für die Bestellung sei nach der Sachverständigenordnung eine besondere, d. h. überdurchschnittliche Sachkunde. Der Schiffseichaufnehmer müsse die technische Abwicklung der Eichaufnahme beherrschen, darüber hinaus werde von ihm auch die Kenntnis gewisser Vorschriften über die Eichung und Ausrüstung von Binnenschiffen verlangt, die eng mit der Durchführung von Eichaufnahmen zusammenhänge.

Die aufgrund dieses Sachverhalts vom Finanzgericht entschiedene Freistellung des Schiffseichaufnehmers von der Gewerbesteuer wurde vom Finanzamtsvorsteher mit der Revision angegriffen. Der Bundesfinanzhof hat die Revision jedoch als unbegründet zurückgewiesen.

Aus den Gründen:

Im Ergebnis tritt der Senat der Vorentscheidung bei. Nicht zu folgen vermag er der Vorentscheidung insofern, als sie die Ähnlichkeit mit einem der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Berufe schon dann bejaht, wenn die im Einzelfall zu beurteilende Tätigkeit die gleichen charakteristischen Merkmale aufweist, die für die im Katalog erwähnten Berufe insgesamt typisch sind. Der Senat hat mehrfach, u. a. in den Urteilen IV 601/55 U vom 27. September 1956 (BFH 63, 357, BStBI III 1956, 334; IV 84/57 U vom 14. November 1957, BFH 66, 4, BStBI III 1958, 3, und IV 54/61 vom 12. Dezember 1963, BFH 78, 349, BStBI III 1964, 136), ausgesprochen, dass ein allgemeiner Grundsatz aus der Vorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht hergeleitet werden kann, dass vielmehr eine freiberufliche Tätigkeit nur dann in Betracht kommt, wenn diese entweder einem oder mehreren der im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG angeführten Berufe zuzurechnen oder einem oder mehreren bestimmten von ihnen ähnlich ist. Hieran hält der Senat fest.

In der letztgenannten Entscheidung hat der Senat unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen strengeren Rechtsprechung ausgeführt, dass nur dann, wenn der zu vergleichende, im Gesetz aufgeführte Beruf eine wissenschaftliche Ausbildung verlange, auch der ähnliche Beruf auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen müsse, dass aber in allen anderen Fällen, in denen der Beruf ohne eine vorgeschriebene Ausbildung ausgeübt werde und in denen wie z. B. beim Ingenieur die Berufsbezeichnung rechtlich ungeschützt sei, an die Vorbildung des ähnlichen Berufs keine höheren Anforderungen gestellt werden dürften. Der Senat hält an diesen Grundsätzen auch weiterhin fest. Die gleichfalls die Tätigkeit eines Schiffseichaufnehmers betreffende Entscheidung des BFH 1 381/60 U vom 29. Januar 1964 (BFH 79, 112, BStBI III 1964, 273), die noch strengere Maßstäbe an die Ausbildung im ähnlichen Berufe anlegt, gründet sich, wie sich aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf das BFH-Urteil IV 120/62 U vom 18. Juli 1963 (BFH 77, 646, BStBI 111 1963, 557) ergibt, noch auf die inzwischen aufgehobene frühere Rechtsprechung des IV. Senats, ohne diese aufrechterhalten zu wollen.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, so bestehen auf Grund des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts, insbesondere der gutachtlichen Äußerung der zuständigen Industrie- und Handelskammer, keine rechtlichen Bedenken, die Ähnlichkeit mit dem im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 angeführten Beruf eines Ingenieurs zu bejahen. In dem angeführten Beruf sind mathematisch-technische Kenntnisse wesentliche Voraussetzungen für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Sie muss daher als eine freiberufliche anerkannt werden, wenn sie sich, wie im Streitfall, in dem Rahmen der einem freien Beruf gezogenen Grenzen hält. Da bei dem Steuerpflichtigen nach Sachlage auch eine handwerkliche Tätigkeit ausscheidet, muss unter Berücksichtigung aller Umstände die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als eine der Tätigkeit eines Ingenieurs ähnliche beurteilt werden. Besondere Voraussetzungen in bezug auf die Ausbildung des Berufsträgers sind entgegen der Auffassung des FA hierfür nicht erforderlich."